Am 25. November 2016 brannte der  historische Trakt des  Straubinger Rathauses nieder. Die Stadt hat damit ihre „gute Stube“ verloren, denn vieles der 600 Jahre alten Bausubstanz ist unwiederbringlich. Lediglich die stark beschädigten Außenmauern können erhalten werden. Viele Straubinger trauern um ihr Rathaus. Katastrophen wie hier zeigen, wie sehr sich Menschen mit den historischen Gebäuden ihrer Heimatorte identifizieren. Doch ist es nicht allein deren Denkmalwert, deren geschichtliche Bedeutung, die sie zu Identifikationsobjekten macht. Es schwingt dabei auch eine zu tiefst emotionale Komponente mit.

Was verleiht unseren Orten und Städten ihre Unverwechselbarkeit? Gewerbegebiete und Neubausiedlungen sind es nicht. Es sind jene Gebäude, die Generationen überdauert, bis heute der Schnelllebigkeit unserer Zeit getrotzt und sich in unser Gedächtnis eingeprägt haben.

Die neugotische Fassade des Straubinger Rathauses lässt sich wieder instand setzen. Der historische Rathaussaal ist nicht wiederherstellbar. Doch genau darum wird in nächster Zeit diskutiert werden. Mehrfach hört man, der Rathaussaal müsse „originalgetreu“ wiederaufgebaut werden. Aber was meint man damit? Ein niedergebrannter historischer Saal und seine verlorene Ausstattung lassen sich allenfalls kopieren. Von Original kann bei einem Wiederaufbau keine Rede sein. Der vormals bestehende bau-, kunst- und kulturgeschichtliche Wert ist bei einer historisierenden Kopie gleich Null – von ihrer denkmalpflegerischen Bedeutungslosigkeit ganz zu schweigen.

Aus fachlicher Perspektive sind Kopien kaum erstrebenswert. Doch fachliche Aspekte spielen im öffentlichen Diskurs eine untergeordnete Rolle. Der Wunsch nach dem Gewohnten, und sei aus auch nur als Kopie, dominiert; und er entspringt in aller Regel emotionalen Beweggründen – insbesondere bei sogenannten Wahrzeichen. So war es beim Frankfurter Rathaus, dem „Römer“, der während des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört wurde. Hinter der historischen Treppengiebel-Fassade verbirgt sich ein modernes Bürohaus im Stil der 1950er-Jahre. Die nach den Luftangriffen vom Februar 1945 vollständig zerstörte Dresdner Frauenkirche wurde ab 1994 wiederaufgebaut und 2005 unter großer Anteilnahme eröffnet. In Berlin baut man seit 2013 am neuen Stadtschloss mit rekonstruierter Barock-Fassade.

Historisierende Neubauten sind bei Architekten, Denkmalpflegern und Historikern eher unbeliebt. Die Bevölkerung hat damit weniger Probleme. Im Gegenteil, sie liebt diese Platzhalter so als wären es die alten Bauten.

Es gilt abzuwarten, wie sich Straubing entscheidet. Ein eindeutig richtig oder falsch gibt es aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven kaum.

Maximilian Seefelder