Er hatte einen Hörsturz erlitten, musste sich außerdem einer Operation unterziehen und steckte in einer Lebenskrise. Dies bewog den Entertainer Hape Kerkeling, sich auf eine Pilgerreise zu begeben und 2001 den berühmten „Jakobsweg“ nach Santiago de Compostela zu gehen. 2006 erschien sein „Reisebericht“ als Buch mit dem Titel „Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg“. Darin plaudert der berühmte Jakobspilger über die physischen und psychischen Anstrengungen seiner Unternehmung.

Gleich Tausenden von Pilgern war auch Hape Kerkelings Weg eine spirituelle Herausforderung auf der Suche nach dem Göttlichen und eine Reise zu sich selbst, wie er 2006 in einem Spiegel-Interview erklärte. Nur: die allermeisten Menschen veröffentlichen ihre Eindrücke nicht. Wenn doch, erfahren sie kaum Medienresonanz und öffentliche Aufmerksamkeit. Kerkelings Buch führte fast zwei Jahre lang die Bestsellerliste an. Es wurde über vier Millionen Mal verkauft. Damit avancierte es zu einem der erfolgreichsten deutschen Sachbücher überhaupt. Kerkelings Popularität kann aber nicht der alleinige Grund für diesen publizistischen Erfolg gewesen sein. Er liegt auch im Thema selbst begründet. Unzählige Menschen sind spirituell unterwegs. Sie suchen nach Strategien zur Bewältigung jener Herausforderungen, die das Leben an jeden von uns stellt. Von einem erfolgreichen Sympathieträger, der weder von einer Glaubensinstitution vereinnahmt noch politisch verschlissen ist, auf unkonventionelle, vielleicht einfache Weise eine Antwort auf die Sinnfrage des Lebens zu erhalten, weckt Hoffnungen. Weil sich diese jedoch nicht in der Alltagshektik erfüllen, braucht es dazu Auszeiten, sei es in Form anregender Lektüre oder einer Selbsterfahrung, zu der sich Suchende auf den Weg machen.

Laut Wikipedia war nach Hape Kerkelings Veröffentlichung die Zahl deutscher Jakobspilger im Jahr 2007 um 71 Prozent, im darauffolgenden Jahr um 14, dann ab 2009 mit mehr als neun Prozent noch überdurchschnittlich angestiegen. Solche Hochphasen gab es in der Geschichte vieler Pilger- und Wallfahrtsorte immer wieder zu verzeichnen, auch länger anhaltende. Auslöser waren dann aber aufsehenerregende Berichte von wundersamen Ereignissen, welche die Runde machten. Dass ein Entertainer einen derartigen Impuls gibt, wenngleich nur kurzfristig, ist bisher einmalig und die Folge einer gut gemachten Werbekampagne. Doch ungeachtet dessen und abseits des „Mainstreams“ bietet die jahrhundertelange Kontinuität zahlreicher „heiliger Stätten“ reichlich Stoff für interessante Geschichten. Das zeigt nicht zuletzt die Flut von Büchern, Dokumentationen sowie Spielfilmen. Pilgerreisen und -orte haben auch in der Moderne nichts von ihrer Attraktivität verloren, denn die Sehnsüchte und Anliegen der Menschen sind vielfach dieselben geblieben. Ein Hape Kerkeling unterscheidet sich darin nicht von einem Lieschen Müller oder Otto Normalverbraucher.

MS