„Der Bauer is dumm, der a alts Haus hat und baut’s um!“ – Diesen Spruch tat ein eher unfreiwilliger Denkmalbesitzer kund, der von der historischen Qualität seines bäuerlichen Wohnhauses und dessen Instandsetzung überzeugt werden sollte. Das war 1988. Das Bayerische Denkmalschutzgesetz, damals gerade 15 Jahre jung, hatte also noch nicht einmal seine Volljährigkeit erreicht. Will heißen: Was Kritiker auf fachlicher und politischer Ebene in mancherlei Hinsicht als unausgegoren („lex imperfecta“) bezeichneten, erachtete man landläufig als Zumutung. Letztere allerdings unter Anführung aberwitziger Behauptungen, wonach Denkmaleigentümer zum Beispiel ohne Toilettenspülung und Zentralheizung auskommen müssten. Die kritische Beurteilung des Denkmalschutzgesetzes zielte dabei vor allem auf profane Denkmäler ab, bevorzugt auf Bürger- und insbesondere Handwerker- und Bauernhäuser. Denn dass Sakralbauten und herrschaftliche Denkmale, also Kirchen, Kapellen, Burgen und Schlösser erhaltenswert wären, dem billigten sogar Besucher dörflicher Stammtische zu. Viele von ihnen gingen am Sonntag selbstverständlich in die Kirche, und manche hatte ein Vereinsausflug schon einmal nach Schloss Neuschwanstein oder auf die Kelheimer Befreiungshalle geführt. Aber dass jetzt auch der vor sich hin faulende Blockbau des Nachbarn zum Denkmal erklärt wurde, wo dieser doch die ehemalige Wohnstube längst zum Saustall umfunktioniert hatte, das überstieg die Vorstellungskraft und Toleranz vieler Zeitgenossen bei weitem.

Bei objektiver Betrachtung waren derartige Reaktionen erwartbar. Öffentlichkeitsarbeit über Ziel und Zweck der Denkmalpflege fand kaum statt. Von einer Information und Sensibilisierung der Bevölkerung für die Belange des Denkmalschutzes konnte also keine Rede sein. Hinzu kam: Die festgestellte Denkmaleigenschaft ihres Gebäudes traf die meisten privaten Eigentümer im Wortsinn kalt. Ihre Angst vor zu hohen Auflagen und finanzieller Überforderung war groß, der öffentliche Fördertopf hingegen begrenzt. Auch die Argumente der „studierten Denkmalschützer“, die aus der Großstadt anreisten, überzeugten vor Ort nicht immer. Und das gelegentlich obrigkeitliche Auftreten, das sich Amtsträger im vermeintlichen Schutz des Gesetzes anmaßten, war unangemessen.

Heuer blickt Bayern auf „50 Jahre Denkmalschutzgesetz“ zurück. Vieles im Umgang damit hat sich zum Positiven verändert. Vor allem hat man dazugelernt. Heute ist an die Stelle befürchteter Vorschriften umsichtige Beratung gerückt – in fachlichen, verfahrens- und fördertechnischen Fragen. Es gibt staatliche und kommunale Unterstützung, Förderprogramme, Sondertöpfe, Denkmalmedaillen und dotierte Denkmalpreise, ebenso wie sich Stiftungen fördernd einbringen. Die Öffentlichkeitsarbeit ist besser geworden. Damit wurde das Bewusstsein auch für die kulturhistorische Dimension dieses Themas bei vielen Menschen geweckt. Bürgerinitiativen gegen Abrisse und Netzwerke für den Erhalt von Denkmalen formierten sich.

Darüber hinaus geht es bei alledem längst nicht mehr nur um idealistische Betrachtungsweisen. Die wirtschaftlichen Aspekte, welche bei Denkmalschutz und -pflege mitspielen, liegen auf der Hand und sollten in der Diskussion über Für und Wider nicht außer Acht gelassen werden. Beispiel Handwerk und Gewerbe. Jeder für den Denkmalschutz bereitgestellte Euro Zuschuss löst weitere Investitionen aus. Diese kommen dem heimischen Baugewerbe und Fachhandwerk zugute. Die Denkmalförderung stellt also eine effektive Mittelstandsförderung dar. Beispiel Tourismus. Wer anderswo das Besondere sucht, weiß, dass auch hierzulande die Urlauber nicht die Gewerbegebiete bereisen, sondern das Charakteristische in den sogenannten Destinationen erwarten und zu schätzen wissen. Neben der Natur spielt die Kulturlandschaft eine bedeutende Rolle. Diese definiert sich auch über die historische Architektur insbesondere in den Altstädten, die ohne denkmalpflegerischen Schutz kaum in der bestehenden Qualität zu erleben wären. Nicht nur die Gastronomie und das Beherbergungsgewerbe profitieren davon.

Und zu guter Letzt gesellen sich zu den ökonomischen Argumenten für den Denkmalschutz auch noch ökologische: Gebäudesanierungen sind ressourcenschonend, flächensparend und somit nachhaltig. Bei aller Kritik, welche das Denkmalschutzgesetz und dessen Anwendung im Einzelfall begleiten mag – ohne die Achtung und den begründbaren Erhalt eines Teils der historischen Bausubstanz hätte Bayern, hätten seine Städte und Regionen, viel an materieller Kultur in Gestalt identitätsstiftender Bauten einbüßen müssen. Nutzen und Gewinn eines zunächst spröden Gesetzestextes erschließen sich in erlebbarer Vielfalt aus seiner praktischen Umsetzung.

Maximilian Seefelder
Foto: Sabine Bäter