Das Jesuskind in der Krippe, drum herum Maria und Josef, Ochs und Esel, etwas weiter weg die Hirten mit ihren Schafen, die herbeiströmen und andächtig niederknien und in der Ferne die Heiligen Drei Könige: ihre Kamele, beladen mit ausgesuchten Kostbarkeiten. – Sind das einfach nur Figuren aus Holz oder Plastik, die man jedes Jahr aus dem Keller holt und mal mit mehr, mal mit weniger Fantasie aufstellt? Einfach nur eine alte Tradition?

Mit der Krippe ist es wie mit einem guten Buch, einem Theaterstück oder einem Film. Es gibt Hauptrollen und Nebenrollen. Das bedeutet nicht, die Hauptrollen sind wichtig, die Nebenrollen unwichtig. Ganz im Gegenteil! Die Nebenrollen sorgen dafür, dass die Hauptrollen überhaupt glänzen können. Und so ist es bei der Krippe auch. Wie die Hauptrollen besetzt sind und wofür sie stehen, das macht uns keine Schwierigkeiten. Aber wie sieht es mit den Nebenrollen aus? Was ist mit den Tieren? Ochs und Esel, Schafe, Hunde, Kamele, Pferde, Elefanten – das ist ja ein richtiger Zoo! Wofür stehen die denn?

Aus der Sicht der Tiere ist die Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium ziemlich dürr: da kommen die Hirten mit ihren Schafen vor, und dann ist auch schon Schluss. Aber wie jede gute Geschichte haben die Menschen auch die Weihnachtsgeschichte mit der Zeit immer weiter ausgeschmückt.

Wo ein Stall ist, da sind Ochsen und Esel nicht weit. Das dachte man sich. Schließlich heißt es schon im Alten Testament: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt‘s nicht und versteht’s nicht.“ Schon damals waren die Menschen so mit sich selbst und ihren Sorgen und Streitigkeiten beschäftigt, dass sie gar nicht erkennen konnten, was da für ein Wunder geschehen ist. Und heute ist das noch immer so. Weihnachten verschwindet hinter Lebkuchen, Christbaumkugeln, Weihnachtsbeleuchtung und Glühwein.

Die ersten, die zur Krippe strömten, das waren ganz einfache Menschen: Hirten mit ihren Schäfchen und Lämmchen. Wie ein Hirte kümmerte sich Jesus um die Menschen, denen es schlecht ging und am Ende opferte er sich selbst – als Lamm Gottes.

Und dann sind da noch die Heiligen Drei Könige mit Pferden, Kamelen und Elefanten. Sie zeigen uns, woher die Könige kommen. Das Pferd steht für Europa, das Kamel für den Orient und der Elefant für Afrika.

Jeder Kulturkreis hat seine eigene Krippe und seine eigenen Tiere; und auch seine Eigenheiten: Zum Beispiel gibt es in Katalonien den Brauch, etwas weiter von der Krippe entfernt, eine kleine Figur aufzustellen, die mit heruntergelassen Hosen gerade ihr Geschäft verrichtet.

Christoph Goldstein
Foto: Christoph Goldstein