Der eierlegende Osterhase erlebte um 1800 seinen Durchbruch, und zwar zunächst bei protestantischen Bürgerfamilien im städtischen Umfeld, bevor er in den 1930er-Jahren die Konfessionsgrenzen, auch ins bäuerlich geprägte Niederbayern überschritt. Seine unaufhaltsame Karriere verdankte er schließlich Kinderliteratur des frühen 20. Jahrhunderts und der boomenden Süßwarenindustrie. Dies weiß man hierzulande nur zu gut, denn nirgendwo werden mehr Schokohasen produziert als in Landshut.

Wie der Hase zu einem profanen Ostersymbol geworden ist, zeigt ein Blick in die Kulturgeschichte: Er kommt zwar weder in der österlichen Liturgie noch im religiösen Brauch um das Osterfest vor, dennoch taucht Meister Lampe seit Jahrhunderten über Länder- und Religionsgrenzen hinweg als Symbolfigur auf. Schon in der Antike galt der Hase seiner Fruchtbarkeit wegen als Sinnbild für Lebenskraft und Wiedergeburt. Im Alten Ägypten stand er als Attribut des Mondgottes Thot für den Neuanfang. Daraus erschließt sich eine Verbindung zum Osterfest, denn in der byzantinischen Kirche steht der Hase als Symbol für die Auferstehung. Weil er als Fluchttier häufig mit offenen oder halbgeschlossenen Augen ruht, lieferte er das Bild dafür, dass Jesus durch seinen Tod am Kreuz nicht entschlafen, sondern im Leben geblieben ist. Es verwundert daher nicht, wenn sich Hasen als Zeichen ewigen Erwachens auf frühchristlichen Mosaiken und Gräbern finden. Ein Gemälde des venezianischen Renaissancemalers Tizian zeigt die Madonna mit dem Jesusknaben und einem weißen Hasen. Während ein Korb mit Brot und Wein im Bildvordergrund auf den Opfertod Christi verweist, deutet das Tier die Auferstehung an. Etwa zeitgleich entstand das berühmte Hasenfenster im Kreuzgang des Paderborner Doms: Es zeigt drei springende Hasen, in Kreisform angeordnet, sodass jedes Tier seine zwei Ohren hat, aber das Motiv mit nur drei Ohren auskommt. Daraus ergibt sich ein Dreieck, das die Dreifaltigkeit symbolisiert und zugleich ein Symbol für die Unendlichkeit ist.

Dieses populäre Dreihasenbild war ein beliebtes Ostereimotiv, das die ohnehin schon religiöse Symbolik der gefärbten Ostereier zusätzlich betonte. Nachdem es zu Ostern Eier mit Hasenmotiven gab, lag es umgekehrt nahe, dass der Hase an Ostern die Eier brächte. Einen ersten schriftlichen Hinweis auf „Haseneier“ lieferte der Heidelberger Arzt Johannes Richier in seiner Doktorarbeit von 1682. Er spricht darin über Erkrankungen nach unmäßigem Verzehr von Ostereiern, die allgemein „Haseneier“ genannt wurden. Ebenso erwähnt Richier den Osterhasen. Man würde nämlich Kindern und einfältigen Menschen einreden, dass dieser die Eier brächte.

„Im greana, greana Gras, da sitzt a scheena schneeweißa Has“, so lautet der Textanfang eines überlieferten Zwiefachen aus Niederbayern. Tatsächlich lebt der Feldhase im Gegensatz zum Wildkaninchen oberirdisch. In der Sasse, einer selbstgeschaffenen, nestähnlichen Mulde findet er seinen Unterschlupf und verharrt dort gut getarnt. Wüsste man es nicht besser, könnte man durchaus auf die Idee kommen, dass er hier auch Eier legt.

MS