Dieser Zwiefache hält nicht, was sein Titel verspricht. Weder die Form noch die Akkordverbindungen sind besonders revolutionär. Entdeckt haben wir ihn in einem alten Notenheft, das über 100 Jahre alt ist. Und da kann es gut sein, dass der Zwiefache entstanden ist, als in Bayern 1918 und 1919 Revolution war. Auch das Notenheft hat eine interessante Geschichte hinter sich. Jetzt ruht es freilich im Volkskulturarchiv des Bezirks Niederbayern. Davor hat es dem niederbayerischen Steinmetz und Musiker Alois Prebeck aus Luhof bei Bernried gehört. Er hat in vielen verschiedenen Kapellen gespielt und muss ein rechter „Dipferlscheisser“ gewesen sein, denn er hat in das ganze Heft mit grüner Tinte eine Korrektur nach der anderen hineingeschmiert. Wenn Sie mehr wissen wollen, es gibt zu Alois Prebeck auf diesem Blog einen eigenen Artikel. https://www.kulturheimat.de/nochmal-schoener-abschreiben-zwiefachenpolizei-aus-bernried/

Werbeblock beendet, jetzt aber zurück zur Revolution! In Niederbayern waren die Revolutionsjahre nicht so turbulent, wie sie es in München waren. Dort hatte es am 8. November 1918 eine kleine Gruppe um Kurt Eisner geschafft, ganz ohne Blutvergießen die Wittelsbacher vom Thron zu stoßen und den Freistaat Bayern auszurufen. Mittendrin waren damals zwei Niederbayern: die Brüder Carl und Ludwig Gandorfer aus Pfaffenberg. Die Gandorfers waren eine reiche, einflussreiche Familie. Sie hatten einen großen Hof, eine Ziegelei und eine Sägemühle. Normalerweise vertragen sich Einfluss und Revolution nicht, aber bei den Gandorfers war es anders. Carl war Bauunternehmer, Bürgermeister und Landtagsabgeordneter. Es war Ludwig, der es am 7. November 1918 zusammen mit Kurt Eisner und einigen wenigen Gefolgsleuten geschafft hat, die Kasernen nahe der Theresienwiese zu stürmen und die kriegsmüden Soldaten zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen. Ludwig III. musste aus der Stadt fliehen, Bayern war auf einmal auf dem Weg zu einer Demokratie. Als Ludwig Gandorfer drei Tage später mit dem beschlagnahmten Fiat des Prinzen Joachim Albrecht von Preußen nach Pfaffenberg zurückfahren wollte, um Lebensmitteltransporte nach München zu organisieren, verunglückte er tödlich bei einem Unfall. Sein Bruder Carl war auch nach der Ermordnung Eisners und dem blutigen Ende der Räterepublik Landtagsabgeordneter und später, während der Weimarer Republik, bis zu seinem Tod 1932 im Reichstag.

Bezirk Niederbayern (Hrsg.): Rumpertibum, 100 Zwiefache aus Niederbayern, Landshut 2022, 16 €, ISBN 978-3-942155-08-3, bestellbar unter kultur@bezirk-niederbayern.de, Tel. 0871 97512-734.

Christoph Goldstein