Derzeit erhitzt das Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ die Gemüter im Land. Während der Bayerische Bauernverband (BBV) dagegen protestiert, scheinen die Initiatoren einen Nerv getroffen zu haben. Denn das rasante Verschwinden von Insekten, Vögeln und bunten Wiesenkräutern bemerkt jeder, der aufmerksam durch unsere Fluren läuft. Dabei ist es unbestritten, dass dafür nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch alle Flächenverbraucher wie Industrie und Gewerbe, Siedlungs- und Straßenbau, kurz: wir alle mit unserem ungebremsten Wachstumsdenken verantwortlich sind. Denn wer seine im Internet bestellten Waren unbedingt „sofort“ haben will, nimmt mehr Schwerlastverkehr genauso billigend in Kauf wie derjenige, der möglichst täglich ein ganz billiges Stück Sonderangebots-Fleisch auf dem Teller sehen will.

Das große Insektensterben ist seit der sogenannten „Krefelder Studie“ aus dem Jahr 2017, die einen Rückgang der einst üppigen Welt der Schmetterlinge, Bienen und Käfer um 75 Prozent dokumentierte, in aller Munde. Fachleute wie Landschaftsplaner, engagierte Naturschützer oder Journalisten – wie Dieter Wieland und der jüngst verstorbene Horst Stern –, oder Künstler wie Biermösl Blosn weisen schon seit den großen Flurbereinigungen der 70er Jahre darauf hin, dass der fortlaufende Verlust von Ackerrainen, Hecken, Wiesenstreifen entlang der Kleingewässer und das Beseitigen von Kleinstrukturen verheerende Folgen haben können. Zu einem Rückgang der Artenvielfalt, Bodenfruchtbarkeit und Schönheit unserer Kulturlandschaft führen auch Monokulturen, Pestizideinsatz und das Bestreben, auch den letzten Quadratmeter zur Steigerung der Erträge zu nutzen. Verschmutzung des Trink- und Grundwassers, Bodenerosion durch Wasser und Wind sind einige der Auswirkungen.

Jetzt also scheint das Fass überzulaufen. Rund zehn Prozent der bayerischen Bevölkerung sagte bereits „Stopp! Es reicht!“ und hat für das Volksbegehren „Artenvielfalt“ unterschrieben.

Doch das allein wird nicht genügen, wenn nicht auch ein Wandel im Bewusstsein und Verhalten eintritt: Wenn wir uns nicht fleischärmer und qualitätsbewusster ernähren, wenn wir nicht die wenigen Prozent Biobauern stärker unterstützen durch unser Einkaufs- und Konsumverhalten, wenn wir uns nicht insgesamt auf Weniger und einen gesünderen Lebensstil umstellen – für unsere Heimat. Wenn wir unsere Gärten statt mit Kies, Schotter und insektenfeindlichen Immergrünen nicht wieder mit vielfältiger, bunter Pflanzenwelt anlegen, wird das große Sterben weitergehen. Dass der BBV jetzt Patenschaften anbietet, bei denen Privatpersonen 50 Euro spenden, damit 100 Quadratmeter Ackerland in eine Mini-Blumenwiese umgewandelt werden, wird von Befürwortern des Volksbegehrens als Alibivorschlag und Ablasshandel gesehen, der viel zu kurz greife. Die Kritik lautet: Der Vorschlag gehe das Problem nicht radikal genug an der Wurzel an.

Es braucht manchmal Jahrhunderte und das geduldige Bohren von weitaus dickeren Brettern, um wieder einen lebendigen fruchtbaren und belebten Oberboden entstehen zu lassen. Und eine bereits verschwundene Tier- und Pflanzenart kehrt sehr, sehr selten wieder zurück.

Man darf gespannt sind, wie die bayerische Staatsregierung, die nach der letzten Landtagswahl eine „grünere“ Landespolitik versprochen hat, reagieren wird. Ein runder Tisch mit Umweltverbänden und Vertretern der Landwirtschaft allein wird nicht helfen.

HW
(Foto: Johannes Selmansberger )