Corona ist in vielfacher Hinsicht existenzbedrohend. Menschen fürchten um ihre Gesundheit, im schlimmsten Fall um ihr Leben. Es gehen Firmen pleite und Arbeitsplätze verloren. Nicht nur die Wirtschaft stöhnt. Der Einzelhandel, die Tourismusbranche, Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe sind heruntergefahren. Die Kultur ist lahmgelegt: Opernhäuser, Theater, Konzertsäle, Kleinkunstbühnen, Kinos, Museen – geschlossen. Professionelle Kulturschaffende des darstellenden Kunst- und Musikbetriebs, insbesondere der Freien Szene, sehen sich seit über einem Jahr einem Berufsverbot ausgesetzt – Alternative: Hartz 4. Der Bildungsbetrieb in Schulen, an Universitäten und sonstigen Eirichtungen fährt – wenn überhaupt – mit angezogener Handbremse. Dies alles ist hinlänglich bekannt, vor allem aber ist es für die Betroffenen mehr als dramatisch. Verzweiflung macht sich breit. Psychologen und Psychiater wissen ein Lied davon zu singen.

Neben Gesundheit und Existenzsicherung ist es die Kultur in all ihren Facetten, die den Menschen trägt. Kultur – und damit ist nicht allein die Kunst gemeint – ist der Kitt der Gesellschaft, weil sie nicht nur seelischen Ausgleich bringt, sondern wie der Sport gemeinschaftsbildend ist.

Reden wir zum Beispiel von Traditionen, Bräuchen und Festen. Traditionen sind Gemeinschaftssache. Können sie nicht begangen werden, mögen zwar auf den ersten Blick keine Existenzen gefährdet sein, aber das sehen Schausteller, Fieranten und Festwirte, die jetzt normalerweise das Jahr über auf Volksfesten, Dulten und Messen unterwegs wären, ganz anders. Bräuche wie das Maibaumaufstellen, Sonnwendfeiern, Erntefeste, Kathreintänze usw. führen Menschen zusammen; umgekehrt leben Bräuche erst durch die Gemeinschaft: Christliche Feste und Feiertage wie Ostern und Weihnachten fanden 2020 im Lockdown und damit so gut wie nicht statt. Ostern 2021 wird man ohne Gemeinschaft nicht anders erleben. Feste wie Hochzeiten, Geburtstage, Familien-, Firmen- und Vereinsjubiläen können ohne Familien, Angehörige, den Freundes-, Kollegenkreis, die Belegschaft zwar irgendwie begangen, aber doch nicht wirklich gefeiert werden. Corona ist also nicht nur ein Brandbeschleuniger in Sachen Existenzgefährdung, sondern auch der Todbringer des sozialen Lebens.

In Wissenschaft und Politik herrscht derweil weiter rege Uneinigkeit über die Corona-Strategien. Die Befürworter strenger Einschränkungen sehen am liebsten das ganze Land abgeriegelt und – ungeachtet der Grundrechte und drohender Insolvenzen – das öffentliche Leben heruntergefahren. Andere, fachlich durchaus etablierte Vertreter aus Medizin, Wirtschaft und Wissenschaft kritisieren die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen, weil sie die Zuverlässigkeit von Tests, Inzidenzen, die Aussagekraft von Berechnungsmodellen und Statistiken nicht gegeben sehen.

Die Lage bleibt in mehrerlei Hinsicht diffus. Man fährt auf Sicht, heißt es. Doch die Scheibe ist beschlagen und der Motor stottert.

Maximilian Seefelder
Foto: Maximilian Seefelder