Öffentlicher Raum – darum geht es im Baukulturbericht, der dieses Jahr wieder einmal erschienen ist. Aber halt! Was ist der Baukulturbericht eigentlich? Und wer steht dahinter? Ganz kurz: Der Baukulturbericht wird alle zwei Jahre von der Bundesstiftung Baukultur herausgegeben. Die Stiftung finanziert sich hauptsächlich aus Bundesmitteln. Das Ziel: mit Veranstaltungen und Veröffentlichungen rund um‘s Thema Bauen informieren.

Öffentlicher Raum ist ganz, ganz wichtig. So könnte man den 168 Seiten langen Bericht zusammenfassen. Negativbeispiele und Kritik gibt es nicht, dafür viel allgemeines Blabla, allerdings garniert mit einigen positiven Beispielen. Gut und schön, aber bei diesen Beispielen geht es viel zu oft um Berlin, Hamburg und Düsseldorf, als ob es öffentliche Räume nur in Städten gäbe. – Grund genug, darüber nachzudenken, wie es in Niederbayern mit dem öffentlichen Raum so aussieht.

Das Herz eines kleinen Ortes, das ist der Dorfplatz: Kirche, Rathaus, Wirtshaus, Läden. Hier zeigt man sich („Mei, des Kleid is aber kurz!“), hier tauscht man sich aus („Ja, Frau Maier, haben’S scho ghört, dass…“), hier kauft man ein („Des Mehl is scho wieder teurer geworden!“), man schimpft, man lacht, man lebt und gehört, ob man sich mag oder nicht, irgendwie zu einer Gemeinschaft.

Heute steht diesem gewohnten öffentlichen Raum ein anderer, ein virtueller öffentlicher Raum im Weg: Das Internet. Soziale Netzwerke bestimmen immer mehr unser Leben: Wer hat auf Instagram das Foto mit dem süßesten Lächeln? Wer hat den härtesten Waschbrettbauch auf Tinder? Wir machen uns zur Ware, dauernd im Wettbewerb mit anderen Usern. Die Währung sind Likes, wer kann an meisten davon sammeln?

Der öffentliche Raum muss also etwas bieten, mehr als die eigene Wohnung. Meistens ist er aber einfach nur Parkplatz. Man kauft im Gewerbegebiet ein und danach geht‘s nach Hause in die Einfamilienhauswüste. – Was kann man tun? Mehr Grün, weniger Beton, mehr Bänke, weniger Parkplätze, Cafés, kleine Läden, Märkte, Vereine, Schulen, Veranstaltungen, Mehrgenerationenhäuser und so weiter.

Die Autos ganz aus dem Ortskern zu verbannen, das geht nicht. In Frontenhausen ist es gelungen einen Kompromiss zwischen Autofahrern und Fußgängern zu finden.

Es muss nicht immer Granit sein. Die Platanen bilden den Rahmen des gekiesten Marktplatzes. Auf dem Platz selbst sind Autos verboten, drumherum nicht. Dieser Platz ist mit einem Cafè und Restaurant, Läden, einem Brunnen und Sitzbänken wie geschaffen für Veranstaltungen, Märkte, für das Gespräch und, und, und.

Anders in Geisenhausen: Dieser Marktplatz ist kein Markt- sondern ein Parkplatz. Hier will sich niemand länger als nötig aufhalten; es ist auch kein Wunder, wenn ein Beerdigungsinstitut das erste Haus am Platze ist.

Wie gemütlich kommt dagegen der Reisbacher Marktplatz daher! Die hohen Bäume spenden Schatten. Es plätschert sogar ein kleiner Bach.

Wer einen lebendigen Ortskern haben will, steht heute vor gewaltigen Herausforderungen. Das kostet Geld und Hirnschmalz – aber das sollte es uns allen wert sein.

Christoph Goldstein und Helmut Wartner
Foto: Markt Frontenhausen, Christoph Goldstein, Markt Reisbach