Noch ist die Ernte in vollem Gange. Noch bis Ende des Monats werden Äpfel eingebracht, direkt verzehrt, eingelagert oder weiterverarbeitet. Denkt man an den Obstanbau in Deutschland, kommt einem vielleicht auf Anhieb das Alte Land im Südwesten von Hamburg oder der Bodensee in den Sinn. Beim Vergleich der Obstbauflächen der sieben Regierungsbezirke Bayerns belegt Niederbayern Platz fünf.

Ein Hauptgrund für den verhältnismäßig geringen Obstanbau hierzulande ist der sogenannten „Generalobstbauplan“, der in den späten 1950er Jahren für ganz Deutschland beschlossen und in Niederbayern ganz besonders gründlich umgesetzt wurde. Er besiegelte die wirtschaftlich motivierte Absicht, den Obstanbau auf dicht bepflanzte, kleine Spindelbäume in Monokultur umzustellen. In der Folge wurde die Rodung von alten Streuobstbeständen sogar staatlich gefördert. Schätzungen des NABU-Bundesfachausschusses für Streuobst zufolge gingen die Bestände an Streuobstwiesen in Deutschland von rund 1,5 Millionen Hektar im Jahr 1950 auf rund 300000 Hektar in den 1990er Jahren zurück. Damit wurde nicht nur die reine Menge, sondern auch die Vielfalt der Sorten dramatisch verringert. Mit diesem Verlust einhergehend verloren auch gemeinschaftsbildende Kulturtechniken wie die Dörrobstherstellung oder das Mosten an gesellschaftlicher Verbreitung.

Die Obstbau-Kultur Niederbayerns lässt sich heutzutage in manchen Gegenden besonders gut sehen und erleben. So weiß man beispielsweise in und um Ortenburg herum, dass ein ausgewogener Most am besten herzustellen ist, indem man säuerliche Apfelsorten mit milderen Birnensorten mischt. Solches Wissen wurde von Generation zu Generation mündlich weitergeben und prägte die Landschaft, da die Auswahl der kultivierten Sorten entsprechend dem traditionell erworbenem Wissen vorgenommen wurde. Neben dieser Gegend im Passauer Land weisen die Namen alter, im Sortiment heutiger Supermärkte nicht vorhandener Sorten wie „Rottaler Weinbirne“ oder „Vilstaler Weißapfel“ deutlich auf den einheimischen Obstanbau hin.

Auch Stadtwappen können hier aufschlussreich sein. So zeigt das Wappen der Gemeinde Lalling einen roten Apfel und unterstreicht so bildlich die Bedeutung des Obstanbaus für den Lallinger Winkel, der auch als Obstschüssel des Bayerischen Waldes bezeichnet wird. In Lalling wurde auch von 1861 bis 1904 eine Distriktsobstbaumschule unterhalten. Für die Vermittlung von obstbaulichem Grundwissen ist heutzutage der vom Bezirk Niederbayern betriebene Lehr- und Beispielbetrieb für Obstbau in Deutenkofen zuständig. Hier werden aktuell rund 550 Obstsorten angebaut und z. B. auf Ihre Eignung für einheimische Verhältnisse hin erprobt, wobei vor allem die Hitze- und Trockenheitsresistenz zukunftsträchtige Themen sind. Zusätzlich werden hier in Kursen Brenner und Baumwarte ausgebildet. Insbesondere letztere können dadurch, dass sie das Wissen in die Gemeinden Niederbayerns tragen und dort als Ansprechpartner dienen, einen wichtigen Beitrag für Niederbayerns blühende Zukunft leisten.

LS