In den zurückliegenden Jahrzehnten fand ein regelrechter Verdrängungswettbewerb statt: Weihnachtsmann contra Nikolaus. Der schokoladene Beweis steht alljährlich bereits Monate vor dem Advent in den Regalen der Discounter. Dieses verfrühte Angebot ist für unsere Konsumgesellschaft selbstverständlich geworden. Längst bestimmt das Angebot die Nachfrage. Sobald kurz nach Weihnachten bereits die Osterhasen in die Regale drängen, kauft niemand mehr Weihnachtsmänner. Vom Nikolaus ist dann so oder so keine Rede mehr. Dessen Comeback immer am 6. Dezember ist allenfalls ein kurzes. Als Gabenbringer überlebt ihn der Weihnachtsmann saisonal ohnehin.

Beide Gestalten – Nikolaus und Weihnachtsmann – werden nur allzu gern verwechselt. Was unterscheidet sie also? Und wo kommen sie her?

Nun, wer etwas genauer hinschaut, erkennt den Unterschied: Der eine trägt eine rote Zipfelhaube und hält eine Rute in der Hand. Der andere ist mit Mitra und Stab ausgestattet, den Insignien eines Bischofs. Migranten sind sie beide: Der Ältere, der Heilige Nikolaus,  lebte im 4. Jahrhundert und stammt aus Myra in der heutigen Türkei. Er wird unter anderem als Patron der Kinder und Gabenbringer verehrt. Der jüngere Weihnachtsmann taucht erst viele hundert Jahre später, nämlich im 19. Jahrhundert, auf. Als ursprünglich pfälzischer „Belznickel“ erhielt er von einem deutschen Karikaturisten und Amerikaauswanderer seine mittlerweile typische rote Robe mit den dicken weißen Pelzaufschlägen. In den 1930er-Jahren trat er schließlich mit der Coca-Cola-Werbung seine transatlantische Rückwanderung an und kehrte etwas verändert in die alte Heimat zurück.

Der seit langem in Bayern beheimatete „Nikolo“ weist sich zweifellos als Bischof aus. Als solcher unterhielt er von jeher enge verwandtschaftliche Beziehungen – etwa zum niederländischen Sinterklaas. Dieser war auch Patron von Neu Amsterdam, dem späteren New York. Nur nennen sie ihn dort Santa Claus. Ebenso gibt es einen russischen Bruder. Er heißt Deduschka Moros – Väterchen Frost. Wüsste man nicht um seine Herkunft, könnte man ihn glatt für einen waschechten Bayern halten. Denn er bevorzugt ein blau-weißes Kostüm. Allerdings symbolisieren seinen Farben nicht die bayerischen Rauten, sondern Kälte und Frost. Deswegen lässt sich Deduschka Moros sinnigerweise von seiner Enkelin Snegurotschka, dem Schneeflöckchen, begleiten.

Übrigens kennt Nikolaus als Patron der Kinder weder politische noch ethnische Grenzen. Als Père Noel beschenkt er französische Kinder ebenso wie er als Noel Baba mittlerweile auch Kinder islamischer Familien besucht. Er ist eben beides, ein echter Kinderfreund und Kosmopolit. Nur eines war er nicht – ein Weihnachtsmann, selbst wenn er dafür Pate stand.

MS