Wussten Sie, dass es auch in Niederbayern einen ausgesprochen schiefen Turm gibt? Man muss also gar nicht den weiten Weg über die Alpen nach Pisa fahren, um einen schiefen Turm zu sehen.

Es ist der Turm des kleinen gotischen Kirchleins St. Ottilia in Salzdorf, ein paar Kilometer südlich von Landshut. Der Ort Salzdorf ist uralt, viel älter als die nahe gelegene Stadt. Im 18. und 19. Jahrhundert war die Kirche das Ziel einer beliebten Ottilien-Wallfahrt für viele tausend Menschen. Auch die Salzdorfer Kirchweih muss im 19. Jahrhundert eine außerordentlich lustige gewesen sein. Laut einer Landshuter Chronik sollen sich damals viele tausend Menschen, regelrechte Karawanen, auf den Weg nach Salzdorf gemacht haben. Doch zurück zum schiefen Turm: Er neigt sich ca. 60 cm nach Süden, was man sehr gut mit dem bloßen Auge sehen kann. Natürlich ist das nicht so sonnenklar, wie beim schiefen Turm von Pisa, der sich um fast vier Meter neigt, allerdings bei fast 56 Meter Höhe. Warum wird ein Turm überhaupt schief? Wie in Pisa, so haben auch in Salzdorf die Baumeister die Beschaffenheit des Bodens unterschätzt. In Pisa steht der Turm nah am Meer – schließlich war Pisa einst eine bedeutende Seemacht – auf feuchtem, sandigem Boden, also auf einem sehr ungleichmäßigen, unberechenbaren und nachgiebigen Boden. Salzdorf liegt zwar nicht am Meer, aber auch in den Niederungen des tertiären Hügellandes finden sich oft Böden, die sich aus sandigem, schluffigem Lehm zusammensetzen und ebenso unberechenbar und feucht sein können. Der Salzdorfer Baumeister hatte damals wahrscheinlich einfach Pech mit dem Bauplatz.

Christoph Goldstein
Fotos:
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Ottilia_(Salzdorf)#/media/Datei:St._Ottilia_Salzdorf_02.jpg
https://wolfgangsee.salzkammergut.at/oesterreich-tour/detail/430006912/der-wolfgang-pilgerweg-fussweg-etappe-4.html ©Peter Pfarl