Es ist ein schöner, uralter Brauch, am vierten Dezember Obstzweige zu schneiden und in eine Vase zu stellen. Nach wenigen Tagen schon regen sich die ersten Knospen und kaum ist Weihnachten herangekommen, da grünt und blüht es; – ein Lichtblick in der dunklen, staden Zeit, ein Hoffnungsschimmer.

Und warum gerade am vierten Dezember? Geht nicht auch der fünfte oder der sechste? Der vierte Dezember, das ist der Tag der heiligen Barbara.

Barbara war eine hübsche, junge Frau, die sich vor lauter Verehrern nicht retten konnte. Aber ihr Wunsch war es, allein und in Abgeschiedenheit zu leben. Sie wandte sich dem Christentum zu. Zu dieser Zeit waren Christen unbarmherziger Verfolgung ausgesetzt. Sogar ihr eigener Vater drohte ihr mit dem Tode. Barbara gelang es zu fliehen, doch durch einen verräterischen Hirten gelangte sie in Gefangenschaft. Auf dem Weg ins Gefängnis verfing sich ein dürrer Zweig eines Kirschbaumes in ihrem Kleid. Mit dem wenigen Wasser, dass ihr während der Haft beschieden war, nährte sie den Zweig. Und am Tage ihrer Hinrichtung stand er in voller Blüte. Der langsam keimende und schließlich erblühende Zweig war im Grau der Zelle ihr Trost und ihre Hoffnung auf Erlösung.

Seitdem ist es der Brauch, es Barbara gleichzutun und am Tag ihrer Hinrichtung, dem vierten Dezember, Obstzweige zu sammeln, auf dass sie am Weihnachtstage blühen. Gelingt einem dies, dann bedeutet das Glück im neuen Jahr.

In manchen Gegenden hängen junge Mädchen an jeden Zweig einen kleinen Zettel. Darauf geschrieben stehen die Namen der Verehrer. An dem Zweig, dessen Knospen die ersten sind, die erblühen, hängt das Zettelchen mit dem Namen des zukünftigen Bräutigams.

Barbaras Vater selbst war es, der am Tage der Hinrichtung das Schwert führte, um seine eigene Tochter zu enthaupten. Man sagt, er wurde kurze Zeit später vom Blitz erschlagen. Seither rufen die Artilleristen Barbara als ihre Schutzheilige an, damit sie, so wie der strafende Blitz, ihr Ziel auch ja nicht verfehlen mögen. Ob das der heiligen Barbara gefallen würde?

Christoph Goldstein
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