In Zeiten, in denen ein Bundespräsident die Bevölkerung seines Landes darum ersuchen muss, miteinander zu reden und praktisch ein schier unübersichtlicher Haufen von Gesprächsinhalten scheinbar nur noch dazu dient, Gräben zu vertiefen, soll hier einmal daran erinnert werden, dass es Themen gibt, die genüsslich ausdebattiert werden können, ohne Freundschaften auf immer und ewig auseinanderbrechen zu lassen. Motto: Lernt streiten im Kleinen. Und da bieten sich beispielsweise Praktiken der Kulinarik an, die auch innerhalb meines Hauses gelegentlich für schöne, hausgemachte Debatten zum schönen, hausgemachten Schweinebraten dienen: Semmel- oder Kartoffelknödel?

Über die grammatikalisch korrekte Darreichungsform der Semmelknödel (bzw. Semmelnknödeln) hat sich schon Karl Valentin, der große Vordenker alles wirklich Wesentlichen, so seine Hirnwindungen durchgewrungen: „Semmel ist die Einzahl, das mußt Ihnen merken, und Semmeln ist die Mehrzahl, das sind also mehrere einzelne zusammen.“ Und bis zur Hälfte ernstzunehmende Ethnologen haben behauptet, dass Bayern sowieso liebend gerne runde Dinge essen (Knödel, Pflanzerl, Rollbraten), weil sie im Kern ihrer Existenz danach trachten, selbst so rund wie möglich zu werden: Sie erkennen solcherart das G’wamperte in ihrem Essen als Idealbild schon mit.

Was jedoch die eigentliche Knödelfrage doch eher nur am Rande streift. Harmoniebedürftige Wirte servieren in ihren heiligen Speisehallen einfach zum Braten je einen Kartoffel- und einen Semmelknödel, und es gibt Rückzugsgebiete in Niederbayern, wo der Ritschi- oder Ranschknödel zubereitet wird, der aus beiden Ingredienzien besteht. Aber das sind Hilfskonstruktionen jener, die eine eindeutige Position meiden. Rein wort- und herkunftsmäßig hat die Semmel natürlich die älteren Rechte, weil sie sich schon aus dem Lateinischen ableitet, wo die Leute „simila“ zum Weizenmehl sagten – und aus solchem ist die Semmel ja gemacht.

Während die Kartoffeln wie auch Mais und Tomaten Produkte Amerikas sind, die erst nach der Zweit-, Dritt- oder Viertentdeckung des Kontinents auf den europäischen Markt gerieten, zusammen mit dem Tabak übrigens, der Rache der Indianer am Weißen Mann. Privatforschungen haben ergeben, dass im Großen und Ganzen der Kartoffelknödel eher die Oberpfalz prägt, während der Semmelknödel mehr in Rest Altbaierns verbreitet ist, was insofern naheläge, als dort der Weizen deutlich besser wächst als in der vom Kartoffelanbau geprägten „Steinpfalz“. Motto. Wir machen Knödel aus allem, was da so herumliegt. Aber stimmt das auch wirklich so?

Die innerhäusliche Debatte um die korrekte Beilage zum Schweinsbraten wurde schließlich durch einen Gastwunsch gelöst: Es gab Spätzle.