Klopapier ist im Moment ein Luxusprodukt, das kaum zu bekommen ist. Schreckliche Vorstellung, dass auf einmal nichts mehr da sein könnte, um sich den Allerwertesten abzuwischen. Das scheint eine Urangst der Deutschen zu sein; besonders jetzt, in Zeiten, in denen Corona wütet. Also fallen sie wie Heuschrecken über die Supermärkte her und lassen gähnend leere Regale zurück. Aber sind wir doch mal ehrlich: Deutschland war schon immer ein Land der Sauberfrauen und Saubermänner. Es ist kein Zufall, dass es bei uns die meisten Waschmaschinen, Staubsauger und Fußabstreifer pro Kopf gibt. „Pfui!“ und „bäh!“ sind, nach „Mama“ und „Papa“, die ersten Worte, die ein Kleinkind hört. Kein Wunder also, dass die Deutschen Klopapier hamstern.

Dabei spielte Klopapier bis weit ins 20. Jahrhundert in Deutschland keine Rolle. Wer hatte denn schon Klopapier, wenn es Zeitungspapier gab? Von fünflagig, extraflauschig und Popcornaroma gar nicht zu reden. Und früher, vor vielen tausend Jahren, als Papier noch gar nicht erfunden war, da nahmen die Menschen einfach Blätter. Deswegen heißt in Bayern die Pestwurz auch heute noch „Arschwurz“, weil deren Blätter so groß waren und sich deswegen vortrefflich als frühes Klopapier eigneten. Ganz oft mussten einfach Wasser und die linke Hand dafür herhalten. Das ist auch ein Grund, warum sich die Menschen bei uns mit der rechten und nicht mit der „unreinen“ linken Hand begrüßen.

Die Chinesen waren es, die das Papier erfunden haben; kurz danach auch das Klopapier. Das waren große quadratische Blätter, von denen man sich einfach kleine Streifen abgerissen hat. In Shanghai wurden davon im 14. Jahrhundert bereits 10 Millionen Packungen im Jahr hergestellt. Allein der kaiserliche Hof bestellte 730.000 Blatt. Das kaiserliche Klopapier war seidenweich und duftete verführerisch.

Von da bis zum Klopapier, das wir heute kennen, war es noch ein langer Weg. Erst nachdem im 19. Jahrhundert immer mehr Menschen in die Städte zogen, die Kanalsysteme ausgebaut werden mussten und die Wasserspülung sich allmählich durchsetzte, da brauchte man eine Art Papier, relativ weich und saugfähig, das nicht andauernd die engen Rohre zu verstopfen drohte. Die Stunde des Klopapiers war gekommen. 1890 hatten die Amerikaner als erste die Idee, dass es doch viel einfacher wäre, das Klopapier auf Rollen zu wickeln. Kurz darauf wurde dort auch das flauschige Tissue-Papier erfunden. Das konnte man in Deutschland allerdings erst 1958 bekommen. Vorher musste man sich mit rauem Krepp-Papier begnügen. 1972 folgte dann das zweilagige und 1984 das dreilagige Klopapier.

Obwohl das Klopapier wie wir es kennen eine recht junge Erfindung ist, ist es nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Beizeiten wird es sogar gehamstert. Und nicht erst seit Corona um sich greift. Bereits während der Ölkrise 1973 wurde weltweit ums Klopapier gestritten und die Regale waren leer. Dass sich die Menschen ums Klopapier balgen, das hat sich die Netzkultur auf witzige Weise zu eigen gemacht: Bei der „Toilet Paper Cello Challange“ filmen sich klassische Musiker dabei, wie sie den „Schwan“ von Saint-Saëns auf dem Cello oder Kontrabass nicht mit Fingern, sondern mit Klopapierrollen spielen.

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CG
Foto: Mark Michaelis
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