Der Fasching oder Karneval mit seinen fröhlichen Bräuchen stellt eine Ausnahmezeit dar. Faschingsumzüge, Prunksitzungen und Maskenbälle sind ausschließlich dieser sogenannten „Fünften Jahreszeit“ vorbehalten. Wer würde aber vermuten, dass hinter dem vordergründigen Unsinn viel Symbolik steckt?  Und wer käme gar auf die Idee, der Fasching wäre ein von der katholischen Kirche gefördertes Vergnügen?

Doch warum entpuppen sich ausgerechnet Zentren der katholischen Welt wie Venedig, Mainz, Köln, München oder Rio de Janeiro als Karnevalshochburgen? Tatsächlich sind die Motive der Fastnachtsbräuche in christlicher Zeit zu finden. Die Kirche hatte nämlich erkannt: Ausgelassenheit, Tanz, Spiel und Maskerade, Ess- und Trinklust vor dem gesetzten Verzicht der Buß- und Fastenzeit waren berechtigte Verlangen, die befriedigt werden mussten. Benennungen wie „Fasching“ oder „Karneval“ weisen darauf hin: Das mittelhochdeutsche „vastschanc“ bezeichnet den Ausschank vor der Fastenzeit, das lateinischen „Carne vale“ heißt „Fleisch, lebe wohl!“

Aber warum herrscht in Fasching und Karneval kurzzeitig Narretei? Dafür lieferte die „Zwei-Welten-Lehre“ des Hl. Augustinus die Vorlage: Er unterschied zwischen der irdisch-vergänglichen Welt mit ihren Lastern, für das einfache Volk symbolisch dargestellt als närrische Zeit, und einer überirdisch-ewigen, erreichbar durch Bußfertigkeit und Abstinenz.

Daraus erschließt sich auch die Schlüsselfigur des Faschings, der Narr: Dieser hat das verheißene Paradies aus dem Blick verloren. In seiner Torheit sitzt er dem Vergänglichen, einem vorübergehenden närrischen Reich, auf.
Ganz wesentlich zum Fasching gehört die Maskerade. Hierin scheinen alte Glaubensvorstellungen auf. Teufel und Hexen versinnbildlichen die Verführer der Welt. Neben Narrenkönigen, -prinzen und Hofstaat als Herrscher treten die Bürger dieser verkehrten Welt in Narrenkostümen auf. Ihre „Fehler“ offenbaren sich in farblich zweigeteilten Kostümen. „Sünder“ treten als Befleckte in Fleckengewändern auf. Maskiert als Schwarze, Indianer, Türken oder Chinesen begegnen uns im Fasching jene Ethnien, die in der christlichen Geschichte abfällig als Heiden bezeichnet wurden.

Die Zehn Gebote, die im Christentum den verbindlichen Wertemaßstab vorgeben, sind in der flüchtigen Narrenwelt außer Kraft gesetzt. Die Zahl Elf ist infolgedessen zur Zahl der Narren geworden, weshalb der Beginn der närrischen Zeit am 11.11. um 11.11 Uhr ausgerufen wird.

Jüngeren Ursprungs als die schwäbisch-alemannische Fastnacht und der baierisch-österreichische Fasching ist der rheinische Karneval. Er etablierte sich im 19. Jahrhundert als Spott auf die napoleonische und preußische Besatzung der rheinischen Gebiete. Dies erklärt die Gardeuniformen als Faschingskostüme, Marschmusik, Prinzengarde wie überhaupt alles pseudomilitärische Zeremoniell. Der Elferrat als Karnevalsparlament spielt auf den Jakobinerrat der Französischen Revolution an. Höhepunkte des rheinischen Karnevals stellen neben den Prunksitzungen die großen Faschingsumzüge dar. Diese beziehen ihre Vorbilder wiederum aus der Zeit der Gegenreformation. Denn bereits die Jesuiten erlaubten ihren Studenten am Faschingssonntag den Umzug mit Schlitten, auf denen die Schwächen der Welt kritisch dargestellt werden durften. Helau, wer hätte das gedacht!?

MS