Sind Heimatkrimis blöd? Sind sie wirklich, wie der Literaturkritiker Denis Scheck es einmal gesagt hat, „die Pest in der Literatur unserer Tage“? Vom Standpunkt des literarischen Kunstwerks aus betrachtet, vielleicht. Aber in Literatur, egal welcher, steckt auch immer ein gesellschaftlich-soziales Moment. Und das macht den Heimatkrimi zu einem überaus interessanten Phänomen.

Nehmen wir als Beispiel die Eberhofer-Krimis von Rita Falk. Der Protagonist Franz Eberhofer, Dorfpolizist mitten in Niederbayern, ist ein Durchschnittstyp, der den Finger schnell am Abzug seiner Pistole hat. Meistens schießt er nur in die Luft. Und der alles recht unkompliziert regelt: Wenn gerade das Klo besetzt ist, benutzt er einfach schnell das Waschbecken. Kurzum: Es ist ein ganz normaler Mensch, der über uns wacht und die Dinge einfach anpackt. Die Heimat, über die er wacht, ist ein „Früher-war-alles-besser-heile-Welt“-Heimatidyll, in dem das größte Problem darin besteht, nachts vom Wirtshaus nach Hause zu finden. Die Personen sind wandelnde Klischees: Die wahnsinnig neugierige Dorfratschn, die liebe, aber auch furchtbar nervige Oma. Wenn sie nicht gerade Rahmschwammerl mit Knödeln kocht, ist sie auf Schnäppchenjagd. Der brummige Vater, der etwas dämliche Metzger, der faule Bürgermeister … All diese Personen sind so überzogen dargestellt, dass es sie in Wirklichkeit gar nicht geben kann. Oder doch? Ein ganz kleines bisschen vielleicht? Ja, denn Klischees haben einen kleinen, aber unbedingten Bezug zur Wahrheit.

Man könnte natürlich jetzt sagen: „Da verkauft jemand die Niederbayern für blöd.“ Stimmt! Aber mit einem Augenzwinkern, was das Ganze doch wieder recht amüsant macht – und auf keinen Fall boshaft.

Was macht Heimatkrimis so erfolgreich? Viele Menschen würden liebend gern die Realität mit der Illusion eines niederbayerischen Heimatidylls tauschen. Sie sehnen sich nach Normalität, einfachen Verhältnissen, nach einfachen Lösungen, einfachen Erzählmustern, ein bisschen Spannung; aber davon bitte nicht zu viel! Und ein bisschen über sich selbst schmunzeln, das wollen sie auch. All das, vor allem die Sehnsucht nach Normalität, erfüllen Heimatkrimis oft. Man liest sie nicht, weil sie so spannend sind. Man liest sie, um – wie bei einer Daily Soap – zu sehen, wie es den Figuren, die einem ans Herz gewachsen sind, diesmal ergehen mag.

Und, obwohl Krimis vom Außergewöhnlichen, von Mord beispielsweise, handeln, der in die Normalität hereinbricht, ist das Happy End nie gefährdet. Das ist alles ein bisschen so wie bei Ludwig Ganghofer: „Der Jäger von Fall“ ist gewissermaßen auch eine Art Heimatkrimi: Die Sennerein Marei hat einen kleinen, unehelichen Sohn. Den Vater, der Wilderer ist, versteckt sie auf ihrer Alm. Aber eigentlich liebt sie den Jäger Friedl, der schon lange in sie verliebt ist, aber hinter dem Wilderer her ist. Ganghofers Personen sind richtige Menschen, keine Klischeefiguren. Und in ihnen – das ursprüngliche Zentrum der Handlung ist das Drama, das Marei innerlich zerreißt – und um sie herum entstehen Tragödien. Das ist bei Ganghofer glaubhaft, weil es richtige Menschen sind, die da reden, handeln und leben. Die Tragödie entsteht aus dem Alltag. Abgründe tun sich auf vor dem Hintergrund der scheinbar idyllischen Heimat.

Aber so viel Tragödie wie Ganghofer wollen viele Heimatkrimi-Autoren ihren Leserinnen und Lesern gar nicht zumuten. Ihre Krimis sollen unterhalten und amüsieren – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Weil ihre Personen wandelnde Klischees sind und die Geschichten, die sie erleben, oft simpel gestrickt, gibt es in vielen Heimatkrimis wenig Spannung, keinen Sog, der uns in die Geschichte zieht – denn wir wissen, wie es ausgehen wird. Die Leser aber lieben sie trotzdem.

CG