„Kramer“, das war sein Hausname – einer von vielen, wie wir sie in Altbayern kennen.

Häufig lassen sich solche Hausnamen auf Berufe zurückführen, die einst aus Traditionsgründen vom Vater auf den Sohn übergingen und auf diese Weise über Generationen hinweg bezeichnend für nachkommende Familienmitglieder blieben. Man könnte beinahe von einem Automatismus sprechen. Noch immer gibt es Dörfer, in denen der „Schmied Sepp“ oder die „Bäcker Fanni“, die „Wagner Mari“ oder der „Schneider Mich“ andere Familiennamen tragen, als Nichteingeweihte beim ersten Hören vermuten würden.

Jedenfalls betrieb der „Kramer“ neben seinem mageren landwirtschaftlichen Nebenerwerb in dritter Generation einen Kramerladen. Hier konnte sich das Dorf mit Waren versorgen, welche Landwirtschaft und ländliche Lebensmittelproduktion nicht hergaben. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg sprach man noch von „Kolonialwaren“-Läden. In den 1990er-Jahren hießen diese Kleinversorger in den Dorfzentren liebevoll „Tante Emma“-Läden. Sie waren zugleich Kommunikationsorte, bevor ihnen die Discounter auf der grünen Wiese den Garaus bereiteten.

Doch zurück zum „Kramer“. Sein richtiger Name war Obermeier, und weil er an Dreikönig zur Welt kam, taufte man ihn kurzerhand nach einem der Heiligen Könige auf den Namen „Balthasar“. Daraus erwuchs, wann und warum auch immer, der „Balthausa“ und schließlich der Spitzname „Haus“ oder „Hausl“ – Letzterer vielleicht weil er sich in späteren Jahren hausmeisterlich um das Schulhaus kümmerte. So war der Balthasar Obermeier in seinem Hallertauer Dorf an der Grenze zwischen Ober- und Niederbayern für alle der „Kramer Haus“.

Dieser „Kramer Haus“ zählte nicht zu den gewöhnlichen Menschen. Die einen sagten, er wäre ein Sonderling gewesen. Er soll sich auf Naturheilkunde verstanden, Heilkräuter gesammelt, Salben und Kräutertees hergestellt haben. Andere sahen in ihm gar einen Wahrsager, der das Wetter vorhersehen konnte und deshalb nicht selten nach den Aussichten befragt wurde. Gewiss ist, dass der „Kramer Haus“ ein naturverbundener Mensch und aufmerksamer Naturbeobachter war, der viel auf die überlieferten Wetterregeln hielt. Dieses Interesse muss nicht weiter verwundern. Bauern sind nun einmal vom Wetter abhängig. Der „Haus“ hat sich eben intensiver damit beschäftigt. Schließlich beschert der Wetterbericht noch nicht sehr lange verlässliche Prognosen. Man konnte sich ehedem also nur an überliefertes Wissen halten.

Das sahen nicht nur die einfachen Leute so. Dass die Gestirne das Wetter beeinflussen würden, war über Jahrhunderte hinweg höchst offizielle Ansicht von Kirchenvätern und Astrologen. Schon in der Antike kannte man Lostage, an denen sich das künftige Wetter vorhersagen lassen oder die Zeit günstig gewesen sein sollte, wetterabhängige Tätigkeiten wie etwa die Aussaat zu verrichten. Dieses alte Wissen pflegten erst die Araber. Jüdische Übersetzer überlieferten es dem christlichen Europa. Hier wandelte man die bestehenden Reime geneigt auf örtliche Verhältnisse um und bezog sie auf die Namenstage von Heiligen. Beispiele gibt es zu Hauf.

13. Dezember:

Kommt die Hl. Luzia, ist die Kälte auch schon da.

21. Dezember:

Wenn Sankt Thomas dunkel war, gibt’s ein schönes neues Jahr.

24. Dezember:

Wer sein Holz um Christmett fällt, dem sein Haus wohl zehnfach hält.

24.–26. Dezember:

Ist`s windig in den Weihnachtstagen, sollen viel Obst die Bäume tragen.

31. Dezember:

Wind in St. Silvesters Nacht hat nie Wein und Korn gebracht.

Sicher liefern solche Lostage keine allgemein-verlässlichen Prognosen – zumindest nicht für große Gebietseinheiten. Aber vielleicht konnten unsere Vorfahren durch langjährige, generationenübergreifende Beobachtung kleinräumiger klimatischer Verhältnisse eine gewisse Regelmäßigkeit ableiten. Manche mögen dies als Humbug, andere als puren Aberglauben erachten. Anhänger von Bauern- und Wetterregeln hingegen kontern augenzwinkernd: Seit sich die Bauern nicht mehr an die Zehn Gebote halten, hält sich Herrgott nicht mehr an die Wetterregeln.

Maximilian Seefelder