Eine fremde Sprache geht nicht jedem leicht über die Lippen. In gesungener Form sieht es da schon anders aus: So singen viele Menschen, die man nicht unbedingt als talentiert für Fremdsprachen bezeichnen würde, immer wieder ohne große Probleme „Happy Birthday to you“, und es kommt ihnen gar nicht spanisch vor, wenn sie alle Jahre erneut „Feliz Navidad“ anstimmen. Die Melodie scheint die fremden Worte mit Leichtigkeit zu tragen, diese verknüpfen sich ganz automatisch mit dem Melodiefluss.

So tragen Melodien auch mundartliche Begriffe und machen es Nicht-Dialektsprechern leicht, sich darin zu üben. Mit fast kindlicher Unbeschwertheit kann man sich beim Singen auf das Aussprechen von nicht ganz vertrauten dialektalen Ausdrücken einlassen und ausprobieren, wie es klingt, so etwas aus dem eigenen Mund zu hören. Ganz nebenbei erschließt sich regionale Sprach- und Kulturgeschichte, auch über den von vielen Nicht-Muttersprachlern praktizierten Trinkspruch „Oans, zwoa, gsuffa“ hinaus. Den kann man übrigens auch singen, im Lied „In München steht ein Hofbräuhaus“. Die Vermittlung von überlieferten Volksliedern bewahrt so auch dialekte Ausdrücke, die in Vergessenheit zu geraten drohen, etwa beim Themenfeld der Tierlieder: Der Ausdruck Heißerl für ein Fohlen im Kinderlied „Steht a Heißerl drausst im Stoi“ ist nicht mehr jedem geläufig, genau wie die Grejaln (im Liedtext „Und die Grejaln, dö singan ganz suiban am Fejd“) als dialektale Bezeichnung für Grillen. Im gesungenen Vierzeiler „Fideroi, Zithern schlogn, scheene Spuifedern trogn, in d‘ Kircha ei geh, und koan Rosnkranz hobm“ geht es um die sichelförmigen äußeren Schwanzfedern des Birkhahns. Diese Federn werden gern als prachtvoller Hutschmuck getragen und als Spielfedern bezeichnet – hätten Sie’s gewusst?

Auch die Kommunikation zwischen Mensch und Tier ist Inhalt mancher Lieder. Der an Schweine gerichtete Lockruf „Husstata“ erscheint im Zwiefachen Der Saulocker: „De Husstata, de Husstata, laufand ummanand überoi. Husstata, hod s‘ wieder neamd eiglockt in Stoi.“ Fuhrkommandos wiederum sind stimmliche Signale ans Pferd oder den Ochsen, um dem Zugtier Start, Stopp und Zugrichtung mitzuteilen. In einer Vertonung des Gedichts Wödaschwüln – eine Bezeichnung für die Schwüle unmittelbar vor Ausbruch eines Gewitters – von Emerenz Meier werden sie gesungen: „Hü, meine Öchsl, hü“ treibt die Tiere im Sinne von „Auf geht’s“ an. „Hott, meine Öchsl, hott“ weist sie an, rechtsherum zu gehen. „Aoh, meine Öchsl, aoh“ bremst sie ab und bringt sie zum Stehen.

Veronika Keglmaier
Lied: Materialien zur musikalischen Volkskultur in Niederbayern, Band 6