Unsere Welt ist voller Symbole. Über unsere sprachliche Artikulation hinaus verfügen wir über eine kulturell überlieferte Bildersprache in Form von Zeichen. Solche sind omnipräsent und sollten, ja müssen verstanden werden. Andersfalls würde in unserer Gesellschaft vieles nicht funktionieren. Offensichtlich wird dies im Straßenverkehr. Wer zum Beispiel ein Vorfahrt-achten-Schild nicht auf Anhieb als solches erkennt, bringt sich und andere in größte Gefahr. Deshalb muss die Bedeutung der vielen Verkehrszeichen erlernt werden – in der schulischen Verkehrserziehung oder spätestens beim Führerscheinunterricht.

Symbole zu ignorieren, ist zwar nicht immer mit Gefahren für Leib und Leben verbunden wie im Straßenverkehr. Aber die wichtigsten Chiffren deuten zu können, zählt zu den unerlässlichen Kompetenzen, um sich in der Welt der nonverbalen Kommunikation zurechtzufinden. Wer jemals im Ausland eine Apotheke oder einen Arzt aufsuchen musste, war sicher dankbar für das typische Symbol, mit dem sich der pharmazeutische bzw. ärztliche Stand ausweist: Es ist der von einer Schlange umwundene sogenannte Äskulapstab. Dass dieser bis in die griechische Mythologie zurückreicht, zeigt darüber hinaus die lange Tradition so mancher Symbole. Wenn sich hierzulande in zweitausend Jahren Christentum auch die christliche Symbolik tief in unser kulturelles Gedächtnis einprägte, mag dies kaum verwundern: Die meisten von uns wissen neben dem Kreuz beispielsweise auch die Kerze, den Christbaum, das geweihte Wasser oder das Osterei zu interpretieren. Viele der überlieferten christlichen Sinnbilder scheinen aber nicht allein in der kirchlichen Liturgie und im religiösen Ritus auf, sondern ebenso im Alltag. So zeigen sich die christlichen Tugenden Glaube, Hoffnung, Liebe in Form von Kreuz, Anker und Herz und werden als beliebte Schmuckstücke um den Hals, an Arm- und Fußgelenken oder als Tattoos sichtbar auf der Haut getragen. Was man sich gerne als Ring an Finger und Reif an Arme steckt, symbolisiert den Kreis, also die Linie ohne Anfang und Ende. Sie ist das Sinnbild für Unendlichkeit, Vollkommenheit und steht somit auch für Göttlichkeit – nicht nur im Christentum.

Auch Bräuche kommen nicht ohne Symbole und zeichenhafte Handlungen aus. Sie sollte man ebenfalls zu deuten wissen. So ist zum Beispiel der Wasserguss, dem sich die „Pfingstsinger“ oder „Wasservögel“ im Unteren Bayerischen Wald alljährlich zu Pfingsten bei der Ausübung ihres Heischebrauchs aussetzen, keinesfalls als Regenzauber zu interpretieren. Selbst wenn man dies häufig liest. Doch im Ernst: Welche Region im regenreichen Mitteleuropa hätte solchen Hokuspokus jemals notwendig gehabt? Vielmehr sollte man auf die überlieferten Gstanzln der Brauchausübenden hören. Sie singen u. a.: „Heut is de heilige Pfingstnacht, der Heilige Geist hat’s aufbracht …“ Hier deutet sich der christliche Hintergrund des Wasservogel-Brauchs an. Warum? Weil das Pfingstfest lange Zeit einer der großen Tauftermine war und der Wasserguss, den die „Pfingstsinger“ zum Gaudium aller Beteiligten empfangen, das „Ausgießen“ des Heiligen Geistes symbolisiert.

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Bild: Pfingstsinger im Unteren Bayerischen Wald (1930er Jahre / Archiv Prof. Reinhard Haller).
Moderne Pfingstsinger sind in den wasserfesten Schutzanzügen der Freiwilligen Feuerwehr unterwegs.