Das Wappen der niederbayerischen Gemeinde Niederwinkling zeigt einen Weinstock und zwei Steinbeile: die Beile verweisen auf die Gründung erster bäuerlicher Anwesen im fruchtbaren Gäuboden des Donautales zu Füßen des Bayerischen Waldes in der Jungsteinzeit. Die grünen Reben symbolisieren das günstige Klima, das später auch Kelten und Römer zu schätzen wussten und in der Region eine regelrechte Weinbautradition im Mittelalter auslösten.

Heute hat der Ort rund 2.850 Einwohner auf ca. 2.500 ha Fläche. Nach der Startphase von 1986-1993 wurde in der Gemeinde beginnend ab dem Jahr 1994 eine umfassende Dorferneuerung in Kombination mit einer Flurneuordnung unter der Federführung des Amtes für Ländliche Entwicklung Niederbayern und professioneller Begleitung durch ArchitektInnen und LandschaftsarchitektInnen durchgeführt.

Neben der Erneuerung eines 7 km langen Straßen- und Wegenetzes in der Flur mit vielen begleitenden Maßnahmen zum Wasserrückhalt in der Fläche gestalteten die DorfbewohnerInnen auch auf rund 3 km Länge Gehwege barrierefrei. Sie sorgten mit der Anlage von 14 Regenrückhaltebecken und einem Stauvolumen von rund 25.000 m³ Wasser zusätzlich gegen immer zahlreichere Starkregenereignisse vor. Das Hochwasser von 2013 war eine erste mit Erfolg bestandene Belastungsprobe.

Eine modern gestaltete Ortsmitte auf gut 1 ha Fläche mit allen notwendigen Einrichtungen der Daseinsvorsorge und Bürgerhaus mit zentraler Einkaufsmöglichkeit fehlt ebenso wenig wie die Chance für einheimische Senioren, in neu errichteten betreuten Wohnungen auf dem Gelände der ehemaligen Molkerei ihren Lebensabend zu verbringen. Für dieses Quartiersmanagement unter dem Motto „Zuhause daheim“ bekam die Gemeinde 2019 den Innovationspreis des Sozialministeriums. Und der verbliebene Backsteinturm der ehemaligen Molkerei ist heute eine zentrumsnahe Wohnstube für ein seit 2006 regelmäßig brütendes Storchenpaar, das durch die Ausweisung eines 1,4 ha großen Storchenbiotops an der nahen Donau eine dauerhafte Nahrungsgrundlage bekommen hat.

Über 700 Arbeitsplätze entstanden durch ein innovatives Gewerbe- und Industrieansiedlungs-Management mit zukunftsträchtigen Betrieben im Nordosten südlich der Autobahn. Bis heute wurden auf über 25 Jahre verteilt fast 5,5 Millionen investiert, davon 3 Millionen staatlich gefördert und rund 2,3 Millionen durch Eigenleistungen. Dies zeigt die Stärke ländlicher Gemeinden im Gegensatz zu Städten, wo ein solches Engagement eher unwahrscheinlich wäre. Deshalb baut die Dorferneuerung seit Jahrzehnten auch immer auf die aktive Einbeziehung aller Interessierten – angefangen vom ersten Einstiegsseminar über Fragebogenaktionen bis hin zu projektbezogenen Bürgerbeteiligungen.

So verwundert es nicht, dass sich das stolze Niederwinkling heuer nicht ohne Erfolgschancen für den europäischen Dorferneuerungspreis bewirbt. Und eines nicht so fernen Tages blüht vielleicht dank des Klimawandels auch wieder die mittelalterliche Weinbautradition auf…

Helmut Wartner
Foto: Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern