Da sind sie also seit dem Jahreswechsel wieder, die 20er Jahre! Der Begriff klingt uns vertraut im Ohr, man assoziiert die „Goldenen Zwanziger“ und „Roaring Twenties“, denkt an Ausgelassenheit und wilde, feierwütige Zeiten. Das kommende Jahrzehnt muss es also mit einem recht populären Begriff aufnehmen und sich mit einer Zeit messen lassen, die von Aufbruchsstimmung geprägt war: den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Neben dem Wirtschaftsaufschwung in Deutschland nach den kriegs- und krisengeschüttelten Vorjahren steht der Begriff auch für eine Blütezeit der deutschen Kunst und Kultur. Die „Goldenen Zwanziger“ endeten mit der Weltwirtschaftskrise 1929.

Heute verbinden wir mit dem Begriff neben einer modischen Bewegung überwiegend einen Musik- und Tanzstil, der von ausgeklügelten Arrangements und humorvollen Texten geprägt ist. Populär wurde etwa der Charleston, ein schneller amerikanischer Gesellschaftstanz auf der Grundlage von isolierten Bewegungen, etwa einem Rudern mit den Armen und X- bzw. O-Kombinationen der Beine. Josephine Baker machte ihn Mitte der 1920er Jahre in Europa bekannt. Nicht ganz so verbreitet war der Black Bottom, der als provokant und anstößig galt: Auf Jazzmusik im synkopierten Viervierteltakt wurde mit stampfenden Schritten getanzt und dabei das Becken vor- und zurückbewegt. Der Tanz scheint symbolhaft für eine Zeit der kulturellen Befreiung. Noch bekannter wurde die Swingmusik, eine Stilrichtung des Jazz, deren durchgängiger Offbeat sie pulsierend und gut tanzbar machte.

Die populäre Schlagermusik begeisterte in den 1920ern durch ihren feinen Humor und hat auch 100 Jahre später nichts an sprachlichem Witz eingebüßt. Zahlreiche Zitate aus der Feder bekannter Texter wie Bruno Balz, Robert Gilbert, Friedrich Hollaender oder Fritz Rotter klingen heute noch im Ohr. Das spricht für deren Qualität, trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer leichten Muse: Wohl ein jeder hat schon einmal „Mein kleiner grüner Kaktus steht draußen am Balkon“ oder „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt“ mitgesungen. Und wer kennt nicht „Veronika, der Lenz ist da“ oder „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?“, dargeboten von den Comedian Harmonists, der damals bekanntesten deutschen Gruppe.

Die Texte zeugen von Selbstbewusstsein und Witz: So erklärt in Max Hansens Lied „War’n Sie schon mal in mich verliebt?“ ein ertappter Verführer sein Handeln:

Einmal – ich vergess es nie – stand der Mann vorm Bett und schrie:

‚Na, da komm’ ich ja grad recht!‘ Ich rief: ‚Zu früh‘!

War’n Sie schon mal in mich verliebt? Das ist das Schönste, was es gibt!

Betrachten S‘ mich genau und dann schau’n Sie sich selbst im Spiegel an…

Ohne vergangenen Zeiten verklärt hinterher zu blicken, übertrifft die damalige Feinsinnigkeit viele heutige Texte. Dies erklärt vielleicht, weshalb in der Faschingszeit Kostümbälle unter dem Motto „Die Goldenen Zwanziger“ bei manchem Besucher mehr gefragt sind als Faschingspartys, bei denen Titel wie „Sternhagelvoll“, „10 nackte Frisösen“, „Joana, du geile Sau“, „Scheiss drauf“ oder „Hooray For Whiskey“ erklingen. Diese belegen aktuell übrigens die vorderen Plätze der beliebtesten Faschingshits …

Wir sind gespannt, in welche kulturelle Blütezeit uns das kommende Jahrzehnt führt.

VK

(Foto: Andreas Hasak)