Nach den kalten Wochen seit Jahresbeginn sehnen sich die Menschen jetzt nach wärmeren Zeiten und freuen sich auf den ersten Spargel. Während früher allein das unveränderliche Wetter dieses Saisongeschäft beeinflusst hat, setzen die heutigen Produzenten auf Nachhilfe: Unter der Autobahn A 92 Richtung Deggendorf wird in Plattling die Abwärme aus der Papierfabrik auf die gegenüber liegenden Spargelfelder geleitet. So beheizt liefern sie die frühesten bayrischen Spargelstangen und können mit der Frühware aus Griechenland konkurrieren. Die Landwirte arbeiten seit Jahren auch mit zweifarbigen Plastikfolien – um je nach Temperaturentwicklung die Erosion durch heftige Niederschläge zu vermeiden und die Reife zu beschleunigen (schwarze Seite nach oben) oder zu bremsen (weiße Seite nach oben). Die künstliche Haut, die hektarweise über den aufgehäufelten Bifängen verlegt wird, unterdrückt auch nicht erwünschten Wildkrautwuchs und spart teure Spritzmittel. Allerdings werden alle Folien im Zusammenwirken mit den scharfkantigen Sandkörnern sicher auch Mikroplastik erzeugen, das letztlich im Grundwasser landen kann. Es ist dabei ähnlich wie in der industriellen Milchwirtschaft: Der Ertrag ist kurzfristig höher, aber die einzelnen Spargelstöcke sind früher ausgelaugt. Ein paar wenige Puristen verzichten deshalb auf diese Anbaumethode, können mit längerer Lebensdauer der eingelegten Stangen, dafür aber mit weniger Ertrag rechnen und sind den Wetterlaunen wie in früheren Zeiten stärker ausgeliefert.

Die Wildform des Spargels ist in Eurasien und Afrika weit verbreitet. Durch Züchtungen gibt es inzwischen über 200 verschiedene Sorten, die teils als Zierstauden und vor allem als Gemüse weltweit angebaut werden. Als Heimat des Gemüsespargels (Asparagus officinalis) wird der Mittelmeerraum vermutet. Während die Wurzeln bis 1,5 m in den Boden vordringen, sind die weißen Spargelstangen aus den ca. 30 cm hoch aufgehäufelten trapezförmigen Erdwällen mit 22 – 25 cm erntereif und werden je nach Durchmesser in verschiedenen Preisklassen verkauft und vermarktet. Der sogenannte grüne Spargel wächst oberirdisch auf flachen Feldern und muss im Gegensatz zum weissen Bruder nur im unteren Drittel geschält werden.

Während sich früher meist Frauen aus Nachbardörfern als Saisonarbeitskräfte verdingten, und in deren Nachfolge türkische Gastarbeiter, sind es heutzutage Erntehelfer aus (Süd-)Osteuropa, die die schwere Arbeit Jahr für Jahr verrichten. Vollautomatische Erntemaschinen sind bereits erfunden – haben sich aber in der Praxis, weil es um individuelle Handarbeit geht, noch nicht durchsetzen können. Bayerische Landwirte produzieren mit rund 21.000 Tonnen rund ein Viertel des deutschen Spargels mit 300 Betrieben auf ca. 3.900 Hektar. Deutschlandweit ist der Spargel mit gut 22.300 Hektar das Gemüse mit der größten Anbaufläche. Weltweit ist die BRD aber ein kleiner Zwerg: Allein in China werden jährlich rund 7,5 Millionen Tonnen (= 88 %) von den rund 8,5 Millionen Tonnen geerntet! In Niederbayern hat sich die Erzeugergemeinschaft „Abensberger Spargel“ im Jahr 2016 sogar das Prädikat „Weltgenusserbe“ erobert und vermarktet es mit diversen weiteren Siegeln sehr erfolgreich. Auf ca. 330 Hektar gedeiht in Verbindung mit Erdbeeren und Beeren auf den sandigen humus-lehmigen Böden ein niederbayerisches Qualitätsprodukt, das dem Schrobenhausener Spargel aus Oberbayern sicher ebenbürtig ist. Der Anbau geht bis auf das Jahr 1730 zurück – deshalb bezeichnen sich die Abensberger als eines der „ältesten Anbaugebiete Europas“. In Schrobenhausen hat der aus Groß-Gerau in Rheinhessen stammende Geometer Christian Schadt Anfang des 20. Jahrhunderts mit einer Tasche voller Spargelsamen das begehrte Gemüse eingeführt, weil er dort die idealen geologischen Voraussetzungen vorfand. Er war auf seinem Oberhaidhof zwischen Schrobenhausen und Waidhofen der erste Spargelbauer, der großflächig die flachen mineralstoffreichen Sandböden bewirtschaftete und es dank bester Qualität bis zum königlichen Hoflieferant brachte.

Traditionsgemäß endet die Spargelsaison am 24. Juni, dem Johannitag. Oder wie der Volksmund sagt: „Kirschen rot, Spargel tot.“ In Zeiten des rasant fortschreitenden Klimawandels müssen wir aber eventuell neue Bauernregeln erfinden.

Helmut Wartner
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