Als am 26. April 1591 der zum Tode verurteilte, berühmte Quacksalber und Betrüger Bragadino gefesselt und in blau-weiß, den bayerischen Landesfarben, gekleidet, auf dem Münchner Weinmarkt das Schafott bestieg, hatte man zur Ausführung dieser Hinrichtung den Landshuter Scharfrichter bestellt. Bragadino hatte zuvor über Jahre hinweg in Landshut und München auf Kosten des bayerischen Herzogs Wilhelm V. fürstlichst gelebt. Der Herzog erhoffte dafür vergeblich von dem vermeintlichen Goldmacher Bragadino das wertvolle Edelmetall zu erhalten, damit die hohen Staatsschulden getilgt werden konnten. Als das Gold ausblieb und offensichtlich war, dass der Herzog einem Betrüger auf den Leim ging, wurde Bragadino zum Tode durch das Schwert verurteilt. Die öffentliche Hinrichtung, bei der eine große Menschenmenge zugegen war, mutierte zu einer unerträglichen Metzelei. Idealerweise sollte ein Scharfrichter den Delinquenten mit einem Schwertstreich in das Jenseits befördern, indem er den Kopf vom Körper trennte. Der Landshuter Scharfrichter verletzte Bragadino mit dem ersten Schwertstreich nur schwer. Er brauchte insgesamt drei Schwerthiebe, bis der Verurteilte endlich tot war. Die zuschauende Menschenmenge tobte wegen dieser Quälerei und es herrschte eine regelrechte Lynchstimmung. Nur die große Anzahl bewaffneter Soldaten konnte verhindern, dass der Scharfrichter selbst zum Opfer des wütenden Mobs wurde.

In Landshut gab es seit einer Verfügung von Kaiser Ludwig des Bayern vom 11.03.1345 einen Scharfrichter. Die Scharfrichterwohnung war über Jahrhunderte hinweg im Haus Untere Freyung Nr. 594. Der Scharfrichter hatte zur Aufgabe, Beschuldigte im Rahmen des Inquisitionsprozesses zu foltern und Verurteilte zu verstümmeln oder hinzurichten. Sein Beruf galt als unehrlich, aber er war auch ein gefragter Heiler, denn aufgrund seiner anatomischen Kenntnisse wusste er Gelenke wieder einzurichten und Knochenbrüche zu behandeln. Darüber hinaus galt er als ein weit gereister Mann, denn im Herzogtum Bayern Landshut existierten im Jahr 1474 nur in den Städten Burghausen, Ingolstadt und Landshut Scharfrichter, sodass diese zu Verhören und Hinrichtungen auf dem Land anreisen mussten. Die frühneuzeitliche Strafjustiz war grausam und brutal. Bei schweren Diebstählen wurden dem Verurteilten die Ohren abgeschnitten, bei Pferdediebstahl oder Straßenraub hängte man die Täter. Für Mörder galt das Rädern als die übliche Todesstrafe. Beim Rädern wurden dem Delinquenten zuerst die Glieder gebrochen und sie anschließend auf das Rad geflochten. Als „Gnade“ galt es, wenn der Verurteilte zum Tode durch das Schwert verurteilt wurde.

Im Zuge der Aufklärung kam es schließlich zu einer Humanisierung des Strafvollzugs. Freiheitsstrafen verdrängten allmählich die Verstümmelungsstrafen, sodass der letzte Landshuter Scharfrichter Anton Galler im Jahr 1805 sein Amt einstellte. Am 11.09.1808 verkaufte die Stadt Landshut den Galgen und die Hinrichtungsstätte zum Abbruch an einen Michael Holzner um 28 Gulden. Durch das Strafgesetzbuch Feuerbachs im Jahr 1813 verbot die königliche Regierung die Folter in Bayern. Während des gesamten 19. Jahrhunderts gab es nur wenige Hinrichtungen, die der Münchener Scharfrichter vollzog. Als letzter bayerischer Scharfrichter ging Johann Reichhart (1893-1972) in die Geschichte ein. Zwischen 1924 und 1947 vollstreckte er 3164 Todesurteile. Zu seinen Opfern gehörten u. a. Mitglieder der Widerstandsgruppe der „weißen Rose“ um Sophie Scholl.

Mario Tamme