Eine wandelbare Pflanze ist er, der schwarze Holunder, der zwischen einem und 15 m hoch wird. Zur Blütezeit bezaubert er mit einem fruchtigen Duft und großflächigen weißen Schirmrispen, die aus vielen Einzelblüten bestehen. Im Herbst fallen die traubenartig hängenden schwarzen Beeren ins Auge. Ein Hollerstrauch, wie der Holunder in Altbayern und Österreich genannt wird, durfte früher an keinem Haus fehlen und ist auch heute noch vielfach im Umfeld ländlichen Wohnens zu finden. In Neubaugebieten tut man sich allerdings schwer, auf die alte Pflanze zu stoßen. Dies liegt möglicherweise an ihren schwarzen Beeren, die – sofern man sie nicht aberntet – auf dem Pflaster schwer zu entfernende Flecken hinterlassen. Die Vorzüge des Strauchs sollten das jedoch wettmachen. Er gilt als vielfältige Heilpflanze! Holler wirkt gegen Magenverstimmung und Husten, Nierenentzündung und Ischias, gegen Erkältung und Blasenleiden sowie zur Stärkung von Herz und Kreislauf. Nicht umsonst wurde er auch mit dem Beinamen „Hausapotheke“ oder „Herrgottsapotheke“ versehen.

Über seinen Geschmack lässt sich allerdings streiten. Die herben Beeren, reich an Vitamin C und B6, sind im unreifen Zustand leicht giftig und sollten auch als reife Früchte vor dem Verzehr erhitzt werden. Vielen Menschen sind sie aus ihrer Kindheit als verhasster Erkältungssaft in Erinnerung. Da atmet man auf, wenn die Blüte es gar nicht erst bis zur Beere schafft, sondern schon vorher als süßes Hollerkiacherl auf dem Teller landet – in Teig getaucht, im Schmalz gebacken und mit Puderzucker bestreut. Zum Modegetränk hat es der Hollersirup gebracht, der ebenfalls aus den Blüten hergestellt wird. Einem Glas Sekt mit Minzblatt verleiht er durch einen kleinen Schuss die passende fruchtige Note für einen sogenannten „Hugo“, und eine Weinschorle wird durch den Schuss Hollersirup zum „Kaisergspritzten“ geadelt.

Auch in viele überlieferten Liedtexte und Vierzeiler hat die Pflanze Einzug gefunden – ein Beleg für die feste Verortung des Hollers im ländlichen Umfeld:

Hinta da Hollastaudn wachsn gelb‘ Ruabm.
Koan Witiwa (= Witwer) mog i net, liaba an schäin Buam.

Hinta da Hollastaudn sitznd zwoa Hasn.
Oana tuat Zithaspieln, da ander tuat blosn.

Hinter da Hollerstaudn sitzt der Kuku,
hat a weng füra gschaut, aha, bist es du.

Daneben wurden und werden die Hollerbeeren, die den violetten Farbstoff Sambucyanin enthalten, auch als Färbemittel verwendet: Früher für Haare, Leder und Rotwein, heute als wertgeschätzter natürlicher Farbstoff für Süßigkeiten und Molkereiprodukte sowie für die Textilindustrie.

Eine der vielen Wirkungsweisen des Hollers mutet dagegen durchaus skurril an: Man schreibt dem Hollerstrauch Schutz gegen Blitzeinschlag und böse Geister zu. Daher pflanzt man ihn nah am Haus. Er ziehe nämlich alle bösen Mächte und Wesen an sich und schütze dadurch die Hausbewohner. Auch der Aberglaube, eine Hollerstaude niemals fällen und das Holz nicht verbrennen zu dürfen, erklärt sich daraus: Denn dadurch würde das von der Staude gebundene Böse wieder freigesetzt. Wer’s glaubt!

Veronika Keglmaier