Nachdem der Hitler-Ludendorff-Putsch am 8./9. November 1923 im Kugelhagel der bayerischen Bereitschaftspolizei gescheitert war, hatte die Regierung die NSDAP als Partei verboten. Hitler saß in Landsberg am Lech in Untersuchungshaft. Seinen Prozess wegen Hochverrats nutzte er propagandistisch aus. Er hielt lange Monologe, die ihm noch mehr Sympathie bei seinen Anhängern einbrachte. Auch wenn die NSDAP als Partei verboten war: Ihr Gedankengut in den Köpfen der Bevölkerung konnte man nicht ausmerzen. Auch ohne Hitler ging die Hetze gegen den Staat und das parlamentarische System weiter. In Bayern hießen die Nazis nun „Völkischer Block“ und ihre zentrale Figur war Gregor Strasser (1892-1934), ein studierter Apotheker, der seit 1921 in der Landshuter Zweibrückenstraße eine Medizinaldrogerie betrieb.

Foto von Gregor Strasser. Gregor Strasser war einer der wichtigsten nationalsozialistischen Politiker in der Weimarer Republik. Ende des Jahres 1932 brach er mit Adolf Hitler und zog sich aus der Politik zurück. Am 30.06.1934 wurde er von SS-Schergen ermordet. (StadtA Landshut Fotosammlung Nr. 557).

Foto von Gregor Strasser. Gregor Strasser war einer der wichtigsten nationalsozialistischen Politiker in der Weimarer Republik. Ende des Jahres 1932 brach er mit Adolf Hitler und zog sich aus der Politik zurück. Am 30.06.1934 wurde er von SS-Schergen ermordet. (StadtA Landshut Fotosammlung Nr. 557).

Strasser politische Arbeit hatte in Landshut und ganz Niederbayern Erfolg: Schon Anfang März 1924 hatte die Ortsgruppe des Völkischen Blocks in Straubing über 700 Mitglieder unter der Leitung des Kaufmanns Hans Oberlindobler. Bei den Landtagswahlen am 6. April 1924 kandidierte Gregor Strasser für den Wahlkreis Niederbayern und die Stimmkreise Bogen-Kötzting, Straubing-Landau, Deggendorf, Pfarrkirchen, Dingolfing-Mallersdorf und Kehlheim-Mainburg-Rottenburg. Für die Stimmkreise Landshut-Vilsbiburg und Eggenfelden kandidierte Ludwig Graf von Seiboltstorff. Der oberste Leitsatz des Völkischen Blocks im Wahlkampf lautete „Die Grundeinstellung unserer Partei ist eine antiparlamentarische.“ Auch wenn die Nationalsozialistische Partei verboten war, war jedermann klar, dass der Völkische Block eine Ersatzorganisation war, die das Nazi-Gedankengut weitertrug. In Landshut war Strasser allgemein als der „Nazi-Strasser“ bekannt. Bei der Landtagswahl am 6. April 1924 ging zwar die Bayerische Volkspartei mit 32,9 % der Stimmen als Sieger hervor. Der Völkische Block erzielte allerdings bayernweit 17,1 % und die ebenfalls extrem nationalistische Deutsch-Nationale-Volkspartei 10,4 % der Wählerstimmen. In Landshut votierten sogar 35,40 % für den Völkischen Block, in Straubing wurde der Völkische Block mit 35,32 % der abgegebenen Wählerstimmen sogar stärkste Kraft, noch vor der Bayerischen Volkspartei.

Ein Wahlplakat des nationalsozialistischen Völkischen Blocks mit dem Hakenkreuz an einem Haus in der Landshuter Seligenthalerstraße im Jahr 1924.

Damit zogen die Nationalsozialisten mit ihrem Völkischen Block erstmals in den bayerischen Landtag ein. Gregor Strasser feierte diesen Wahlsieg mit seinen Spießgesellen im Landshuter Kollerbräu. Seine Siegesrede schloss er, umringt von jubelnden Anhängern, mit den Worten „Deutschland den Deutschen“. Mit Stimmen der Bayerischen Volkspartei wurde schließlich sogar ein Mitglied des Völkischen Blocks zum ersten Vizepräsident des Landtages gewählt, obwohl dieser Posten eigentlich einem Mitglied der zweitstärksten Fraktion des Landtages, der SPD zugestanden hätte. Gregor Strasser fungierte als Fraktionsführer des 23 Abgeordnete umfassenden Völkischen Blocks. Strassers Ziel war: Als Parlamentarier die Vorteile des Parlamentarismus ausnutzen und den Parlamentarismus und die Demokratie von innen heraus bekämpfen. Strasser ist stark republikfeindlich, antisemitisch und verschwörungstheoretisch angehaucht. Er will Juden die Bürgerrechte nehmen, sogenannte „Fremdrassige“ ausschließen, Ausländer abschieben, den Versailler-Vertrag bekämpfen und die Freilassung Hitlers und seiner Mitstreiter erwirken.

Als Fraktionsführer hielt Gregor Strasser, der als begnadeter Redner und Rhetoriker galt, am 9. Juli 1924 seine erste Rede im Landtag. Sie gilt als die allererste Rede eines Nationalsozialisten in einem bayerischen Landtag. In dieser Rede brachte er seine Ablehnung des parlamentarischen Systems zum Ausdruck. Strasser hetzte gegen den „Juden Rathenau“ und brachte seinen Theorien über eine jüdische Weltverschwörung zum Ausdruck.

Die Reichstagswahl vom 4. Mai 1924 endete ebenfalls wie die zuvor stattfindende Landtagswahl mit großen Stimmengewinnen der extremen Rechten. Die Nationalsozialistische Freiheitsbewegung, der Dachverband aller völkischen NSDAP-Ersatz-Parteien, hatte reichsweit 6,6 % Stimmen eingefahren. Die Deutschnationale Volkspartei sogar 19,5 %, womit sie knapp hinter der SPD zweitstärkste Kraft wurde. In Bayern erzielte der Völkische Block 16 % der Stimmen. Wieder waren Straubing und Landshut Hochburgen. In Landshut blieb zwar die Bayerische Volkspartei stärkste Kraft mit 42,14 % der Stimmen. Der Völkische Block wurde aber zweit stärkste Kraft mit 32,37 %. In Straubing gelang es dem Völkischen Block mit 28,52 % ebenfalls zweit stärkste Partei zu werden.

Nachdem sich der Reichstag im Oktober 1924 wieder aufgelöst hatte, wurden abermals Neuwahlen angesetzt. Diesmal am 7. Dezember 1924. Zu diesem Zeitpunkt stabilisierte sich die politische Lage der Republik wieder. Der Hintergrund war, dass sich infolge von nach Deutschland strömenden ausländischen Krediten die wirtschaftliche Lage entspannte und die Arbeitslosenquote zurückgegangen war. Die extremen Rechten hatten dadurch Zulauf verloren. Dies schlug sich dann in den Wahlergebnissen wieder. Reichsweit gelang es der SPD mit 26 % die stärkste politische Kraft zu werden. Die nationalistische Deutschnationale Volkspartei erreichte zwar 20,5 % Stimmen, die Nationalsozialistische Freiheitsbewegung stürzte jedoch total ab. Sie hatte jetzt nur noch 3,0 % Stimmenanteil erreicht. In Straubing erzielte der Völkische Block diesmal 11,52 % der Stimmen. In Landshut hatten sie noch 14,75 %. Diese Ergebnisse führten zur Ernüchterung unter den Nationalsozialisten. Allmählich spürte damals die Bevölkerung den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwung, der uns heute unter dem Schlagwort „Die Goldenen 20er- Jahre“ bekannt ist. Einige Jahre später scheiterte dann die Weimarer Republik, weil die demokratische Mehrheit der Wähler im Jahr 1932 undemokratische Parteien gewählt hatte. So wurde Hitler zum Reichskanzler und Deutschland zur Diktatur, die mit einem verlorenen Weltkrieg und dem Menschheitsverbrechen eines singulären Völkermords endete. Für den Wähler von heute gilt es aus den Wahlen der Weimarer Republik Lehren zu ziehen und keine Parteien zu wählen, die in ihrer Ausrichtung undemokratische Tendenzen befördern oder im Verdacht stehen, den Parlamentarismus auszuhöhlen oder ganz abschaffen zu wollen.

Mario Tamme