Seit 1994 feiert der Deutsche Brauer-Bund jährlich am 23. April den Tag des deutschen Bieres. Der historische Grund hierfür ist, dass die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. am 23. April 1516 verordneten, dass nur noch Wasser, Hopfen und Gerste zur Bierherstellung verwendet werden durfte. Diese Wahl der Zutaten ergab sich daraus, dass zum einen Weizen für das Brotbacken geeigneter war und gesichert werden sollte. Zum anderen war bekannt, dass Hopfen eine reinigende und konservierende Wirkung hat.

 

Durch das vorherige Aufkochen des Wassers konnte mit Hopfen und Gerste ein Getränk hergestellt werden, das gesundheitlich deutlich weniger bedenklich war als das in einigen Fällen qualitativ schlechte Trinkwasser. Die Verordnung der Herrscher schuf so faktisch das Reinheitsgebot. Auch wenn der Begriff erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts genutzt wird.

 

Mit dem Reichsgesetz von 1906 wurden die Regelungen des bayerischen Reinheitsgebotes für die Herstellung untergäriger Biere im gesamten Deutschen Reich übernommen. In der Weimarer Republik trat Bayern zwar 1919 dem norddeutschen Biersteuergebiet bei, erwirkte jedoch für sich, dass in bayerischem Gebiet weiterhin das Reinheitsgebot galt. Im Jahr 1924 folgte das Verbot für die Zugabe von Zucker oder Süßstoff beim Brauen, das bis heute für bayerische Brauereien gilt.

 

Die aktuell bindende deutsche Rechtsgrundlage zum Brauen von Bier ist im 1993 erlassenen, vorläufigen Biergesetz verschriftlicht. Es erlaubt unter § 9 beim Brauen „von besonderen Bieren“ von den Limitierungen des Reinheitsgebots abzuweichen, sofern die zuständigen Landesbehörden dies zulassen. Berliner Weiße (Milchsäurenachgärung) oder Leipziger Gose (Salz, Koriander) sind zwei prominente Beispiele hierfür. Solche Ausnahmen lehnen die bayerischen Behörden jedoch strikt ab.

 

Die uneinheitliche Rechtsprechung in Deutschland nehmen Kritiker des Reinheitsgebots zum Anlass, dessen Abschaffung zu fordern. Des Weiteren wird von ihnen damit argumentiert, dass das Reinheitsgebot bayerische Brauereien daran hindert, die seit wenigen Jahren boomenden Craft-Biere zu brauen. Dieser Vorwurf steht jedoch auf einem schwachen Fundament, da sich ein Großteil der Craft-Bier-Sorten wie ein fruchtig-hopfiges Indian Pale Ale oder ein würziges Stout im Rahmen des Reinheitsgebots brauen lassen und nur das Brauen mancher Sorten wie z. B. Lambic oder Witbier nicht möglich ist.

 

Ungeachtet hiervon kann man die Kritik am Reinheitsgebot als Anlass nehmen, die geltende Bier-Gesetzgebung in Deutschland zu hinterfragen. Eine neue Gesetzgebung könnte beispielsweise über ein Verbot des vielfach genutzten Kunststoffs Polyvinylpyrrolidon (PVPP), der unerwünschte Gerbstoffe bindet und dafür sorgt, dass das Bier lange klar bleibt, nachdenken. Der Einsatz dieses Stoffes muss bisher nicht auf dem Etikett vermerkt werden, da er vor der Abfüllung weitestgehend herausgefiltert wird. Mit der Vorstellung von Reinheit geht der intensive Kontakt von Bier und Kunststoff bei den meisten Verbrauchern aber vermutlich nicht einher. So gesehen sind ungefilterte Biere, die optisch aufgrund ihrer Trübung nicht direkt an Reinheit denken lassen, zumindest ein Garant dafür, ein nicht derart mit Kunststoff gefiltertes Bier zu bekommen.

 

LS