„Den hiesigen Bierbrauern gestattet seyn solle, auf ihren eigenen Märzenkellern in den Monaten Juni, Juli, August und September selbst gebrautes Merzenbier in Minuto zu verschleißen, und ihre Gäste dortselbst mit Bier und Brot zu bedienen. Das Abreichen von Speisen und anderen Getränken bleibt ihnen aber ausdrücklich verboten.“ So lautet der Originaltext der Verfügung von König Max I. vom 4. Januar 1812, die als die Geburtsstunde der Biergärten gilt. Obwohl es z.B. in Bamberg schon 1605 Bierkeller gab, in deren Schatten die Gäste eigene mitgebrachte Speisen verzehrten und die nicht ewig haltbaren untergärigen Biere tranken, die zwischen Ende September und April gebraut wurden. Verlängert wurde der Genuss durch tief in Hänge getriebene Lagerkeller, die die Brauereien durch Kies, schattenspendende großlaubige Kastanien und in extra angelegten Eisweihern gewonnene Eisblöcke herunterkühlten. So entstanden in den Münchner Isarterrassen der Schwanthaler Höhe und Haidhausens die noch heute berühmten Biergärten wie der Nockherberg.

Der angeblich größte Biergarten ist der Münchner Hirschgarten, gefolgt vom weitläufigen Gelände rund um den chinesischen Turm im englischen Garten. Die Brutstätten der Braukunst, die Klöster, schenken noch heute in Andechs oder in Weltenburg in den dazugehörigen Biergärten ihre berühmten Biersorten aus. Dank eines milden Herbstes konnten die Anhänger der bairischen Biergartenkultur noch schöne Stunden bei Speis und Trank im Freien abseits der wie alle Jahre maßlos überfüllten Wiesn in München verbringen. Doch gestiegen Preise, Personalmangel und der fortschreitende Rückzug ins Digitale setzen auch den Biergärten in Niederbayern schwer zu. Gab es um die Jahrhundertwende 1900 z.B. in der Stadt Landshut noch fast 100 Wirtshäuser und Cafés mit rund 50 Biergärten, sind davon heute nur gut zehn übrig – Tendenz leider sinkend, weil diese wertvollen Grünflächen oft vermeintlich lukerativeren Wohn- oder Gewerbebauten weichen müssen.

Doch gerade in Zeiten des verschärften Klimawandels sind sie als grüne Oasen mit Bruthöhlen im Altbaumbestand wertvolle Lebensräume für Mensch und Natur. Im Schatten der an Hitzetagen verdunstenden Laubdächer ist die Temperatur im Vergleich zur Umgebung deutlich kühler. Und der Schatten der Kastanien, Linden oder Ahorne ist viel angenehmer als der unter Sonnenschutzeinrichtungen aller Art. Diese Treffpunkte für alle Gesellschaftsschichten bieten Sitzgelegenheiten auf den typischen Biertisch-Garnituren, an denen regelmäßige Stammtische, Arbeitskolleginnen und -kollegen, Besucherinnen und Besucher, verliebte Pärchen oder einschichtige Stammgäste gerne Platz nehmen. Biergärten sind auch wichtige Ort für den politischen Austausch.

Und wie sieht es in und um Landshut aus? Auch hier gibt es die typisch bairische Tradition der Biergärten, in denen Obatzda, Wurtstsalat, Radieserl, Schnittlauchbrote und an besonderen Tagen Steckerlfisch und knusprige Hendl in die hungrigen Mägen wandern. Ein Glück, dass es im Landkreis z.B. noch die Biergärten in Leberskirchen beim Gasthaus „Zur Linde“, in Weihbüchl den „Rahbauer“, in Berndorf einen sehr beliebten Einkehrort unter alten Bäumen oder in Pfettrach den neu eröffneten „Kastanienhof“ gibt. In Landshut selber sind die „Schleuse“, der „Hofreiter“ oder der „Wintergarten“ beliebte Treffpunkte für Stammtische und Freunde bairischer Bier- und Biergarten-Esskultur.

Wer tiefer in die Thematik einsteigen will, dem sei das neu erschienene Buch „Lebensfreude unter alten Bäumen“ – Bäume und Biergärten in und um Landshut empfohlen: https://www.buero-wilhelm-verlag.de/buecher/literatursachbuch/lebensfreunde-unter-alten-baeumen/

 

Helmut Wartner
Zeichnung: Helmut Wartner