Wenn einer ein Hund ist, dann ist er gerissen. Wenn einer ein krummer Hund ist, dann ist er durchtrieben. Schwingt bei erstem auch eine gewisse Anerkennung mit, ist zweites eindeutig abwertend gemeint. Das Beispiel zeigt, wie bereits leichte Unterschiede die Bedeutung ändern oder gar verkehren können.

Besonders heikel wird es bei der Bezeichnung sozialer Gruppen, wie etwa bei ethnischen Minderheiten oder Menschen mit Beeinträchtigungen. Nicht nur wegen ihres zweifelhaften Nährwertes stehen daher das „Zigeunerschnitzel“ oder der „Mohr im Hemd“ schon seit geraumer Zeit auf dem Index, und allein die schützende Hand der „Tradition“ hat wohl bisher eine flächendeckende Umbenennung vereitelt. Wer möchte sich schließlich ein „MEM-Schnitzel“ bestellen (Abkürzung für „mobile ethnische Minderheit“)? Dann schon lieber einen „Wiener Schokohupf“!

Doch Spaß beiseite: Es ist eben gar nicht so einfach mit der (politisch) korrekten Sprache. Was gestern noch angemessen war, kann heute bereits als Beleidigung gelten oder ächtend wirken. In der Sprachwissenschaft spricht man hier von der Euphemismus-Tretmühle. Sie besagt, dass jeder neue (beschönigende) Begriff irgendwann die abwertende Bedeutung seines Vorgängers annimmt. So wurde etwa aus dem Krüppel erst ein Invalide, dann ein Behinderter, schließlich ein Mensch mit Beeinträchtigung oder mit besonderen Bedürfnissen.

Gerade der Umgang mit sozial benachteiligten Gruppen fordert immer aufs Neue dazu heraus, seine Worte sorgsam abzuwägen. Auch die Bezeichnung „Sonderschule“, die einst den historischen Begriff „Hilfsschule“ ablöste, ist längst überholt. Heute spricht man meist von „Förderschulen“. Dadurch will man der Brandmarkung der Schüler entgegentreten und zugleich das Bestreben der Einrichtungen deutlich machen, Beeinträchtigungen abzubauen oder zu kompensieren. Zusätzlich schwierig wird die Sache allerdings dadurch, dass es aufgrund der Bildungshoheit der Länder in Deutschland keine einheitlichen amtlichen Bezeichnungen gibt: So findet man etwa in Baden-Württemberg an gleicher Stelle „sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren“ vor.

Ein gutes Beispiel für den Wandel von Bezeichnungen ist im niederbayerischen Straubing angesiedelt, denn seit 2017 hat das dortige „Institut für Hörgeschädigte“ einen neuen Namen: Es heißt nun „Institut für Hören und Sprache“. Der nicht mehr zeitgemäße Begriff „Hörgeschädigte“ werde als stigmatisierend empfunden, daher spreche man heute von Kindern und Jugendlichen mit Hörbehinderung, so der Institutsleiter Fritz Geisperger. Mit dem neuen Namen werde zudem ausgedrückt, dass die Schule auch von Kindern mit Sprachproblemen besucht wird.

Dass es neben der Lautsprache auch andere Mitteilungsformen wie die Schrift- und die Gebärdensprache gibt, Gehörlose also daher keineswegs stumm sind, war schon Anlass für die erste Namensänderung im Jahr 1972. Gegründet wurde die Einrichtung nämlich ursprünglich 1835 als „Taubstummenanstalt“.

Heute erfüllt das Institut eine Fülle von Aufgaben: So gibt es neben der Vor-, Grund- und Mittelschule eine pädagogisch-audiologische Beratungsstelle, ein Studienseminar, mobile Dienste, das Cochlear-Implant-Centrum und Fachdienste für Psychologie, Sozialpädagogik und Logopädie. Da sowohl die technische als auch die pädagogische Entwicklung stetig voranschreitet, kommen zwangsläufig immer wieder neue Aufgaben hinzu bzw. verlagern oder verändern sich hinsichtlich Methodik und Zielsetzung. Das schlägt sich auch in den Begriffen nieder. Gut möglich also, dass das Namensschild, welches der niederbayerische Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich zum Jahreswechsel 2016/17 am Eingangstor der Schule anbrachte, nicht das letzte war.

Philipp Ortmeier