Wer heutzutage an bayerischen Wein denkt, der denkt vielleicht an den fränkischen Silvaner, der ursprünglich Mitte des 17. Jahrhundert aus der Steiermark nach Franken „emigriert“ ist. Zu dieser Zeit gab es auch in Altbaiern noch zahlreiche Weinberge, die kultiviert wurden. Die professionelle Bewirtschaftung der altbaierischen Weinberge wurde meist von Klöstern vorangetrieben – im historischen Niederbayern z. B. durch die Klöster in Niederaltaich, Windberg und Weltenburg. Wein wurde zu dieser Zeit nicht nur als Messwein benötigt, sondern auch von breiten Bevölkerungsschichten alltäglich genossen.

Auf Niederbayerns Vergangenheit als Weinbaugebiet weist noch heute die Verbreitung des Familiennamens Weinzierl hin – ein Synonym für „Winzer“. Auch der Ortsteil Kelheimwinzer und der Markt Winzer bei Deggendorf verweisen auf frühere Weinorte.

Ein historischer Grund, warum der Weinbau in Altbaiern im Laufe der Jahrhunderte weitestgehend eingestellt wurde, war der Dreißigjährige Krieg und die damit einherschreitenden Verwüstungen. Da neu gepflanzte Reben in der Regel erst nach drei Jahren ein gutes Ertragsniveau erreichen, waren viele Winzer zur Aufgabe gezwungen. In den folgenden Jahrhunderten haben schlechte Ernten, das immer beliebtere Bier und der importierte Wein aus klimatisch begünstigteren Ländern den Weinanbau zusätzlich schrumpfen lassen.

Gegenwärtig stellt der Klimawandel Winzer mit Spätfrösten, Dürre und Hagel vor große Probleme. Die rekordverdächtigen Temperaturanstiege innerhalb der letzten Jahre bedrohen den Weinanbau in heißen und trockenen Gebieten. In Deutschland, das zu den kühlsten Weinanbaugebiete im weltweiten Vergleich gehört, sind die Effekte auch deutlich auszumachen: Viele Winzer wechseln auf Sorten, die aus heißeren Ländern stammen, inzwischen aber auch hier gut gedeihen. Im Süden Englands hat ein großes französisches Champagnerhaus 2017 69 Hektar Land gekauft und mit Reben bepflanzt. Ein berühmter rheinhessischer Winzer hat im Süden Norwegens dasselbe gemacht.

In Teilen Niederbayerns, wie z. B. im Landkreis Straubing-Bogen, sind die klimatischen Gegebenheiten für professionellen Weinbau bereits jetzt gut genug. Und die Tendenz spricht dafür, dass auch in ehemaligen Weinbauzentren wie Landshut und Kelheim in naher Zukunft wieder Weinbau möglich sein wird.

Anstatt auf der Flucht vor dem Klimawandel in immer nördlichere Gefilde auszuweichen, ist es also ebenso gut möglich und vielleicht sogar sinnvoller, den Weinbau dort wiederzubeleben, wo er schon einmal heimisch war.

Wer sich schon jetzt von der Qualität des Baierweins überzeugen will, kann sich an die engagierten Kleinwinzer in der Oberpfalz, Ober- und Niederbayern wenden. Für sie alle setzt sich die 2018 gegründete Baierwein-Gesellschaft ein. Sie kümmert sich darum, die Weinzierln zu vernetzen, zu betreuen und fortzubilden und so die hiesige Weinkultur wiederzubeleben.

 

LS