Ende März wird ein niederbayerischer Schneidwarenladen sein Geschäft aufgeben. Der Inhaber und Messerschmied wird sich den Messern zukünftig nur noch nebenberuflich widmen können. Ausschlaggebend war nach eigenem Bekunden die Corona-Krise mit ihren Auswirkungen auf den Einzelhandel. Neben dieser aktuellen Krise, die den gesamten Einzelhandel betrifft, haben es Messerschmiede heutzutage aber vor allem aufgrund anderer gewachsener struktureller Faktoren schwer, sich zu halten.

Gravierend wirkt sich aus, dass die Messerfabrikation schon seit vielen Jahrzehnten hochgradig automatisiert ist. Durch Griffe aus Kunststoff-Spritzguss und Schleifroboter kann der Anteil an Handarbeit auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Das ist vor allem für die Firmen wichtig, die in Hochlohn-Ländern ansässig sind, da so der entscheidende Kostenfaktor gesenkt werden kann. Durch die jahrzehntelange Verfügbarkeit extrem günstiger Messer ist die Bereitschaft, mehr Geld für höhere Qualität und echtes Handwerk zu bezahlen, auf breiter gesellschaftlicher Ebene verloren gegangen. Entsprechend schwer haben es Messerschmiede, die notwendigen Preise für ihre Produkte zu erhalten. Gut beraten sind sie daher, durch Kurse oder andere Maßnahmen das Verständnis und Bewusstsein für ihre Handwerkskunst zu schulen. Das Internet und soziale Medien wie Instagram sind Segen und Fluch zugleich. Denn zum einen bieten sie die Möglichkeit, sich von lokaler Kundschaft ein Stück weit unabhängiger zu machen, zum anderen lassen sie die verbliebenen Messerschmiede aber auch mit Kollegen auf der ganzen Welt in direkte Konkurrenz treten.

Dass im Mittelalter und der frühen Neuzeit Messer und vor allem Blankwaffen in Niederbayern gefertigt wurden, die länderübergreifend hohes Ansehen genossen, ist heute kaum noch jemandem bewusst. Passau war das regionale Produktionszentrum, wo die in Anlehnung an das Stadtwappen als „Wolfsklingen“ bezeichneten und beworbenen Messer und Blankwaffen gefertigt und von dort aus exportiert wurden. Die Produktion teilten die sogenannten „Messerer“ und „Klinger“ unter sich auf. Wobei die „Messerer“, die alle einschneidigen Klingenwaffen sowie die Messer des täglichen und handwerklichen Gebrauchs fertigten, gegenüber den „Klingern“ den Vorzug genossen, als einzige das „Markenrecht“ der Wolfsklingen ausüben zu dürfen. Lange Zeit durften die „Klinger“ die von ihnen geschmiedeten und mit der Wolfsmarke gekennzeichneten Klingen nur an die „Messerer“ verkaufen. Erst später erhielten sie das Recht, selbst ungefaßte Klingen und in der Folge sogar mit einfachem Eisenknauf versehene Klingen verkaufen zu dürfen. An ihr damaliges Wirken in Passau erinnern noch heute die große und kleine Messer- und Klingergasse.

Dass sich Passau im Gegensatz zu Solingen nicht als Klingenstadt von Weltruf halten konnte, hat mehrere Gründe: Entscheidend war aber sicherlich, dass die Materialkosten andernorts geringer waren. Die oberösterreichische Eisenstadt Steyr saß z. B. gegenüber Passau direkt an der Quelle des benötigten Materials. In Zeiten, in denen die handwerklichen Arbeitskosten im Vergleich zu heute verhältnismäßig wenig ins Gewicht fielen, war das ein Vorteil, der in Hinblick auf Transportkosten, Zollgebühren und Kosten durch Zwischenhändler zu einem massiven Wettbewerbsnachteil führte.

Doch zurück zur Gegenwart. Die Situation für hiesige Messerschmiede ist wie gezeigt keine leichte. Doch gerade in der Spezialisierung der Messerprodukte und der Teilhabe und Einflussname der Kunden in Form von individualisierten Klingen, Griffen und dergleichen liegt ein großes Potential, das hoffentlich dazu beiträgt, dass es auch zukünftig noch Messerschmiede in Niederbayern gibt.

Laurenz Schulz
Foto: Laurenz Schulz