Das Rottaler Pferd ist uralt. Man sagt, seine Urahnen kommen weit her, aus Ungarn. Das kam so: Im Jahr 909 haben sich die Bayern mal wieder gegen die Ungarn zur Wehr setzen müssen. Die Ungarn waren damals ein gefürchtetes Reitervolk. Zu der Zeit soll die Rott auch ihren Namen bekommen haben. Nach der Schlacht an der Rott am 11. August 909 soll das Wasser des Flusses so rot gewesen sein, dass er von nun an „Rot“ genannt wurde. So sagt man. Auf alle Fälle haben bei dieser Gelegenheit die Bayern einige Pferde stibitzt. Schnell haben die Bauern gemerkt, dass diese Pferde sich nicht nur zum Reiten eignen, sondern auch ganz besonders ruhige, kräftige und ausdauernde Arbeitspferde sind.

Die Rottaler Bauern waren bald so begeistert von ihren Pferden, dass sie rasch überall als „roßnarrisch“ verschrien waren. Alle beneideten sie um ihre Pferde – und das zurecht: 1950, beim Landshuter Zugleistungswettbewerb hat eine Stute mit dem Namen Giska einen Wagen, beladen mit 210 Zentner, also ungefähr 10 Tonnen, 33 Meter weit gezogen.

Die Rottaler waren also mit Recht stolz auf ihre Pferde. Und das hat sich schnell herumgesprochen und Begehrlichkeiten geweckt. Bald wurde die Pferdezucht staatlich kontrolliert, schon seit 1558. Dabei hatten die Landesherren einen Hintergedanken: nämlich den Krieg. Der Bedarf an Militärpferden war groß. Und gab es eine Pferderasse, die sich dafür besser eignete als die Rottaler? In einem Bericht des bayerischen Oberstallmeisters aus dem Jahr 1768 heißt es:

„Im Landgerichte Griesham [heute Griesbach] wimmelt es von schönen und veredelten Pferden. Die Pferdezucht wurde durch die von München hergeschickten Beschäler und durch Prämien von 5-10 Dukaten für die schönsten Fohlen gefördert. Diese Pferde gehören mit zu den vorzüglichsten des Reiches.“

Die Züchter haben über die Jahrhunderte immer weiter am Rottaler Pferd gebastelt. Sie haben es immer kräftiger, stärker und ausdauernder gemacht. Auch deshalb hat das Rottaler Pferd so eine lange Geschichte: Die Züchtung konnte immer das erfüllen, was die Menschen von den Tieren verlangt haben; immer kräftiger, immer ausdauernder. Das ging lange Zeit gut.

Im 19. Jahrhundert gab es allmählich immer größere und schwerere landwirtschaftliche Maschinen und Kanonen, also haben die Züchter andere Rassen eingekreuzt: zum Beispiel die massigen Oldenburger Pferde. Ende des 19. Jahrhunderts musste das Rottaler Pferd dann noch schneller und noch ausdauernder werden; der Grund: das Automobil machte dem Kutschpferd Konkurrenz. Ab 1895 hat man dann sogar angefangen auf der ersten niederbayerischen Trabrennbahn in Pfarrkirchen, die heuer ihr 125-jähriges Jubiläum feiert, Rottaler Pferde ins Rennen zu schicken.

Bald darauf aber hat das Zeitalter der Maschine auch in Niederbayern begonnen: Autos statt Kutschen, Traktoren statt Pferde. Als reines Sportpferd kann der Rottaler nicht mithalten und so wäre die Geschichte des Rottaler Pferdes in den 60er Jahren fast vorbei gewesen. Wenn da nicht einige Züchter wären, die das Rottaler Pferd am Leben halten. Im Moment gibt es noch etwa 80 Tiere der einst so stolzen, in ganz Europa begehrten Rasse.

Heute erinnert das „Wimmer-Ross“ an die große Zeit des Rottaler Pferdes. Seit 1966 steht die Bronzeskulptur des Pfarrkirchner Bildhauers Hans Wimmer am Marktplatz in Pfarrkirchen, gleich vor dem Rathaus.

Christoph Goldstein
Foto: CC-BY-SA-4.0 und Xaver Schmidhuber