Als der Holocaustüberlebende William Wermuth im deutschen Konsulat in Boston/USA am 9. Mai 1969 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den SS-Unterscharführer Henschel wegen Tötungen von Häftlingen im KZ-Außenlager Landshut aussagte, erklärte er eidesstattlich:
„Im Januar 1945 war ich im Außenlager Landshut des Lagers Dachau. Henschel rief sich Häftling Walter Bär wegen eines geringfügigen Vergehens innerhalb des Lagers. Er ließ sich ein fingerdickes, etwa 50 cm langes Kabel bringen und schlug damit im Waschraum auf Bär sehr heftig ein. Bär war hinterher nicht mehr in der Lage, auf seinen Beinen zu stehen. Er kroch aus dem Waschraum heraus. Das Ganze kann 20 bis 25 Minuten gedauert haben. Bär war Häftling. Es war etwa 18:00 Uhr nach dem Appell. Wir blieben auf dem Appellplatz und warteten, bis Bär wieder herauskam. Wir schleppten ihn dann zur Baracke zurück. Er war in sehr schlechtem gesundheitlichem Zustand und blutete. Er war kaum mehr fähig zu sprechen. Als wir zwei bis drei Wochen später nach Dachau verlegt wurden – das war im Februar – war Bär in völlig verhungertem und verletztem Zustand. Dennoch trat er die letzten Wochen in Landshut beim Appell mit an, um nicht als krank aufzufallen. In Dachau lag er nur auf seiner Pritsche. Er hat vielleicht noch vier Wochen nach dem Vorfall gelebt. Er starb in meinen Armen. Er war zu diesem Zeitpunkt bei halbem Bewusstsein. Ich bin überzeugt, daß er an inneren Blutungen gestorben ist.“
Walter Bär, ein zwanzigjähriger Kölner Jude zählt nicht zu den 83 Toten des KZ-Außenlagers Landshut, da er nach seiner Überstellung in das Stammlager Dachau am 22. Februar 1945 dort verstarb. Bis zu seinem Tod erlebte Bär in den Außenlagern Kaufering III und Landshut ein furchtbares Martyrium. Im KZ-Außenlager Landshut wurden von Mitte Dezember 1944 bis zum 5./6. Februar 1945 500 jüdische Häftlinge aus allen von den Nazis besetzten Ländern Europas festgehalten. Die große Mehrzahl der Häftlinge wurden aus ihren Heimatländern in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort dann zum Arbeitseinsatz selektiert. Von Auschwitz kamen sie dann zur Zwangsarbeit in das Dachauer Außenlager Kaufering III. Mitte Dezember 1944 überstellte die SS von dort dann 500 Häftlinge nach Landshut in ein neu errichtetes KZ-Außenlager. In Landshut mussten die Häftlinge für die Organisation Todt ein Nachschublager für die Wehrmacht ausbauen. Das KZ-Außenlager Landshut brachte der Bevölkerung den Holocaust vor die Haustüre. Gemäß dem Konzept der „Vernichtung durch Arbeit“ wurde die Arbeitskraft der jüdischen Häftlinge ausgebeutet und dabei der Tod der Häftlinge bewusst in Kauf genommen.
In der kurzen Zeit seines Bestehens kamen 83 der 500 Häftlinge in Landshut ums Leben. Sie starben an Hunger, Kälte, Infektionskrankheiten oder wurden von den ca. 15 bis 20 SS-Männern, die als Wachmannschaft fungierten, erschlagen. Laut übereinstimmenden Augenzeugenberichten muss ein SS-Unterschar- und Rapportführer mit dem Familiennamen „Henschel“ ein besonders grausamer Sadist gewesen sein. Henschel machte den Häftlingen das Leben schwer: Er misshandelte sie. Einige erschlug er mit dem Gewehrkolben oder einem dicken Kabel. Zwar ermittelte gegen Henschel in den Jahren 1969 bis 1975 die Staatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren wurde jedoch eingestellt, da „Henschel“ nie ausfindig gemacht werden konnte. Wie er mit Vornamen hieß, woher er kam und was aus ihm wurde, ist bis heute unbekannt. Bekannt sind mittlerweile jedoch die 83 Namen der jüdischen Opfer. An der Stelle, an der seinerzeit die Leichen an der Mauer des damaligen Achdorfer Friedhofs verscharrt wurden, erinnern seit September 2016 vom Künstler Mario Schosser gestaltete Erinnerungstafeln an die Opfer.

Die vom Künstler Mario Schoßer gestalteten Gedenktafeln mit dem Namen der KZ-Opfer an der Mauer der Achdorfer Friedhofes. An dieser Stelle wurden seinerzeit die Opfer verscharrt. Im Jahr 1959 wurden die Toten exhumiert und auf den Friedhof der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg umgebettet.
Die Installation der Tafeln wurden von einem P-Seminar unter der Leitung von Heidi Fischer vom Hans-Leinberger-Gymnasium initiiert. Durch den Vergleich von Luftbildern und dem wenigen vom Lager erhaltenem Fotomaterial konnte der Kunsthistoriker Alexander Langkals ein genaues Modell im Maßstab von 1:100 erstellen. Das Modell wurde bei einem Vortrag über das KZ-Außenlager Landshut am 9. Februar 2025 im KOENIGMuseum erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
Mario Tamme
Literatur:
BA Ludwigsburg B 162/17661, Bl. 54.
Das KZ-Außenlager Landshut – zur Geschichte des Lagers: Es herrschten Gewalt, Hunger und Tod, in:Landshut 1939-1945. Ein Zeitspiegel in Bild und Wort, Landshut 2020, S. 256-285.
Alexander Langkals: Entwurf eines Erinnerungsmals für das ehemalige KZ-Außenlager in Landshut, Landshut 2021.