Was wäre ein prachtvoller Festzug in Bayern, zumal auf dem Oktoberfest, ohne geschmückte Prachtrösser und Kutschen? Eben. Wenige würden am Straßenrand stehen, wenn Traktoren die festlichen Brauereiwägen zur Münchner Wiesn ziehen würden. Deshalb braucht es Menschen wie Martin Pauli aus Katzenbach bei Böbrach im Landkreis Regen. Der 51-Jährige ist ein handwerklicher Tausendsassa: Schmiedemeister, Metallbaumeister, Wagenbauer, Kutscher, Pferdezüchter, Landwirt – er kann viel, macht aber kaum Aufhebens darum, wie es gemeinhin die Art der Waidler ist. Seine Aufträge sind dementsprechend vielseitig, in der Festesaison wird er aber vor allem für Umzüge mit seinen Rössern gebucht. Die Anfragen kommen sogar aus Österreich. Seit einigen Jahren ist er auch auf dem größten Volksfest der Welt im Einsatz. Am Oktoberfest zieht er für Hofbräu in München die Brauereikutsche durch die Straßen der bayerischen Hauptstadt. Und das nicht nur beim großen Festumzug am ersten Tag, sondern jeden Tag solange die Wiesn läuft.
Für jedes Gespann ein Zertifikat
Während die Vorschriften früher noch weniger streng waren, braucht man heute (bedingt durch manchen Unfall in der Vergangenheit) für jedes Gespann einen eignen Fahrkurs. Und weil diese nun Pflicht sind, sind die Kurse natürlich teurer als früher. „Zum Glück haben meine Frau Ramona und ich die meisten Kurse schon damals gemacht“, sagt Martin Pauli. Und so konnte er auch die hohen Auflagen beim Oktoberfest erfüllen, nachdem ein Kollege, für den er schon länger im Auftrag mitgefahren war, verstarb und Pauli selbst den Job übernahm. Untergebracht ist er während der 17 Tage Wiesn im Zirkus Krone, wo er morgens um 6 Uhr die Pferde putzt und schmückt und um 11 Uhr mit dem Brauereiwagen losfährt, um bis 16 Uhr auf dem Oktoberfestgelände präsent zu sein. Dort wird schnell klar, warum es einen Profi braucht – sowohl im Umgang mit Pferden, als auch mit Menschen. „Man kann es sich nicht vorstellen, wie es da zugeht. Ich wundere mich jedes Mal, wo die ganzen Leut‘ überall herkommen.“ Natürlich hat er auch einige Anekdoten parat.
Anekdoten von der Wiesn: „Es ist da Wahnsinn“
Manch ein Gast, der zu tief in den Maßkrug geschaut hat, möchte auf den Pferden reiten. Andere schieben den Kinderwagen samt Kinder unter die Pferde, damit die Kleinen die Tiere ganz hautnah streicheln können… „Es is da Wahnsinn“, fasst es Martin Pauli zusammen. Allerdings hat er vor Ort die nötige Befugnis, auch mal die Security zu rufen, wenn es zu weit geht. Seine Pferde indes müssen ihm aufs Wort gehorchen und er muss sich auf die Tiere hundertprozentig verlassen können. „Nicht jedes Tier ist dafür geeignet.“ Diese „Gaudi“ mit den Pferden zu üben und auch das ein oder andere Tier weiterzuverkaufen, wenn es für diesen Zweck von seinem Naturell her nicht gemacht ist – das ist während des ganzen Jahres eine zeitintensive Herausforderung. hinzukommen auch Sondertrainings wie etwa das Lanzenstechen mit den Pferden, die bei der Landshuter Hochzeit eingesetzt werden. Seine belgischen, polnischen und süddeutschen Kaltblüter, die er Wilma, Tini oder Sofie nennt, sind also ein Stück bayerisches Kulturgut, das es ohne Menschen wie Martin Pauli nicht geben würde.
Manuela Lang
Fotos: Manuela Lang, Nicole Wandinger, Martin Pauli