Im Jahr 2021 sollte eine Ausstellung im Nationalmuseum im Palast der Großfürsten von Vilnius die Beziehungen zwischen Litauen und Bayern thematisieren. Die Planungen waren weit fortgeschritten, doch Corona machte alle Ausstellungspläne zunichte. Dennoch wurde ein Ausstellungskatalog mit dem Titel „Litauen und Bayern. Dynastische Heiratspolitik und staatliche Beziehungen“ in Vilnius veröffentlicht. Dieser ist ein wichtiger Beitrag zur Erinnerung an eine wenig bekannte europäische Verbindung. Tatsächlich waren die Kontakte zwischen Bayern und dem Großfürstentum Litauen über die Jahrhunderte eher sporadisch. Politische Allianzen oder intensiver Handel existierten kaum. Doch es gab bedeutende dynastische und kulturelle Berührungspunkte und überraschende Parallelen im historischen Streben beider Länder nach Eigenständigkeit: Während Bayern über Jahrhunderte im Heiligen Römischen Reich seine Autonomie zu behaupten suchte, kämpfte Litauen um seine Unabhängigkeit gegenüber Polen und später gegen den imperialen Druck Moskaus.
Dynastische Verbindungen. Die Hochzeit von Landshut 1475
Dem Großfürstentum Litauen standen über Jahrhunderte hinweg die Jagiellonen vor. Diese stellten von 1386 bis 1572 zugleich die Könige von Polen. Als europäische Herrscherdynastie verehelichten sich Angehörige der Jagiellonen mit anderen europäischen Adelshäusern. Die älteste Tochter des polnischen Königs Kasimirs IV (1427–1492), Hedwig Jagiellonica (1457–1502), vermählte sich im Jahr 1475 mit Herzog Georg dem Reichen (1455–1503) von Bayern Landshut. Diese Hochzeit war eines der glanzvollsten Feste des Spätmittelalters. Hedwig zog seinerzeit mit rund 1.200 Reitern von Polen nach Landshut. Bei der Hochzeit spielte der litauische Adel eine wichtige Rolle. Albert Moniwid der Ältere, ein Vertreter der litauischen Adelsfamilie der Moniwid (Manvydas) begleitete mit mehreren polnischen Adelsfamilien die Prinzessin nach Bayern. Sein persönliches Gefolge bestand aus 50 Personen. Leider überliefern die Quellen keine Namen, es wird aber berichtet, dass allein vier Personen nach türkischer Art gekleidet waren. Professor Rimvydas Petrauskas von der Universität Vilnius vermutet, dass es eigentlich „tartarischer“ Art heißen müsse. Bei den Feierlichkeiten und dem Ritterturnier trat Albert Moniwid gegen Herzog Christoph den Starken an. Er unterlag und machte dafür Herzog Christoph den Turnierpreis und ein kostbares Pferd zum Geschenk. Das Großfürstentum Litauen, aus dem Moniwid stammte, umfasste ein Gebiet, das sich über das Territorium der heutigen Staaten Litauen und Belarus und den größten Teil der Ukraine bis hin zum Schwarzen Meer erstreckte. Gegen das expandierende Großfürstentum Moskau musste sich Litauen häufig militärisch behaupten. 1514 gelang Hedwigs Bruder Sigismund (1467–1548) ein bedeutender Sieg bei Orscha gegen das moskowitische Heer. Ein Ereignis, das in der russischen Geschichtsschreibung bis heute kaum Erwähnung findet.
Kulturelle und akademische Beziehungen
Neben den dynastischen Beziehungen sind aber ab Ende des 15. Jahrhunderts auch Arbeitsaufenthalte von Handwerkern aus Augsburg und Nürnberg in Vilnius nachweisen. Ab dem 16. Jahrhundert immatrikulierten sich zudem litauische Adelige an der Universität Ingolstadt. Ingolstädter Juristen wie Simon Dilger und Johann Georg Schauer lehrten im 17. Jahrhundert an der juristischen Fakultät der Universität Vilnius. Später vermählte sich der bayerische Kurfürst Max Emanuel (1662–1726) mit Therese Kunigunde Sobieska (1676–1730), der Tochter des Königs von Polen und Großfürsten von Litauen Johann Sobieski (reg. 1674–1696). Therese Kunigunde hinterließ einen unauslöschlichen Fußabdruck in der Geschichte Bayern.
Erinnerung und Symbolik in der Gegenwart
Im Jahr 1903 wiederbelebten die Landshuter das Hochzeitsfest von 1475 und spielten es erstmals nach. Als historisches Dokumentarspiel wird die Landshuter Hochzeit alle vier Jahre mit großem Aufwand und Liebe zum Detail vom Verein „Die Förderer“ aufgeführt. Dieses Jahr fand zwar keine „Landshuter Hochzeit“ statt, da die nächste Aufführung erst 2027 veranstaltet wird, doch die Förderer feierten diesen Sommer das Burgfest. Im Rahmen dessen wurde dem Publikum erstmals die nach historischen Vorbildern gefertigte neue Königsstandarte der polnischen Gesandtschaft präsentiert. Damit soll das Königreich Polen-Litauen bei der Landshuter Hochzeit für die Öffentlichkeit sichtbarer gemacht werden. Dies geschieht zu einer Zeit, in der Litauen erneut seine Unabhängigkeit und Identität selbstbewusst verteidigt. Angesichts der aktuellen geopolitischen Lage, besondere durch den Krieg in der Ukraine und durch die Bedrohung Russlands an der NATO Ostflanke bekommt die Erinnerung an das historische Ringen Litauens gegen moskowitische Vorherrschaft eine neue Dringlichkeit und Relevanz.

„Die vom Kunstlehrer Tobias Weger Behl und vom Historiker Benedikt Schramm nach historischen Vorbildern angefertigte Königsstandarte. Die Standarte ist viergeteilt: Sie zeigt oben links und unten rechts den polnischen Adler auf rotem Grund, das Wappentier des Königreichs Polen. Gegenüber ist der sogenannte Vytis, ein Ritter im Harnisch auf einem silbernen Pferd. Der Ritter repräsentiert das Großfürstentum Litauen.“ © Die Förderer e.V.
Mario Tamme
