Eines Tages, um die Mitte des 19. Jahrhunderts, stach den böhmischen Schriftsteller Josef Meßner offensichtlich der Hafer: Im „Neuen Wiener Volkskalender“ machte er sich über den Außergefilder Bilderfabrikanten Johann Verderber lustig. Er sei ein „Verderber des guten Geschmacks“. Mit dem etwas platten Wortspiel erregte Meßner zwar Aufsehen, aber er lag mit seiner Einschätzung gründlich daneben. Die Außergefilder Hinterglasbilder waren damals beim breiten Volk äußerst beliebt, sie verkauften sich prächtig. Allerdings wurden die schlichten, aber gerade deshalb so eindringlichen Hinterglasbilder auch von hochrangigen Künstlern sehr geschätzt. Man denke nur an die Maler des „Blauen Reiter“, die sich in ihrer Neuausrichtung der Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Hinterglasbildern aus Böhmen maßgeblich inspirieren ließen. Der Außergefilder Hinterglasbildmalerei wurde nun durch ein Museum in Kvilda ein würdiges Denkmal gesetzt.

Wie kam die Hinterglasmalerei nach Außergefild? – Ein „Steuersparmodell“ Raimundsreuter Maler

Der entscheidende Impuls für die Entstehung der Hinterglasmalerei in Außergefild ging von dem im Fürstbistum Passau gelegenen Bayerwald-Dorf Raimundsreut aus. Hier etablierte sich etwa seit der Mitte der 1770er Jahre die Hinterglasmalerei. Vor allem die berühmte Kreuzberger St.Anna-Wallfahrt hatte die Nachfrage nach Devotionalien enorm ansteigen lassen. Mit den farbigen Hinterglasbildern aus dem in Sichtweite zum Kreuzberg gelegenen Dorf Raimundsreut konnte man diese Nachfrage bedienen. Die Malerfamilien Hilgart aus Kreuzberg bzw. Vierhäuser und Peterhansl in Raimundsreut begründeten das klassische Raimundsreuter Hinterglasbild. Sie entwickelten daraus ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Als Berufsmaler hatten sie kaufmännisch zu denken. Da gab es dann u.a. folgende Fragen zu klären: Wie gelangt man an den teuren Rohstoff Glas? Welche neuen Absatzmärkte kann man erschließen? Und ja, wie kann man Steuern und Abgaben sparen?

Die Lösung dieser Fragen fanden die Raimundsreuter Maler Johann und Bernhard Peterhansl sowie der Kreuzberger Maler Kaspar Hilgart in Außergefild jenseits der Grenze zu Böhmen, nur wenige Kilometer von Finsterau entfernt. Schon seit etwa 1780 hatte man über den „Goldenen Steig“ Hinterglasbilder nach Außergefild gehandelt. Und nun begründeten die drei Maler dort gegen Ende der 1780er Jahre eine inoffizielle „Außenstelle“ der Raimundsreuter Hinterglasmalerei. Das Glas bezogen sie sehr preisgünstig aus den nahegelegenen böhmischen Glashütten, zudem ersparte man sich die Ausfuhrzölle und auch die Gewerbesteuer. Das Geschäftsmodell florierte. Innerhalb von 10 Jahren produzierten die drei Maler in Außergefild Bilder für ca. 10 000 Gulden. Eine beträchtliche Summe, für die man z.B. drei stattliche Anwesen hätte erwerben können. Im Jahr 1798 aber schöpfte der böhmische Fiskus Verdacht: Man witterte, nicht ganz zu Unrecht, Steuerhinterziehung. Die Prager Behörden setzten die Raimundsreuter Maler unter Druck, sie sollten sich dauerhaft in Außergefild niederlassen, ansonsten bekämen sie Gewerbeverbot. Zähneknirschend zogen nun die Gebrüder Peterhansl und Kaspar Hilgart nach Außergefild um. Damit entwickelte sich Außergefild zur Geburtsstätte der böhmischen Hinterglasmalerei – mit Malern aus Raimundsreut und Kreuzberg als „Geburtshelfer“.

Die Malerfamilie Verderber

Den Vertrieb der Hinterglasbilder übernahmen Kraxenträger, die als Hausierer die zerbrechlichen Bilder mit ihren Rückengestellen oft über weite Strecken zu den Empfängern trugen. Viele dieser Hausierer stammten aus Krain im heutigen Slowenien. Diese „Krainer“ nannte man im Volksmund „Kraner“. Mit den Raimundsreuter Malern kam auch der in Krain geborene „Kraner“ Michael Verderber nach Außergefild, wo er 1792 heiratete und ansässig wurde. Der eigenartige Name könnte auf den damaligen Ort „Verderb“ in Krain zurückgehen. Michael Verderber betätigte sich dabei nicht nur als Hausierer, sondern auch als Hinterglasmaler.

Vermutlich verwaltete Michael Verderber die Außergefilder „Außenstelle“ der Raimundsreuter Maler in deren zeitweiliger Abwesenheit. Als die Gebrüder Peterhansl und Kaspar Hilgart schließlich wieder dauerhaft in ihre alte Heimat zurückkehrten, führte Michael Verderber die Glasmalerei   in Außergefild weiter. Er leitete nun eine eigenständige Entwicklung der Außergefilder Bilder ein. Um 1818 übernahm Johann Verderber (1793-1870), der Sohn von Michael Verderber, die Werkstatt. Er baute einen straff organisierten, wirtschaftlich sehr erfolgreichen Betrieb zur Produktion von Hinterglasbildern auf. Dazu gehörte auch noch eine Gastwirtschaft mit ausgezeichneter Küche. Die Bilder wurden in Arbeitsteilung hergestellt. Johann Verderber beschäftigte etwa 10 – 15 Personen als Malergesellen, Risszeichner, Farbenreiber, Rahmenmacher usw. Mit dieser rationellen Produktionsweise entstanden in den 1840er Jahren in Außergefild jährlich bis zu 40 000 Bilder. Der tüchtige Geschäftsmann Johann Verderber brachte es durch die Produktion und den Vertrieb der Bilder zu beträchtlichem Wohlstand.

Einige Jahre vor dem Tod seines Vaters Johann Verderber im Jahr 1870 übernahm Franz Verderber die Werkstatt. Auch unter seiner Führung florierte das Geschäft. Es ist erstaunlich, dass sich die Außergefilder Hinterglasmalerei sogar lange Zeit gegen die Konkurrenz des billigeren Öldrucks behaupten konnte. Das war der Raimundsreuter Hinterglasmalerei nicht gelungen. Das Ende der Außergefilder Hinterglasmalerei wurde dann jedoch im Jahr 1881 abrupt besiegelt: Ein Brand zerstörte das gesamte Verderber-Anwesen samt Werkstatt, Inventar und Rissvorlagen. Zwar errichtete Franz Verderber ein neues Haus, doch die Schuldenlast war zu groß. Im Jahr 1886 wurde das neue Anwesen versteigert. Damit fand die Außergefilder Hinterglasmalerei ihr endgültiges Ende.

Die Außergefildener Bilder – Entwicklung eigenständiger Stilelemente

Anfänglich ähnelten sich die Bilder aus Raimundsreut und Außergefild verständlicherweise sehr stark. Aber allmählich entwickelten die Außergefilder Bilder ihren eigenen Stil: Rot- und Brauntöne im Gesicht, spezielle Blautöne, typische Gesichtsformen und eigenständige Dekorelemente, z.B. in Sternchenform. An Bildarten gab es ursprünglich Goldschliffbilder, Spiegelbilder und Farbbilder. Später dominierten dann die Kartuschbilder, häufig mit Sockelzonen mit kräftiger Schrift.

Das neue Museum in Außergefild 

An prominenter Stelle im Ort Kvilda, direkt neben der Kirche, entstand das neue Museum für die Außergefilder Hinterglasmalerei. Parallel dazu wurde auf bayerischer Seite das „Hinterglaseum“ in Schönbrunn am Lusen errichtet. Beides sind „Spiegelprojekte“ Rahmen eines Interreg-Programms. Das Grenzüberschreitende zeigt sich auch darin, dass Marina Reitmaier-Ranzinger, die frühere Kulturmanagerin des Landkreises Freyung-Grafenau, einen wertvollen Beitrag leistete im Hinblick auf die Begründung des Außergefilder Museums. Zudem verbindet, ebenfalls grenzüberschreitend, ein Wander- bzw. Radweg über Finsterau und Buchwald die beiden Museen.

Im Außergefilder Museum werden die originalen Hinterglasbilder in edel anmutenden, raffiniert beleuchteten Vitrinen präsentiert, Schautafeln informieren zweisprachig über die Geschichte der Außergefilder Hinterglasmalerei. Ein Videofilm schildert sehr anschaulich, wie ein Hinterglasbild entsteht. Die mit üppig bemalten „Leinwandtapeten“ versehenen Wände der Museumsräume leuchten farbenfroh, sie zeigen im Großformat typisch Bildmotive der Außergefilder Malerei. Im Untergeschoss des Museums gibt es einen großzügigen Werkraum, in dem Gäste gegen einen kleinen Unkostenbeitrag selber Hinterglasbilder malen dürfen. Hierfür ist eine Anmeldung erforderlich. Dieses Angebot wird, so der Bürgermeister von Kvilda Radek Thér, sehr gut angenommen. Im gleichen Gebäude befindet sich zusätzlich auch noch ein Heimatmuseum.

Eine feuchtfröhliche Pointe – „Verbrüderung“ des Johann Verderber mit seinem Kritiker

Die oben erwähnte höhnische Kritik des Schriftstellers Josef Meßner hatte Johann Verderber schwer erzürnt. Er schwor bittere Rache, wenn es der Schriftsteller wage, nach Außergefild zu kommen. Persönlich kannte er Meßner nicht. Als dieser von dem angedrohten Rachefeldzug erfuhr, reiste er nach Außergefild und quartierte sich inkognito im Gasthaus des Johann Verderber ein. Im Schankzimmer traf er auf eine gutgelaunte Gesellschaft. Der Wirt Johann Verderber führte das große Wort. Im Laufe des sehr feuchtfröhlichen Abends kam es dann zur Verbrüderung des Wirts mit dem sich sehr leutselig gebenden Fremden, einschließlich Bruderkuss. Als Meßner sich schließlich „outete“, nahm der verblüffte Wirt von seinen Rachegelüsten Abstand. Ein Happy End in Außergefild!

Kontakt: E-Mailadresse: muzeum.kvilda@sumavanet.cz
Homepage: www.muzeumkvilda.cz

Literatur:
Reitmaier-Ranzinger, Marina, Die Hinterglasmalerei in Außergefild (unveröffentlichtes Typoskript, o.J.).
Schuster Raimund, Das Raimundsreuter Hinterglasbild, Morsak Verlag, Grafenau, 1980.
Stiess, Friedrich, Die ersten Glasbilder in Böhmen (Titel der deutschen Übersetzung). In: Cesky lid, 42. Jg., Prag 1955, Nr. 3, S. 129-130.

Gerhard Ruhland