Ende April 1945 war endgültig klar: Der Krieg war verloren. Wehrmacht und SS mussten aus Regensburg fliehen, die Stadt wurde kampflos übergeben. Die Amerikaner überquerten die Donau.

Trotzdem gab es einige verblendete Nationalsozialisten der SS und der Wehrmacht, die bis zum Letzten weiterkämpfen wollten. München, wo mit dem Hitlerputsch alles begonnen hatte, sollte um jeden Preis gehalten werden.

Laut Hitlers „Nerobefehl“ musste alles zerstört werden, was dem Feind irgendwie nützlich sein könnte: Brücken, Straßen, Industrieanlagen etc. Damit wandte er sich nicht nur gegen die feindlichen Armeen, sondern vor allem gegen das eigene Volk. Aber bis auf die treuesten Nationalsozialisten wollten wenige die Heimat in einem Inferno untergehen lassen. Es regte sich Widerstand. In den letzten Kriegsjahren, und auch schon davor, hatten sich in ganz Bayern vereinzelt Widerstandsgrüppchen gebildet, die teilweise untereinander vernetzt waren und mit dem US-Geheimdienst in Verbindung standen.

Die Gruppe der „Freiheitsaktion Bayern“ besetzte in der Nacht vom 27. auf den 28. April das Münchner Rathaus und mehrere Radiostationen mit überregionaler Reichweite rund um München. Der Geheimdienst hatte ihnen mitgeteilt, die Front sei nun nah genug und die Zeit reif für einen Aufstand.

Achtung, Achtung! Sie hören den Sender der Freiheitsaktion Bayern. Das Stichwort ‚Fasanenjagd‘ ist durchgegeben. Beseitigt die Funktionäre der Nationalsozialistischen Partei. Die FAB hat heute Nacht die Regierungsgewalt erstritten.“

Mit diesen Worten wandte sich die Gruppe, am 28. April frühmorgens an die Bevölkerung. Als Fasane bezeichnete man spöttisch NS-Funktionäre mit ihren, goldbetressten und mit Orden besetzten, braunen Parteiuniformen. Ein kleiner Teil der Rundfunkansprache ist erhalten, mitgeschnitten durch die BBC, die sämtliche feindliche Radioübertragungen abhörte und einige mitschnitt: https://www.br.de/import/audiovideo/sendung-freiheitsaktion-bayern-100.html

Das Ziel der FAB war es, die Machthaber abzusetzen, sinnloses Blutvergießen zu vermeiden und möglichst viele der bayerischen Städte kampflos zu übergeben. Über 1000 Menschen folgten dem Aufruf und besetzten Rathäuser und Landratsämter.

Aber bereits gegen Mittag verstummten die Durchsagen der FAB. SS und Wehrmacht schlugen zurück und verfolgten die Aufständischen. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen. Fast überall, wo die Menschen sich gegen die Machthaber auflehnten, wurden Menschen hingerichtet; insgesamt 57.

Der Aufstand scheiterte daran, dass die Gruppen zu schlecht ausgerüstet waren, untereinander zu wenig vernetzt waren und viele Menschen sich nicht trauten sich dem Umsturz anzuschließen. So war es auch in Niederbayern: In Landshut beispielsweise gab es zwei voneinander völlig unabhängige Umsturzversuche. Mitglieder der Polizei, die spontan den Rundfunkansprachen folgten und einige Landshuter Bürger um Franz Seiff, deren Ziel es war, das Zentrum einzunehmen und die Brücken vor der Sprengung zu bewahren. Schließlich sollte Franz Seiff den Amerikanern mit einem Motorrad entgegen fahren und Verhandlungen aufnehmen. Aber kurz bevor er in die Innenstadt aufbrach, trug er seiner Frau auf, blau-weiße Flaggen auf dem Dach ihres Hauses in Schweinbach nahe Landshut zu hissen. Kurz nach dem er weg war, bemerkte jemand die Flaggen, meldete den Vorfall und der Aufstand war vorbei ehe er begonnen hatte. Franz Seiff wurde festgenommen. Er konnte fliehen, wurde wieder gefasst und auf Befehl des Gauleiters an einem Baum am alten Viehmarkt erhängt. Zwei Tage später wehte eine weiße Fahne am Turm von St. Martin. Landshut wurde kampflos übergeben. Die SS und Wehrmacht waren da schon längst weiter nach Süden geflohen.

An Franz Seiff erinnert ein animierter Kurzfilm, der ab 29. April unter https://franz-seiff.de/ zu sehen ist. Erzähler ist der Schauspieler Jochen Decker.

 

CG
Foto: Stadtarchiv Simbach am Inn