Tann – Tuchmacher- und Wallfahrerhochburg Niederbayerns

Tann ist ein kleiner Ort inmitten des niederbayerischen Hügellandes, auf halbem Weg zwischen Braunau und Pfarrkirchen. Um 900 war an dieser Stelle noch ein großer Tannenwald. Aber bald wurden die Tannen gefällt und Häuser gebaut. Daher stammt auch der Name „Tann“ – und das Wappen ziert passenderweise auch eine grüne Tanne auf rotem Grund. In dem kleinen Örtchen herrschte seit dem 13. Jahrhundert und vor allem im 17., 18. und auch noch im 19. Jahrhundert ein hektisches Treiben. Aber daran erinnert heute fast nichts mehr. Dabei war Tann lange Zeit eines der bedeutendsten und größten Tuchmacherzentren Niederbayerns. Das Segeltuch, das hier aus Leinen hergestellt wurde, war in aller Welt begehrt und wurde beispielsweise bis nach Genua, Venedig und sogar nach Amsterdam geliefert.
Eines Tages, es tobte gerade der Dreißigjährige Krieg, lief der Marktschreiber Ignatius Khradt so schnell er nur konnte in die Kirche: Er wolle den Pfarrer sprechen. Es dulde keinen Aufschub! – Was denn so Dringendes anliege, wollte der Pfarrer wissen. Nun, sagte, der Marktschreiber, die Haare, die auf einem alten Kruzifix, ein Erbstück seines Vaters, aufgeklebt waren, seien gewachsen. Der Pfarrer hielt Ignatius für verrückt. Aber dieser redete so lange auf ihn ein, bis der Pfarrer endlich mit einer Schere die Bart- und Haupthaare vorsichtig stutzte. Und siehe da, die Haare wuchsen von neuem.
Das war der Ursprung für eine der bedeutendsten Wallfahrten Niederbayerns: „Zu Tann tat Gott ein großes Mirakel, dem ehrwürdigen Christusbild wuchsen Haar und Bart, so berichten Chronik und Legende und das gläubige Volk kam in großen Scharen.“, schrieb einst ein Chronist. Es entstand ein regelrechter Wettstreit zwischen Tann und Altötting, zu wem denn die meisten Wallfahrer pilgerten: Zur „Schwarzen Madonna“? Oder doch zum „Herrgott von Tann“? Und wirklich: Zeitweise gelang es sogar Altötting zu überflügeln. Um 1800 pilgerten jedes Jahr an die 40.000 Menschen nach Tann, um dieses besondere Kruzifix zu bestaunen. 12 Priester waren allein für Wallfahrtseelsorge zuständig.
Noch 1840 gab es in Tann 25 Tuchmacher und 16 Weber. So viel wie in keinem anderen Ort Niederbayerns. Aber die Blüte des Örtchens neigte sich bald dem Ende zu. Die kleinen Betriebe waren mit den großen Tuchfabriken, die in Augsburg und Nürnberg entstanden, einfach nicht konkurrenzfähig und auch die Wallfahrt zum „Herrgott von Tann“ konnte sich gegen Altötting nicht behaupten und kam ganz zum Erliegen. Im Jahr 2007 wurde die Wallfahrt behutsam wiederbelebt und erfreut sich zahlreicher Pilger. Sie findet jedes Jahr Mitte September statt, anlässlich des Festtages „Kreuzerhöhung“ (14. September).
Christoph Goldstein
Kulturlandschaft und Klimawandel in Niederbayern (1) Wasser

„Es strömt, glitzert, sprudelt und heilt. Wasser ist das Lebenselexier in Niederbayern“ – so wirbt der Tourismusverband Ostbayern e.V. in einer aktuellen Broschüre für das Thermenland im niederbayerischen Bäderdreick. Ja, gesegnet wäre unsere Heimat schon mit diesem Lebensmittel und Elixier für Mensch und Natur. Eigentlich. Doch es gibt auch die andere Seite der Medaille: „Bayerns Bäche brauchen Hilfe“ postuliert der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) in seinem Mitgliedermagazin: „Seit einigen Jahren sehen wir vermehrt austrocknende Bäche, und bekommen fallende Grundwasserstände zu spüren.“ Soll die EU-Wasserrahmenrichtlinie erfüllt werden, müssen von 10.000 km an naturnahen Gewässern allein in Bayern bis 2028 verbessert werden. Nicht einmal ein Drittel der Fließgewässer sind aktuell in einem guten oder sehr guten Zustand. Dazu kommt, dass ein Großteil der Quellen und Gewässer eingefasst, verbaut und begradigt sind. Darüber hinaus mindern Schadstoffe aus Industrie und Landwirtschaft die Wasserqualität.
Um das Grundwasser in Niederbayern ist es speziell in den Gegenden mit erhöhter Schweinemastdichte schlecht bestellt. Immer tiefere Schichten müssen von den Brunnen erreicht werden, um der Bevölkerung einwandfreies Trinkwasser anbieten zu können. Und mangelnde Niederschläge lassen die Grundwasserstände beständig sinken. Starkregen fließt oft ungehindert ab, weil die verdichteten Böden oder die Fichtenwälder die Wassermengen nicht schnell genug aufnehmen können. Schwammstädte und -dörfer sind ein Lösungsvorschlag, das Wasser Speicherflächen zurückzuhalten, auch in der Region: Das Amt für Ländliche Entwicklung in Landau beispielsweise bietet zum Thema „Schwammdorf – wassersensible Dorfentwicklung“ fachliche und finanzielle Hilfe an.
Doch es gibt auch weitere positive Entwicklungen: Die Regierung von Niederbayern hat gemeinsam mit dem Wasserwirtschaftsamt Landshut für das Schutzgebiets-Netzwerk „Natura 2000“ in sieben Teilgebieten von Loiching bis Ettling LIFE Natur-Projekte geplant und z. T. bereits umgesetzt. In Landau und Dingolfing erfreuen sich die Menschen jetzt an renaturierten Isarstränden und bisher ungekannten Bade- und Erholungsmöglichkeiten. Erlebnispfade bieten zusätzlich Aufklärung über Zusammenhänge, seltene Arten und den Sinn der Investitionen.
In Landshut sind in Kooperation von Stadtwerken, der Bezirkshauptstadt, der Firma Uniper und dem Wasserwirtschaftsamt sieben ökologisch wirksame Maßnahmen zur biologischen Durchgängigkeit umgesetzt. So hofft man, die rein technisch umgesetzte Zähmung des einstigen Wildflusses zum einbetonierten hochwasserfesten Gerinne teilweise wieder rückgängig machen zu können. Die Auen werden durch gezielte Öffnung von Deichen als natürliche Rückzugsräume reaktiviert. Fischtreppen ermöglichen wieder notwendige Wanderbewegungen und tödliche Sohlschwellen sind inzwischen zu freundlicheren Sohlrampen umgebaut, so können paddelnde Kanuten und mutige Schwimmer sie wieder ungehindert nutzen. Die Wasserqualität der Isar bei Landshut ist inzwischen so verbessert, dass das Schwimmen für Geübte gefahrlos möglich und eine kostenlose Alternative zum Schwimmbadbesuch ist.
Jetzt ist zu hoffen, dass durch Aufklärung und finanzielle Unterstützungsprogramme auch Niederbayerns Gewässersysteme inmitten der Kulturlandschaft künftig vermehrt ein Rückzugsort für bedrohte Pflanzen- und Tierarten werden können, wenn auch sie vorbildlich naturnah rückgebaut sind. Denn Hochwasserschutz, die Pufferung von Starkregenereignissen für Trockenphasen und Artenschutz hängen unmittelbar zusammen.
Weitere Infos zum Thema Schwammdorf: https://klimachancen.bayern/file/f3d95f1d-aa07-497d-85ea-29054451d547.pdf
Helmut Wartner
Fotos: H. Baumgartner und Tobias Lermer (LPV Landshut)
Die älteste Trabrennbahn Bayerns

„Gri my dream rückt jetzt in zweiter Spur etwas auf, aber vorn weiter unbeeindruckt Workaholic Diamant, der jetzt mit der Führung auf die Zielgerade kommt. Aber Gri my dream macht außen Druck. Gri my dream greift an! Gri my dream!!! Gri my dream, meine Damen und Herren gewinnt hier dieses Rennen vor Workaholic Diamant.“ – Wo sind wir denn hier gelandet? Bei einem Pferderennen, und zwar auf der Trabrennbahn in Straubing; es ist Donnerstagvormittag, zweites Rennen ungefähr um die Mittagszeit. Viele Menschen sind nicht gekommen, die meisten sind Rentner. Das war früher ganz anders. Als im Oktober 1874 die ersten Rennen stattfanden, damals war Bayern noch ein Königreich, strömten tausende Menschen zur Rennbahn, die damals noch auf dem heutigen Volksfestplatz war. Der Pferdesport und das Wettgeschäft boomten und schon 1901 wurde eine Rennbahn im Süden Straubings mit Tribüne und Stallungen errichtet.

Trabrennbahn Straubing (1904)
Auch nach den beiden Weltkriegen war der Trabrennsport überaus gefragt, bevor er in den 1990er langsam immer weniger Menschen kamen. In Frankreich ist das ganz anders. Dort gibt es 237 Rennbahnen, in Bayern dagegen sind es nur zwei: Straubing und Daglfing bei München. Für die Franzosen ist es ein ganz besonderer Genuss während den Mittagsstunden den Trabrennsport zu verfolgen und Wetten abzuschließen. Und das ist auch der Grund, warum die Rennen in Straubing heute stets während der Woche um die Mittagszeit stattfinden. Schon seit vielen Jahren arbeitet die Rennbahn in Straubing mit dem französischen Wettanbieter PMU zusammen, der mit einem Renntag in Straubing jedes Mal über eine Million Euro umsetzt. Zum Vergleich: In ganz Frankreich werden pro Jahr etwa zehn Milliarden Euro umgesetzt. Die Straubinger Rennbahn profitiert davon, denn ohne den französischen Markt wäre sie längst insolvent.
Christoph Goldstein
Foto: Bruno Mooser
„Für Wahrheit, Recht und gesetzliche Freiheit.“ Die Gründung der „Landshuter Zeitung“ 1849

Am 15. April 1846 fand in Landshut eine folgenreiche Hochzeit statt: Johann Baptist von Zabuesnig heiratete die Witwe Ursula Attenkofer. Er wurde damit nicht nur Stiefvater von vier kleinen Kindern, sondern auch Chef eines florierenden Unternehmens, der „Jos. Thomannschen Buchhandlung und Buchdruckerei“. Begründet 1791 von Josef Attenkofer, weitergeführt von seiner Witwe Anna Maria und ihrem zweiten Ehemann Josef Thomann, hatte schließlich Johann Nepomuk Attenkofer, Sohn des Firmengründers, den Betrieb übernommen. Bei ihm hatte Zabuesnig, 1820 auf Gut Bobingen bei Augsburg geboren, nach Lehr- und Arbeitsjahren in Augsburg und Worms gearbeitet. Nach dem frühen Tod ihres Mannes Johann Nepomuk 1842 sicherte sich die Witwe die Hilfe des zwölf Jahre jüngeren Zabuesnigs, zuerst als Geschäftsführer, dann als Ehemann – mit dem sie noch fünf Kinder bekam.

Ursula Zabuesnig, geb. Furtner, verw. Attenkofer, Gemälde um 1846 (Privatbesitz) und Johann Baptist von Zabuesnig, Gemälde um 1846 (Privatbesitz)
Revolution und Pressefreiheit
Es war eine unruhige Zeit in Mitteleuropa. Die Forderungen der Französischen Revolution nach „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ waren ein Traum geblieben. In Bayern war zwar unter dem aufgeklärten und aufgeschlossenen Max I. Josef 1818 eine konstitutionelle Monarchie begründet worden. Sein Nachfolger Ludwig I. aber hatte seine Machtposition und den Einfluss von adeligen Eliten, Großgrundbesitzern und katholischer Kirche wieder gestärkt. Ausgehend von der Absetzung des französischen Königs und der Ausrufung einer Republik in Paris im Februar 1848 kam es, befeuert durch Hungersnöte, auch in den benachbarten Ländern zu Unruhen. Die Menschen wandten sich in den sogenannten Märzrevolutionen 1848 gegen die autokratische „Fürstenherrschaft“, forderten individuelle Freiheitsrechte und politische Mitbestimmung. In den deutschen Ländern wurde anstatt der „Kleinstaaterei“ im Deutschen Bund zudem nach einem deutschen Nationalstaat gerufen.
In Bayern verschärfte die Affäre König Ludwigs I. mit der Tänzerin Lola Montez die Lage. Ludwig kündigte zwar am 6. März 1848 einige Freiheitsrechte wie „die verfassungsmässige Verantwortlichkeit der Minister“, die „vollständige Preßfreiheit“ oder die „Verbesserung der Stände-Wahl-Ordnung“ an, dankte aber einige Tage später ab. Sein Nachfolger Max II. schaffte im „Edikt über die Freiheit der Presse und des Buchhandels“ vom 4. Juni 1848 dann die Vorzensur ab. Damit war zumindest in Bayern der Weg zur Pressefreiheit grundgelegt, auch wenn z.B. bei „unzüchtigen Schriften“ eine strafrechtliche Verfolgung eintreten konnte.
Die in den Märzunruhen erkämpfte Frankfurter Nationalversammlung verabschiedete am 27. März 1849 eine Reichsverfassung, die einen föderalen deutschen Einheitsstaat – ohne Österreich – unter einem erblichen Kaiser vorsah. Sie garantierte die Grundrechte der Bürger wie die Gleichheit aller vor dem Gesetz, die Aufhebung aller Standesvorrechte, die Gewährleistung persönlicher und politischer Freiheitsrechte wie eben Presse- und Meinungsfreiheit. Preußen, Bayern und andere Bundesstaaten lehnten jedoch ab. Die Revolution war damit letztlich gescheitert.
Landshuter Tageszeitungen
Die Landshuter Zeitungsgeschichte spiegelt das dramatische Geschehen der Jahre 1848/1849 wider, auch wenn es hier zu „keinerlei politischen Aufläufen und revolutionären Umtrieben“ (Theo Herzog) kam, Stadt und Bürger zur Monarchie standen. Das politische Geschehen wurde aber sehr wohl, auch in den neu eingeführten „Volksversammlungen“, diskutiert. Bisher hatte es nur das „Landshuter Wochenblatt“ gegeben, das vor allem Bekanntmachungen und Anzeigen enthielt. Es war übrigens von Josef Attenkofer zusammen mit dem Buchdrucker Martin Hagen 1793 begründet worden. Am 12. März 1848, sechs Tage nach der Lockerung der Zensur durch Ludwig I., erschien die erste Tageszeitung, das „Tagblatt für Landshut und Umgebung“. Die Zeitung, die sich einige Jahre später „Kurier für Niederbayern“ nannte, war unter dem Herausgeber Johann Ferdinand Rietsch entsprechend den revolutionären Forderungen liberal-fortschrittlich, antipartikularistisch und antiklerikal orientiert.
Ein Jahr später entschloss sich Zabuesnig, der die Frankfurter Lösung eines Einheitsstaates unter preußischer Führung ablehnte, unterstützt vom „Verein für konstitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit“, zur Gegengründung: Am 31. März 1849 erschien, vordatiert auf den 1. April, zum ersten Mal die „Landshuter Zeitung“. Im Untertitel hieß es programmatisch: „Für Wahrheit, Recht und gesetzliche Freiheit.“ Und in einer Werbeanzeige beschrieb Zabuesnig seine Haltung: „Da dieses Blatt den radicalen und destructiven Tendenzen der Neuzeit gegenüber eine conservative Richtung in wahrer Freisinnigkeit beobachten wird … Dasselbe wird in einfacher populärer Weise mit besonderer provinzieller Berücksichtigung das verehrliche Publikum mit den Zeitereignissen bekanntmachen, in leitenden Artikeln wahre, ächte Freiheit, Gesetzlichkeit, Ordnung und gemässigten Fortschritt predigen, die Menge statt zu verwirren und zu verführen, richtig leiten, und aufzuklären suchen, und die politischen und sonstigen Neuigkeiten in guter Auswahl und möglichst vollständiger Form liefern. … Daher bald abonnirt, gelesen und geurtheilt.“ Den katholisch-konservativen Kurs der Zeitung unterstrich dann seit Mai 1849 für gut dreißig Jahre der Redaktionsleiter Johann Baptist Planer.
Hochgeachteter Unternehmer
Der vielseitig interessierte und begabte Zabuesnig hatte sich bereits als Angestellter des Attenkofer’schen Betriebes in das gesellschaftliche Leben Landshuts eingebracht, war z.B. 1841 Mitgründer der Landshuter Liedertafel. Er wurde Mitglied des Magistrats der Stadt, wirkte als Vorsitzender des Gemeindekollegiums, vertrat Landshut im niederbayerischen Landrat. Er war einer der Initiatoren der Freiwilligen Feuerwehr und Kommandant des Landwehrbataillons Landshut, engagierte sich als Besitzer des Gutes Siebensee auch im Landwirtschaftlichen Verein und gründete den Bienenzuchtverein Niederbayern. Das Unternehmen, das unter dem Namen „Jos. Thomann’sche Buchhandlung und Buchdruckerei“ firmierte, baute er stetig aus: Er investierte in Schnellpressen, errichtete 1874 eine neue Druckerei an der Ländgasse 117. 1877 erweiterte und modernisierte er das Verlagsgebäude Altstadt 89, das bis heute Sitz der „Landshuter Zeitung“ ist. Zum 70. Geburtstag verlieh ihm die Stadt Landshut die Ehrenbürgerwürde, er erhielt vom bayerischen Staat den Titel „Kommerzienrat“ und den Michaelsorden IV. Klasse – „viel mehr konnte ein Bürgerlicher damals an Auszeichnung in Bayern nicht erwerben“ (Heinrich Egner).
Den Aufstieg und Erfolg seiner Zeitung – 1870 war sie mit einer Auflage von 5000 Stück das „meistgelesene Blatt Niederbayerns“ – konnte er noch lange mitgestalten und miterleben: Er starb hochgeachtet 1898. Im Nachruf betrauerte die „Landshuter Zeitung“ den „Verlust eines der edelsten Bürger unsrer Stadt“, rühmte die „hervorragenden Tugenden des Verblichenen als Bürger, Familienvater, Arbeitgeber, Wohlthäter der Armen und Berather der Bedrängten, Geschäftsmann und nicht zuletzt als treuer Sohn der katholischen Kirche“. Eine Straßenname in Landshut erinnert an ihn.

Verlagsgebäude Altstadt 89 in Landshut, um 1950 (Verlagsarchiv)
Attenkofer verbindet
Der Sohn Johann Baptist und die Enkel Hans und Heinrich von Zabuesnig führten das Unternehmen erfolgreich weiter. Zum 1. März 1943 aber musste die „Landshuter Zeitung“, die 1933 wie die anderen Zeitungen von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet worden war, ihr Erscheinen einstellen. Nach Kriegsende verweigerte die amerikanische Besatzungsmacht sogenannten „Altverlegern“ eine Presselizenz. Die Erbengemeinschaft von Zabuesnig hatte ihre Gebäude seit Juni 1946 der fremden Lizenzzeitung „Isarpost“ zur Verfügung zu stellen. Käthe von Zabuesnig, der Urenkelin des Zeitungsgründers, gelang es zwar nach Erlass der Generallizenz ab 1. November 1949 die „Landshuter Zeitung“ wieder erscheinen zu lassen und „auf dem Boden der heimatgebundenen christlichen Tradition“ zu etablieren. Die schwierige Situation mit der Konkurrenzzeitung „Isarpost“ aber veranlasste die kinderlose Verlegerin dazu, zum 1. Januar 1951 ihren Betrieb an die „Cl. Attenkofer’sche Kunst- und Buchdruckerei“ in Straubing zu übergeben.
Unter dem Straubinger Verleger Dr. Georg Huber wurde die „Landshuter Zeitung“ durch Übernahme und Einstellung der „Isar-Post“ zum 31. Dezember 1958 die einzige Tageszeitung Landshuts. 1966 entstand an der Ländgasse 116 ein neues Betriebsgebäude, 1974 wurde an der Porschestraße 20 die neue Druckerei eingeweiht. Nach dem Tod von Käthe von Zabuesnig 1985 ging auch das Stammgebäude Altstadt 89 in den Besitz der Straubinger Verlegerfamilie Huber/Balle über. So mündete das Werk, das Josef Attenkofer 1791 mit einer Buchbinderei in Landshut begonnen hatte, ein in das Unternehmen, das sein Enkel Clemens Attenkofer 1860 in Straubing begründet hatte – und das dessen Erben heute unter dem Namen „Mediengruppe Attenkofer“ führen.
Dorit-Maria Krenn
15.744 ungarische Ochsen wurden 1588 auf der Mautbrücke von Niederpöring über die Isar getrieben

1992 hat die schwedische Forscherin Christina Dalhede die Fleischversorgung großer Städte in Deutschland vom Spätmittelalter bis zur frühen Neuzeit untersucht. Das Schlachtvieh bestimmt für die bedeutenden Städte wie Augsburg, Ulm, Nürnberg, München, Landshut und Straubing kam auf den Ochsentriebrouten aus der ungarischen Tiefebene. Die Ochsen, in Herden mit ca. 120 Tieren, wurden über Wien, Linz, Schärding quer durch das südliche Niederbayern nachweislich über den Zeitraum ab Mitte 14. Jh. bis Mitte 17. Jh. bis nach Straßburg getrieben und geschlachtet.[1]
Eine der Triebrouten führte über Niederpöring: Das präzise geführte Rechnungsbuch von 1588 bringt damit Licht in das Geschehen auf der Mautbrücke von Niederpöring: Von Mai bis Oktober wurden insgesamt 15.744 ungarische Ochsen, wenige Kühe und Magerschweine in Herden von durchschnittlich 120 Tieren über die Brücke vermautet. Die Rechnung zeigt genau, an welchem Tag für wieviel Tiere von welchem Händler der Brückenzoll bezahlt wurde. Die Händler sind namentlich mit Herkunftsort aufgeführt. Damit lassen sich die Zielorte mit den der Anzahl der dorthin vermarkten Ochsen recht gut bestimmen. Falsch interpretiert haben die Geschichtsforscher Joseph Pamler und Michael Härtl im 19. Jahrhundert die Ochsenstraße bei Aidenbach. Beide haben sie den Römern zugeordnet und als Augustenstraße erklärt. Im Niederbayerischen sind „Ougsnstraß“ und „Augustenstraß“ phonetisch nicht weit auseinander und Römerstraßen, Römerhügel und Römerschanzen gibt es ja sehr viele.
Das Mautbuch nennt die Ochsenhändler Valentin Sexl aus Aidenbach sowie Achatz Niedermeier aus Schärding. Damit kam Licht ins Dunkel mit dem vermögenden Mann aus dem damals blühenden Markt Aidenbach. Geheimnisvoll war bis zur Nennung im Mautbuch die Vita dieses bedeutenden Handelsmannes aus dem Markt Aidenbach. Bei Joseph Pamler, der auf Tausenden handschriftlichen Seiten die Geschichte des Dekanates Aidenbach sehr genau beschrieben hat, findet man an keiner Stelle etwas zum Ochsenhandel. Kein Hinweis auf den Valentin Sexl als Viehhändler, der nachweislich als reicher Mann im Markt Aidenbach, HsNr. 2 zwischen 1560 und 1597 gelebt hat mit familiären Bezug zu Schärding und Nachfahren sogar bis Wien. Im Haus, das dem Valentin Sexl gehörte können wir die in diesem Haus noch vorhandene schöne Holzdecke aufgrund dendrochronologischer Untersuchungen sehr gut der Zeit um 1588 zuordnen.[2]
Eine der Triebrouten führte gut nachweisbar entweder über die Innbrücke Schärding-Neuhaus bzw. die Furt bei Riedenburg etwas weiter südlich, dann über Engertsham, Höhenstadt, Dorfbach, Ledering und Aidenbach weiter ins Vilstal. Das „Ochsentreiberhäusl“ in Aidenbach und eine Vielzahl von Flurnamen mit „Ochsen…“ belegen diese Annahme. Auch östlich von Niederpöring finden wir wieder eine Reihe von Flur- und Straßennamen, die mit „Ochsen…“ beginnt. Die Triebrouten dazwischen sind noch unbekannt. Eine könnte, nachdem die Vils mit einer Furt bei Mattenham gequert wurde, über die „Hoch- oder Römerstraße“ bis nahe Niederpöring geführt haben. Eine könnte südlich der Vils über Pörndorf, Kröhstorf, Dornach und die Furt von Enzerweis Richtung Niederpöring verlaufen sein. Umfangreiche Hufeisensammlungen bei Bauern zwischen Engertsham und Aldersbach, mit unterschiedlichen Formen teilweise bereits dokumentiert, laden zu weiteren Untersuchungen ein.
Neben Hufeisen existieren aber auch Bildquellen und zwar das das Ochsenbild des Grafen Casimir um 1620-1630 und die Landkarte aus dem Jahr 1564 der Grafschaft von Ortenburg. Das als Original erhalten Bild gemalt von Grafen Casimir von Ortenburg zeigt ungarische Ochsen bei Dorfbach, Markt Ortenburg. Die Karte gibt, schwer leserlich, den Hinweis auf „Ochsenstraße von Schärding“ und des Weiteren „die obere Ochsenstraß“ und „die untere Ochsenstraß“ an.
[1] Eine Beschreibung des Ochsenhandels einschließlich der Triebrouten und Analyse des Mautbauchs von 1588 findet man online in „Deggendorfer Geschichtsblätter 2007; Hans Herbert und Stephan Maidl und 2008; Hans-Heinz Vangerow.“
[2] => www.aidenbach.de => Geschichtsprojekt Joseph Pamler => Stammbuch der Hausbesitzer in Aidenbach => Haus Nr. 2
Nikolaus Arndt
Fotos: Nikolaus Arndt und Ingo Reimer
Der Igel ist Tier des Jahres 2024

Im Rennen um den begehrten 1. Platz für das Tier des Jahres hat der Igel seine Verfolger Eichhörnchen und Rotfuchs abgehängt. Der Bestand des einst so häufigen Nagers ist seit 1976 um 80 % zurückgegangen. Warum? Die Deutsche Gesellschaft für Wildtierschutz (DWS), die die Auszeichnung alljährlich vergibt, führt als Hauptgründe auf: menschliche Bedrohungen durch immer mehr Schottergärten und Gifte wie das allseits beliebte Schneckenkorn. Auch der dramatische Verlust von wilden Ecken in Gärten und der Feldflur setzt dem Wildtier massiv zu und hat dazu geführt, dass die Art jetzt bereits auf der Vorwarnstufe der bedrohten Tierarten gelandet ist. Alljährlich werden auch zahllose Igel von Autofahrern überfahren, die mit überhöhter Geschwindigkeit ihrem Leben ein jähes Ende setzen.
Im natürlichen Lebensraum wie lichten Wäldern, nährstoffarmen Grasländereien und naturnahen Gärten findet der Igel jedoch genug Nahrung und Unterschlupfmöglichkeiten, um seinen Winterschlaf in Laub- und Reisighäufen antreten zu können. Bereits in der Antike hielten sich die Menschen Igel als Haustiere und in der mittelalterlichen Literatur und Kunst gelten sie als schlau, durchtrieben oder gar dämonisch. So soll der Igel den Teufel symbolisieren, der sich im Weinberg des Herrn herumtreibt und sich möglichst viele Früchte – also gläubige Christen – rauben möchte. Dabei begnügt sich die Art auf ihren oft kilometerlangen nächtlichen Raubzügen neben Insekten mit Fröschen, Mäusen oder auch Schlangen. Soweit diese überhaupt noch zur Verfügung stehen. Und wenn ein nachtaktiver Mähroboter seine chaotischen Runden dreht, gerät so mancher Igel unter die scharfen Messer.
Aktuell setzt der Klimawandel mit seinen heißen Sommern, dem Insektensterben und trockenen Böden dem Igel neben den bereits oben erwähnten menschlichen Nachstellungen besonders zu. Doch was könnte der dezimierten Population wieder auf die Beine helfen? „Igel mögen wilde Ecken, in denen sich Insekten, Regenwürmer und Spinnen tummeln. Laub und Reisig dienen als Versteck, undurchlässige Zäune und Mauern behindern sie hingegen“ schreibt die DSW. Auch von den immer noch beliebten Milchschälchen rät die Organisation ab. Besser wären hingegen ein Mix aus Katzenfutter, Weizenkleie oder Haferflocken, falls natürliche Nahrungsquellen fehlen.
Und in der Kulturlandschaft? Dort wäre ein Umdenken in Richtung einer neuen Landwirtschaftspolitik mit der Anlage und Wiedervernetzung von Kleinstrukturen über neue Hecken, Gehölzbestände und artenreiche Grasfluren das Gebot der Stunde. Um sich dort im Sommer verstecken und seinen Nachwuchs zur Welt bringen und ab November seinen Winterschlaf antreten zu können. Das würde nicht nur dem Igel, sondern zahllosen anderen Tier- und Pflanzenarten ein Überleben sichern. Das neue Motto muss lauten: Flurbereicherung statt Flurbereinigung. Die Ämter für Ländliche Entwicklung legen dafür aktuell auch Pilotförder-Projekte auf.
Helmut Wartner
Foto: https://pixabay.com/de/photos/igel-tier-stachelig-nachtaktiv-3703244/
Swing und Rock N` Roll – das Tanzcafé Wiedemann

Discos, Clubs und Bars, was wir heute unter „fuadgeh“ verstehen, entwickelte sich erst im Laufe des 20. Jahrhunderts. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkriegs, traf sich die Jugend in Tanzcafés. Inspiriert von „neuen“ amerikanischen Musikgenres, wie Swing oder Rock n‘ Roll, suchten auch die Einwohner und Einwohnerinnen Deggendorfs nach Treffpunkten und da bot sich vor allem ein Café an:
Der Familie Wiedemann gehörte bereits seit 1861 das Haus in der Luitpoldstraße 5. Ursprünglich befand sich dort eine Lebzelterei, eine Lebkuchenbäckerei, in der die Familie, seit sie im Jahr 1899 eine Schankerlaubnis erworben hatte, auch ihren selbstgemachten Honigwein ausschenken durfte. Eine durch den Umbau 1935 entstandene Weinstube bot Platz für ein Klavier und eine Tanzfläche. Angelehnt an das Konzept der Wiener Liedercafés, steigerte sich der Bekanntheitsgrad schnell. Das änderte sich mit dem Zweiten Weltkrieg und der amerikanischen Besatzung; das einstige Tanzcafé musste nun als Kantine herhalten. Ende der 1940er Jahre machte die Kantine wieder Platz für ein Nachtlokal: „Tusculum“, eine neue Bar, eröffnete im Jahr 1949 und das war für Deggendorf etwas ganz Besonderes. Dort konnten Gäste Karten spielen, Wein trinken oder ganz spezielle Cocktails bestellen. Der Barkeeper Fritz Bäumler servierte der Kundschaft zum Beispiel ein exotisches Getränk mit dem Namen „Lufthansa-Cocktail“, der Fluggästen der Lufthansa serviert wurde. Obwohl der Name vielversprechend klingt, bestand der Cocktail nur aus Sekt und Orangen-Aprikosenlikör.
Exklusivität bestimmte auch die Atmosphäre der Bar und lockte Neugierige aus ganz Niederbayern an. Lange Öffnungszeiten, oft bis 3 Uhr nachts, belebten das Nachtleben in Deggendorf und bald war es der Familie Wiedemann möglich das Nachbarhaus zu erwerben, um ein neues Tanzcafé einzurichten. Das als modern geltende Café veranstaltete regelmäßig sogenannte „Tanztees“. Menschen aus Deggendorf und ganz Niederbayern trafen sich in schickem Kleid und Hemd und verbrachten ihre Nachmittage und Abende mit Live-Musik der eigenen Hauskapelle. Bis heute ist das Gästebuch erhalten, in dem sich internationale Spitzensportler, Musiker und Prominente, wie Rita Blumenberg, Max Greger und Franz Josef Strauß eingetragen haben. Das bunte Publikum und die Atmosphäre machten das Café zunächst sehr beliebt und über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, doch neue kulturelle und musikalische Interessen der jüngeren Generation machten die Tanzcafés unattraktiv und führten zur Schließung, aber die Konditorei und das Café waren weiterhin geöffnet.
Unter dem Namen „Kaffeehaus Wiedemann“ ist das Lokal auch heute noch in der Deggendorfer Innenstadt zu finden. Nach weitreichenden Renovierungsarbeiten im Außen- und Innenbereich betreibt es seit 2021 die Familie Schwinghammer und verkauft dort süßes Gebäck und Pralinen aller Art. Trotz der grundlegenden Veränderungen bei der Inneneinrichtung und des Erscheinungsbilds hat das Café seinen Charme nicht verloren und die lange Geschichte des Cafés und die Bedeutung für die Region machten es zur Institution in Niederbayern, die von den neuen Besitzern fortgeführt wird.
Lena Bauer
Warum unsere Gesellschaft gerade jetzt die Musik braucht.

Wenn sich Menschen treffen, um Musik zu machen, ganz egal ob das zwei Menschen sind, eine Blaskapelle oder ein Sinfonieorchester, dann schaffen sie beim Musizieren immer etwas, das größer ist als sie selbst. Denn jede Musikerin, jeder Musiker spielt mit seinem Instrument ja nur eine Stimme. Ein Musikstück besteht aber aus vielen verschiedenen Stimmen. Diese Stimmen laufen nicht einfach nebeneinander her, sie stehen in Bezug zueinander: Mal muss eine Stimme lauter spielen als die andere, mal spielen alle leise, mal alle laut, mal sind die Stimmen gegenläufig, mal sind zwei Stimmen eng verwoben, mal streiten zwei Stimmen miteinander etc. In Musikstücken sind soziale Konstellationen abgebildet: Zuhören, streiten, miteinander sprechen etc. Denn Musik ist immer Dialog; ein Dialog der muszierenden Stimmen. In der Musik findet sich also das Modell einer idealtypischen Gesellschaft in der man sich zuhört (ohne Zuhören keine Musik), in der man aufeinander achtet, in der man streiten kann, aber am Ende immer wieder zusammenfindet. Und genau diese Aspekte, vor allem zuzuhören und aufeinander zu achten, gehen unserer Gesellschaft immer mehr verloren. Und da es ist kein Wunder, sondern nur symptomatisch, dass gerade jetzt in Bayern der Musikunterricht in Grundschulen zusammengestrichen wird.1 Dabei stecken die Fähigkeiten, die das Fundament einer Gesellschaft bilden, in der Musik! Die Musik kann uns, wenn wir wollen, daran erinnern und es uns wieder beibringen, dass es bei jeder Diskussion, bei jedem Streit immer um die Sache gehen sollte. Wenn Musikerinnen und Musiker proben, hört sich das für Außenstehende oft ziemlich hart an: „du spielst unsauber!“, „das war unrhythmisch!“, „spiel doch an der Stelle nicht so laut!“ etc. Das ist alles möglich, weil es nie um die Person geht, sondern weil man sich etwas größerem, der Sache, also dem Musikstück unterordnet. Und deswegen ist die Musik so wichtig für unsere Gesellschaft. Wir müssen wieder lernen zuzuhören!
Christoph Goldstein
1 https://www.sueddeutsche.de/bayern/grundschule-stundenplan-streichung-bayern-anna-stolz-1.6401093
Februar-Rätsel

Der Februar ist normalerweise der kürzeste Monat des Jahres – in Straubing nicht, zumindest, wenn man in der Stadtpfarrkirche St. Jakob eine im Boden eingelassene, eher unscheinbare Steinplatte bemerkt. Es ist ein Gedenkstein für den Priester Paul Windisch. Geboren im oberpfälzischen Schwandorf wurde er Priester der Diözese Regensburg, studierte als „Kleriker“ an der Universität Ingolstadt und wirkte dann als „Prediger“. 1558 wurde er zum Pfarrer in Straubing bestellt, in einer äußerst spannenden Zeit.
Straubing war damals auf dem besten Weg, eine protestantische Stadt zu werden. Vor allem die Führungsschichten, angesehene Ratsherren und wohlhabende Kaufleute, sympathisierten mit den Lehren des Reformators Martin Luther. In den Gottesdiensten standen die Menschen bei der Wandlung demonstrativ auf und drehten sich um, verweigerten die Teilnahme an Prozessionen, protestantische Schriften wurden gedruckt und gelesen, kluge junge Männer nach Wittenberg zum Studium geschickt. Der katholische Stadtherr Herzog Albrecht V., der nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 die Religion seines Landes bestimmen durfte nach dem Grundsatz „Eius regio, cuius religio“ – Wes das Land, des die Religion“, konnte dies nicht dulden. Er schickte daher u.a. in der Fastenzeit 1558 den bekannten Prediger und Jesuitenpater Petrus Canisius in seine „aufmüpfige Stadt“, um die Bewohner wieder zur „alten wahren katholischen Religion“ zurückzuholen.

Petrus Canisius predigt in Straubing, Glasfenster in der Schmidl-Kapelle in der Straubinger Kirche St. Jakob, 1903
Canisius forderte bei seinem Weggang „einen tauglichen Hirten für diese Schafe“. So wurde Windisch das Amt des Pfarrers übertragen – sein Vorgänger hatte sich dem Protestantismus zugekehrt und war aus Straubing verschwunden. Windisch galt als „Muster sehr großer Gelehrsamkeit und katholischer Gesinnung“. Aber auch er konnte offenbar die Straubinger nicht so recht überzeugen, denn am 15. Juni 1562 griff der Herzog zum äußersten Mittel: Er befahl neun führenden Ratsfamilien, entweder dem protestantischen Glauben abzuschwören oder Straubing und das Herzogtum Bayern „binnen acht Tagen“ zu verlassen. Sie fanden Zuflucht in der protestantischen Reichsstadt Regensburg.
Windisch war kein langes Wirken in Straubing vergönnt, wie die Platte aus Solnhofer Stein in der Kirche St. Jakob verrät:
R(EVERENDVS) D(OMI)N(VS)
M(AGISTER) PAVL(VS)
WINDISCH PAROC(HVS)
STRAVB(INGANVS) OB(IIT) A(NN)O M.D.
LXIII. XXXI. FEBR(VARII)
Übersetzt lautet die Inschrift, unter der noch ein abgetretenes Wappen zu erkennen ist:
Der ehrwürdige Herr Magister Paul Windisch, Pfarrer zu Straubing, starb am 31. Februar 1563.
Es wird in der Sekundärliteratur vermutet, dass das Todesdatum mit dem 31. Februar auf den damals gültigen Julianischen Kalender zurückgeht. Diesen am Sonnenlauf orientierten Kalender hatte 45 v. Chr. Julius Cäsar eingeführt. Da sich im Lauf der Jahrhunderte Verschiebungen ergaben, wurde er durch die bis heute gültige Kalenderreform unter Papst Gregor XIII. 1582 abgelöst. Aber: Auch im Julianischen Kalender war das Jahr in zwölf Monate eingeteilt, mit je einem Schaltjahr alle vier Jahre – und während die anderen Monate 30 bzw. 31 Tage zählten, war auch hier der Februar mit 28 Tagen bzw. 29 Tagen in einem Schaltjahr der kürzeste Monat des Jahres. Wann starb also Windisch wirklich? Weitere schriftliche Aufzeichnungen hierzu gibt es nicht. Vielleicht ist die Lösung „menschlich“: Der Steinmetz hat einen Fehler gemacht und ein X zu viel gemeißelt?
Wer die Steinplatte sehen will: Sie liegt in der Straubinger Stadtpfarrkirche St. Jakob, Pfarrplatz, im Boden, links vom Hochaltar, in der Nähe der Tür zur Sakristei.
Dorit-Maria Krenn
Foto: Peter Schwarz
Lehm ist der neue Beton – neue Tendenzen im regionalen Bauen

Die Bauindustrie ist – je nach Berechnung – für 40-60 % aller klimaschädlichen C0²-Gase verantwortlich und damit weltweit Treiberin des Klimawandels. Um den Bedarf an rund 700.000 Wohnungen in Bayern bis zum Jahr 2030 klimagerechter zu befriedigen, geht es nun vermehrt um Sanierungen, Umbau oder Ergänzungen zum vorhandenen Baubestand. Dafür stehen jetzt schon kalt gepresste Ziegel aus recyceltem Ziegelschutt, industriell vorproduzierte Lehmbauplatten, Stampflehmwände, Holz-Lehm-Hybriddecken oder ein neues Heizsystem mit einer „Papierheizung“ unter flachen Estrichziegeln als kostengünstigere Alternative zur Wärmepumpe zur Verfügung. Für viele Architektinnen und Architekten, aber auch (Um-)Bauwillige sind das positive Neuigkeiten.
Es gibt also schon jetzt Lehmbausysteme, mit denen sich ökologisch und nachhaltig bauen und sanieren lässt im Sinne einer ressourcensparenden Kreislaufwirtschaft, die ja schon Jahrtausende vorher weltweit üblich war – mangels anderweitiger Alternativen. Lehm ist ein gesunder Baustoff mit feuchtigkeitsregulierender Wirkung, die Schimmelbildung verhindert. Er ist eine ideale Ergänzung zum modernen Holzbau oder zu Renovierungsarbeiten im Bestand. Lehm neutralisiert Luftschadstoffe und Gerüche, reduziert das Beschlagen von Fensterscheiben, bietet durch seine hohe Rohdichte besten Schallschutz. Er kühlt im Sommer und speichert im Winter optimal die Wärme. Die früher sehr hohen Brennkosten wegen der Brenntemperaturen über 1.000 Grad sind bei kalt verarbeiteten Trockenbau-Fertigprodukten zu vernachlässigen. Lehm hat eben überhaupt keine Brennkosten oder Brenntemperaturen, solange er nicht zu Ziegel gebrannt wird. Im Stile der römischen Hypokaustenheizungen lassen sich heute wasser- oder elektrisch geführte Systeme mit Lehm einbauen, Lehmputze ohne Spezialfirmen auch von den künftigen Bewohnerinnen und Bewohnern selber verarbeiten. Für individuelle Farbgestaltungen stehen auf Basis natürlicher Tonfarben Lehme und Edelputze zur Verfügung.
Etwas völlig Neues sind keramische Estrichziegel mit Heizpapier, die sich mit einer sehr geringen Aufbauhöhe unter 2 cm mit selbst produzierter Solarenergie als Fußbodenheizung betreiben lassen. Im Vergleich zu konventionellen, wassergeführten Systemen hat dieses Verfahren eine schnelle Reaktionszeit, es ist nicht so träge und langsam und lässt sich auch für Decken und Wände auf beliebigen Untergründen im umgenutzten Altbau verwenden. Weltweit bestehen rund ¾ aller Bauten aus Lehm – schön, dass es jetzt für die anstehenden Themen in Zeichen des Klimawandels moderne Baustoffe auf Basis des alten Wissens in industrieller Fertigung und Kombination mit regenerativer Energieerzeugung zur Verfügung stehen.
Helmut Wartner
Foto: Markus Stenger