Es regnet Prinzessinnen und Königinnen

Viele Produktköniginnen auf einem Gruppenbild

Endlich ist es soweit: In Bayern haben die Frühlingsfeste und Dulten begonnen. Während die Festzeltbetreiber, die Budenbesitzer und Schausteller aufbauen, bereiten andere Protagonisten Miss-
oder Königinnen-Wahlen vor. Neben der Miss Universe, der Miss Germany oder Miss Niederbayern werden im Rahmen von Volksfesten auch heuer wieder Prinzessinnen oder Königinnen gewählt. Allerortens werden Kronen oder Diademe und Zepter neu verteilt. Bevor das Publikum und/oder eine Jury über die Erstplatzierung entscheiden, findet im Vorfeld oftmals ein Casting statt. So auch bei Produktköniginnen.

Diese Hoheiten – wie beispielsweise Hopfen- und Bierköniginnen – müssen häufig nicht nur durch Aussehen und Auftreten überzeugen, sondern auch durch Kenntnisse über das von ihnen vertretene Produkt. Mit ihrem Engagement wirbt die Majestät für die Region, in der sie verwurzelt ist, und für das dort charakteristische Erzeugnis. So vielfältig wie Bayern ist, so breit ist das Spektrum. Und so haben wir in Bayern neben Bierköniginnen, Hopfen-, Apfel-, Spargel-, Most-, Weißwurst-, Honig-, Bio-Königinnen auch eine Bayerische Milchkönigin und Milchprinzessin, um nur einige der gut über 150 Produktköniginnen/-prinzessinnen/-könige/-prinzen in Deutschland zu nennen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, solange sich Frauen oder Männer finden, die sich zur Wahl aufstellen.

Männer sind dabei häufig in der Minderheit – es handelt sich ja um KönigINNEN. Gender-Auslese findet hier bereits im Vorfeld statt. Warum nicht mal ein Mann als Spargel- oder Bayerischen Bierkönig? Das wäre doch eine Sache. Nur, müssten sich eben die Männer in ein von Frauen dominiertes Feld wagen. Der Fairness halber ist anzumerken, dass es bereits Zwiebel- und Milchkönige sowie männliche Interessenten für den Posten der Bayerischen Bierkönigin gegeben hat. Jener wurde aber vom Bayerischen Brauerbund abgelehnt. Eines der Argumente des Brauerbunds: Gerade Männer seien für den massenhaften Konsum von Bier verantwortlich, weshalb ein Bierkönig zu sehr an Ballermann erinnere und nicht für den maßvollen Genuss, für den der Brauerbund stehe.

Warum wird überhaupt eine Majestät gekürt, wenn es keine „Tradition“ hierzu gibt – der Bayerische Brauerbund führte vor rund zehn Jahren die „Tradition“ der Bierkönigin ein und so wurde 2009 erstmals eine Bayerische Bierkönigin gewählt. Die Dirndl-Königin am Gillamoos – in ihren Anfänge als Dirndl-Bäuerin bezeichnet – gibt es seit 1971, seit 2003 eine Glaskönigin aus Zwiesel, oder im vergangenen Jahr neu etabliert die Goaßmaß-Königin am Straubinger Gäubodenvolksfest. Die Erfindung ist zumeist als reine Marketing-Strategie zu entlarven. Das passt ganz gut zur Aussage einer niederbayerischen Brauerei, dass es sich bei der Bierkönigin um ein „Produkt“ handelt. Na, Prost Mahlzeit! Oder ist da Hopfen und Malz verloren?

Anders beispielsweise verhält es sich bei den Faschingsvereinen: Zu jeder Faschingsprinzessin gibt es einen Prinzen. Also warum nicht ein Zeichen der Gleichstellung setzen und zwei bzw. drei Geschlechter – männlich, weiblich und neu auch divers – im wahrsten Sinne des Wortes in den Ring steigen lassen. Die Jury bzw. das Publikum entscheidet. Es gilt Mut zu haben: Sowohl von Seiten der Veranstalter, der Bewerber*innen und der Öffentlichkeit. Sonst regnet es weiter Prinzessinnen und Königinnen, die scheinbar nur „Produkte“ sind.

CD
(Foto: Forum Moderne Landwirtschaft e.V.)

Bildliche Redewendungen

Bücher zum Thema Redewendungen

In vielen Kommunikationssituationen, ob bei umgangssprachlichen Unterhaltungen im Bekanntenkreis, bei öffentlichen Ansprachen oder in der Literatur – überall begegnen uns bildhafte Redewendungen und Sprichwörter. Sie sind als Stilmittel willkommen, weil sie unsere Sprache generell und die individuelle Ausdruckfähigkeit im Besonderen bereichern. Ihre Botschaft ist meist allgemein verständlich. Dagegen erklärt sich ihre Herkunft nicht automatisch, weist diese doch häufig weit in die Kulturgeschichte zurück. Sprichwörtlich gesagt: Ob man redet, wie einem der Schnabel gewachsen ist oder nur seinen Senf dazugibt, diplomatisch durch die Blume spricht, ob die Worte elegant aus der Feder fließen oder ob man mit spitzer Feder schreibt; für beinahe jede Situation findet sich eine passende Redewendung. Der jeweilige Ursprung hingegen erweist sich oft als Buch mit sieben Siegeln.

Will man also Verborgenes zu Tage fördern, sollte man auf den Busch klopfen. Das praktizieren die Treiber mit Stöcken, um bei Treibjagden das verborgene Wild aufzuscheuchen. Wanderer verlaufen sich gelegentlich im Wald. Dann sind sie auf dem Holzweg. Gemeint ist ein Stichpfad abseits des Hauptwegs, der ins Nichts führt. Denn Holzwege werden von den Forstverwaltungen zu einzelnen Waldparzellen hin angelegt, einzig um von dort das gefällte Holz abzutransportieren. Also gilt für Spaziergänger mit Orientierungsschwierigkeiten die Aufforderung zur Achtsamkeit „Holzauge, sei wachsam!“. Ursprünglich war dies die zünftige Mahnung an Zimmerer- und Schreinerlehrlinge, nicht über einen Ast im Holz, ein Holzauge, zu hobeln, um das Werkzeug nicht zu beschädigen. Es soll aber extrem ungeschickte Menschen geben, von denen behauptet wird, sie seien dumm wie Bohnenstroh. Dieser Vergleich rührt vom groben Ernterückstand der Stangenbohnen her, der im Gegensatz zum Getreidestroh zu fast nichts mehr zu gebrauchen ist. Trotzdem, selbst der klügste Mensch macht Fehler – manchmal zu viel. Dann könnte es heißen: Das geht auf keine Kuhhaut. Diese Redewendung führt einerseits zu den vielschreibenden Mönchen des Mittelalters zurück, die ihre Schriften auf Pergament aus Kälber- und Schafhäuten verfassten. Andererseits herrschte der Volksglaube, der Teufel würde die Verfehlungen der Menschen notieren. Manchmal sollte dazu eine Kuhhaut nicht ausreichen. Wer ohne Selbstreflexion lediglich andere kritisiert, will nur den Splitter im fremden Auge sehen. Dabei handelt es sich um eine biblische Redensart (Matth., 7, 3-5). Daraus erklärt sich der Splitterrichter. Der Begriff gilt als Schöpfung Martin Luthers, ebenso wie dessen Erweiterung des Matthäus-Wortes: „Was siehest du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge!“. Wo die Dinge letztlich doch noch gut oder glücklich gelaufen sind, hört man oft: Schwein gehabt! Glücklich schätzen konnte sich früher nämlich, wer (ein) Schwein hatte und nicht hungern musste. Wegen seiner bauchigen Form  nutzt man seit dem 17. Jahrhundert das Sparschwein zur Geldaufbewahrung. Auch auf diese Weise erweist sich das Schwein manchmal als Glücksschwein.

Viele Redewendungen lassen sich auf Zünfte und alte Handwerksberufe, also auf Berufsfachsprachen zurückführen. Andere knüpfen an die heimische Flora und Fauna an; sie gelten als naturkundlich begründete Redensarten. Selbstredend ist die Bibel für manchen Spruch gut. Und nicht zuletzt hat uns die mittelalterliche Rechtspflege ein beachtliches Sprachrepertoire beschert. Sich mit diesem traditionsreichen, aber nach wie vor lebendigen Sprachschatz zu beschäftigen, ist nicht nur interessant Es macht gleichermaßen Spaß.

MS

Das Bier und seine Reinheit

Seit 1994 feiert der Deutsche Brauer-Bund jährlich am 23. April den Tag des deutschen Bieres. Der historische Grund hierfür ist, dass die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. am 23. April 1516 verordneten, dass nur noch Wasser, Hopfen und Gerste zur Bierherstellung verwendet werden durfte. Diese Wahl der Zutaten ergab sich daraus, dass zum einen Weizen für das Brotbacken geeigneter war und gesichert werden sollte. Zum anderen war bekannt, dass Hopfen eine reinigende und konservierende Wirkung hat.

 

Durch das vorherige Aufkochen des Wassers konnte mit Hopfen und Gerste ein Getränk hergestellt werden, das gesundheitlich deutlich weniger bedenklich war als das in einigen Fällen qualitativ schlechte Trinkwasser. Die Verordnung der Herrscher schuf so faktisch das Reinheitsgebot. Auch wenn der Begriff erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts genutzt wird.

 

Mit dem Reichsgesetz von 1906 wurden die Regelungen des bayerischen Reinheitsgebotes für die Herstellung untergäriger Biere im gesamten Deutschen Reich übernommen. In der Weimarer Republik trat Bayern zwar 1919 dem norddeutschen Biersteuergebiet bei, erwirkte jedoch für sich, dass in bayerischem Gebiet weiterhin das Reinheitsgebot galt. Im Jahr 1924 folgte das Verbot für die Zugabe von Zucker oder Süßstoff beim Brauen, das bis heute für bayerische Brauereien gilt.

 

Die aktuell bindende deutsche Rechtsgrundlage zum Brauen von Bier ist im 1993 erlassenen, vorläufigen Biergesetz verschriftlicht. Es erlaubt unter § 9 beim Brauen „von besonderen Bieren“ von den Limitierungen des Reinheitsgebots abzuweichen, sofern die zuständigen Landesbehörden dies zulassen. Berliner Weiße (Milchsäurenachgärung) oder Leipziger Gose (Salz, Koriander) sind zwei prominente Beispiele hierfür. Solche Ausnahmen lehnen die bayerischen Behörden jedoch strikt ab.

 

Die uneinheitliche Rechtsprechung in Deutschland nehmen Kritiker des Reinheitsgebots zum Anlass, dessen Abschaffung zu fordern. Des Weiteren wird von ihnen damit argumentiert, dass das Reinheitsgebot bayerische Brauereien daran hindert, die seit wenigen Jahren boomenden Craft-Biere zu brauen. Dieser Vorwurf steht jedoch auf einem schwachen Fundament, da sich ein Großteil der Craft-Bier-Sorten wie ein fruchtig-hopfiges Indian Pale Ale oder ein würziges Stout im Rahmen des Reinheitsgebots brauen lassen und nur das Brauen mancher Sorten wie z. B. Lambic oder Witbier nicht möglich ist.

 

Ungeachtet hiervon kann man die Kritik am Reinheitsgebot als Anlass nehmen, die geltende Bier-Gesetzgebung in Deutschland zu hinterfragen. Eine neue Gesetzgebung könnte beispielsweise über ein Verbot des vielfach genutzten Kunststoffs Polyvinylpyrrolidon (PVPP), der unerwünschte Gerbstoffe bindet und dafür sorgt, dass das Bier lange klar bleibt, nachdenken. Der Einsatz dieses Stoffes muss bisher nicht auf dem Etikett vermerkt werden, da er vor der Abfüllung weitestgehend herausgefiltert wird. Mit der Vorstellung von Reinheit geht der intensive Kontakt von Bier und Kunststoff bei den meisten Verbrauchern aber vermutlich nicht einher. So gesehen sind ungefilterte Biere, die optisch aufgrund ihrer Trübung nicht direkt an Reinheit denken lassen, zumindest ein Garant dafür, ein nicht derart mit Kunststoff gefiltertes Bier zu bekommen.

 

LS

 

Ostergaben

Osterkörbe vor dem Altar

An Ostern, dem höchsten und ältesten Fest der Christen, wird die Auferstehung Jesu von den Toten gefeiert. Das Johannes-Evangelium spricht von Christus als Lamm, das geopfert wurde. Deshalb gehört ein Lamm aus süßem Teig traditionell in den Osterkorb, der in der Osternacht oder am Ostersonntag zur Speisenweihe in die Kirche gebracht wird.

Speisensegnungen haben eine lange Geschichte. Zum Osterfest gehören sie wie die Freude über die Auferstehung: Endlich ist die Fastenzeit vorbei. In der Wahl der Osterspeisen – vor allem gefärbte Eier, Brot, Salz und geräuchertes Fleisch – lässt sich die bäuerliche Tradition ablesen. Die Eier werden noch immer als symbolhafte Ostergaben gebraucht.

Beim gemeinsamen Osterfrühstück steht, wie beim Abendmahl, die Tischgemeinschaft im Vordergrund. Eine üppige Mahlzeit gehört für Viele daher zwingend zu den Osterfeiertagen – egal, ob gläubiger Kirchgänger oder geselliger Familienmensch.

MS

Arche für viele Lebewesen

Während ihre Familienmitglieder Berg- und Feldulme seit über hundert Jahren vom sogenannten „Ulmensterben“ – einem Kollateralschaden durch Ulmensplintkäfer und einen durch den weltweiten Holzhandel verschleppten Pilz – betroffen sind, ist die Flatterulme deutlich widerstandsfähiger und weitestgehend immun gegen die Krankheit. Dennoch steht die Baumart auf der Roten Liste der bedrohten Arten, da ihre Lebensräume – Flussauen und feuchte Standorte – in den vergangenen Jahrhunderten schrumpften. Deshalb verwundert es nicht, dass die Flatterulme 2019 zum „Baum des Jahres“ gekürt wurde.

Zahlreiche Tierarten leben auf Ulmen, einige wie der Ulmen-Zipfelfalter sogar ausschließlich. Manche, wie der Ulmenblattfloh, ein Verwandter der Blattläuse und Zikaden, kommen sogar nur auf der Flatterulme vor. Dort ist dieses kleine Insekt ein wichtiger Honigtau-Produzent, was in Zeiten des Bienensterbens durchaus ein wichtiger Faktor ist. Allgemein ist die Flatterulme eine regelrechte „Arche“ für alle auf Ulmen angewiesenen Tierarten.

Heutzutage schätzt man die Flatterulme, weil sie mit ihren bis zu 40 Metern Wuchshöhe, 400 Jahren Lebenserwartung und ihrer extremen Zähigkeit gegenüber widrigen Bedingungen viele wertvolle Verwendungsmöglichkeiten als Stadtbaum, Wasserwirtschafts- und Landschaftsgehölz und als Forstbaum, der ein vielseitig nutzbares Nutzholz liefert, hat.

Das Hauptverbreitungsgebiet der Flatterulme liegt im kontinentalen Osteuropa und in den neuen Bundesländern, erstreckt sich aber auch bis Nordfinnland, Spanien und Italien. Am ehesten ist noch in größeren Flusstälern anzutreffen, wo sie mit ihren charakteristischen Brettwurzeln wechselnde Wasserstände und Hochwasserfluten bis zu 200 Tage gut abfedern kann. Auch für die natürliche Verjüngung über die zahlreichen, mit Flügeln versehenen Samen ist sie auf Hochwässer angewiesen. In Bayern ist die Flatterulme insgesamt relativ weit verbreitet, aber nur in wenigen Regionen kommt sie häufig vor. Besonders in den Donauauen sowie in den Bach- und Sumpfwäldern Frankens tritt sie regelmäßig auf. An Iller, Lech, Isar und Inn finden sich immer wieder Flatterulmen in sehr naturnahen Beständen. Obwohl sie frosthart ist, ist sie in Bayern kaum höher als auf 600 Metern anzutreffen, in Ostbayern sogar nur bis rund 360 Meter.

Die Flatterulme ist auch ein sehr robuster Stadtbaum. Dennoch findet man sie z. B. in Landshut nur noch sehr selten, unter anderem in einem ca. 170 Jahre alten Alleebestand auf der Ringelstecherwiese, in der Oberen Aue, am Fuß der Isarhangleite in Schönbrunn, auf den Böschungen der Flutmulde, sowie im Bahnhofswald und auf dem eigentlichen Gelände des Hauptbahnhofs. In Pfarrkirchen ist beispielsweise eine beachtliche Flatterulme vor dem Bahnhof zu bewundern.

Für das Landschaftsbild können Flatterulmen gestalterisch sehr wertvoll sein. Ihre zähe Natur trägt dazu bei, dass die Bäume alt werden. Die dekorativen Brettwurzeln, das kanariengelbe Herbstlaub und die namensgebenden Blüten machen sie unverwechselbar. Sie trägt ihren Namen wegen der lang gestielten Blüten und Früchte, die erst ab einem Alter von 20 bis 30 Jahren auftreten und im Wind flattern. Sie erscheinen bereits im Februar vor dem Laubaustrieb in großer Fülle. Die Blätter sind an der Basis besonders asymmetrisch und die Blattadern meist nicht verzweigt – sichere Unterscheidungsmerkmale zu Berg- und Feldulme.

Über 50 Exemplare der Flatterulme, deren Stämme zum Teil mehr als einen Meter dick sind, kann man auf der Landshuter Ringelstecherwiese bewundern. Weil dieser Bestand so bemerkenswert ist, findet in diesem Jahr die bayernweite Fachtagung zum „Baum des Jahres“ in Landshut statt: am 18. Juli im Bernlochnersaal, mit anschließender Exkursion in die Isaraue; ausgerichtet von Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Bayerischer Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft und dem Naturwissenschaftlichen Verein Landshut. Am 13. April lädt der Naturwissenschaftliche Verein Landshut (NVL) alle Naturinteressierten zu einem Auenspaziergang ein und stellt alles Wissenswerte rund um diese Baumart vor.

HW
(Foto: Dr. Stephan Müller-Kröhling)

Ackern wie ein Gaul – Niederbayern und die Pferde

Drei Rottaler Pferde

„Wenn man ein Pferd verliert, steht im Haus die Uhr“, so kommentierte ein bekannter niederbayerischer Haflingerzüchter den Unfalltod seiner besten Stute. Aus diesem Satz spricht die große Wertschätzung und tiefe Verbundenheit dem Tier gegenüber. Der Verlust eines Pferdes ist nicht nur für Züchter ein einschneidendes Erlebnis. Denn die seit 2300 vor Christus in Bayern domestizierten Tiere haben bis ins 20. Jahrhundert hinein enorm viel für die Menschen geleistet. Insbesondere in Niederbayern entwickelte sich eine besondere Beziehung zu den Rössern.

Ab dem 13. Jahrhundert lösten sie die Rinder als Pflugtiere ab, da sie schneller und effizienter waren. Jahrhundertelang übernahmen sie Feldarbeiten für den Menschen, bis sie durch Maschinen ersetzt wurden. Im Bayerischen Wald leisteten sie unentbehrliche Dienste bei der Holzarbeit.

Doch nicht nur in der Landwirtschaft waren sie von großem Wert. Die Erfindung des Kummets ermöglichte es, die Kraft mehrerer Pferde zu vereinen. Das war auch dem aufkommenden Handelsverkehr zuträglich. Transportrouten wie der von den Salzsäumern viel bereiste Goldene Steig und die an ihn angrenzenden Städte gewannen in der Folge erheblich an Bedeutung dazu.

Auch im Krieg leisteten Pferde den Menschen viele Jahrhunderte hindurch mit Ihrer Geschwindigkeit sehr wertvolle Dienste. Aufgrund ihrer militärischen Bedeutung war die Kavallerie lange den Adeligen und Wohlhabenden vorbehalten. Diese zeigt sich auch in den Gemälden der europäischen Herrscher: Fast alle ließen sich hoch zu Ross malen.

Im Zuge der sich ändernden Kriegsführung im 20. Jahrhundert, in der Neuerungen wie automatische Schusswaffen, Grabenkämpfe, Stacheldraht, Giftgas und Panzer die kriegerischen Auseinandersetzungen prägten, schwand die militärische Effektivität von Pferden stark. Ungeachtet hiervon erbrachten sie als Last- und Transporttiere weiterhin essentielle Leistungen im Krieg. Bei Paraden und Trauerzügen unterstreichen Pferde bis in die Gegenwart hinein die Bedeutung von Militärs und Staatsmännern. Erinnert sei an den Trauerzug Ronald Reagans, bei dem 2004 ein Pferd mitlief.

Neben anderen Herrschern hatte auch der Märchenkönig Ludwig II. eine Schwäche für Pferde. Sein Lieblingspferd Cosa Rara ließ er präparieren, seinen berühmten Puttenschlitten von Rottaler Pferden ziehen. Diese niederbayerischen Warmblüter hatten als Kutsch- und Reitpferde große Bedeutung. Gegenwärtig gehören sie zu den extrem vom Aussterben bedrohten Pferderassen Deutschlands. 2013 gab es der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) zufolge insgesamt nur noch 27 Tiere. Durch Erhaltungszucht versucht man die Rasse zu retten.

Seit dem späten Mittelalter wurde die Pferdezucht in Bayern von staatlicher Seite gefördert. Im Zuge hiervon wurde u. a. 1769 in Landshut das „Churfürstliche und landschaftliche bairische Landgestüt“ geschaffen. Es vermittelte Deckhengste an Bauern, um deren Pferdebestand zu verbessern, musterte die Fohlen und führte Zuchtbücher und -register.

Schon lange benötigen die Menschen das Pferd nicht mehr als Nutztier. Heute dient es eher der Liebhaberei oder sportlichen Betätigung. Dieser Wandel trägt vermutlich zusätzlich dazu bei, dass es gegenwärtig nur noch verhältnismäßig wenige Rossmetzger in Niederbayern gibt. Denn wer möchte schon seinen Sportsfreund essen? Wie sich die Beziehung zwischen Mensch und Pferd im Zeichen des kulturgeschichtlichen Wandels weiterentwickelt, kann nur die Zukunft zeigen. Es steht aber wohl außer Frage, dass die große Zeit der Pferde vorbei ist.

LS
(Foto: Sabine Bäter)

Zwischennutzung als Chance für Kunst und Kultur

Fensterfront eines leer stehenden Gebäudes

Ländliche Kommunen haben mit Abwanderung und Überalterung zu kämpfen – auch in Niederbayern. Sinkende Einwohnerzahlen, aber auch überhöhte Mieten haben oftmals Leerstände in der Ortsmitte zur Folge. Dies wiederum fördert deren Attraktivität keinesfalls, sondern strahlt eher Tristesse aus. Ein Teufelskreis?

Fest steht: Gelingt es, leerstehende Gebäude zu revitalisieren, hebt dies die Lebensqualität vor Ort. Doch gerade bei sanierungsbedürftigen Gebäuden ist eine Neubelegung mit viel Geld, Aufwand und zeitintensiver Planung verbunden. Eine attraktive Lösung – zumindest mittelfristig – kann in einer Zwischennutzung liegen. Mit kulturellen Inhalten befüllt, bietet sie nicht nur Kreativschaffenden Raum für ihre Ideen, sondern hat für Eigentümer und Immobiliengesellschaften auch imagesteigernde Wirkung und verschafft ihnen Zeit, die Sanierung in aller Ruhe anzugehen.

Die temporäre Erscheinung fordert von den kreativen Nutzern, aus der befristeten Zeit so viel wie möglich herauszuholen. Dies hat durchaus positive Auswirkungen: Man improvisiert, öffnet sich für Vernetzungen, lässt auch Flüchtiges zu. So werden ehemalige Supermärkte und Fabrikräume zu Experimentierräumen. Die bei Zwischennutzungen üblichen geringen Mieten eröffnen die Möglichkeit, neue Ideen ohne großes finanzielles Risiko auszuprobieren.

Gelungene Beispiele aus der regionalen Praxis gibt es bereits: In Landshut wurde ein ehemaliger Norma-Supermarkt für einige Jahre zur Produzentengalerie. Ein Zusammenschluss bildender Künstler nutzte die Räumlichkeiten als Atelier und stellte sie zugleich als Ausstellungs- und Konzertraum zur Verfügung. Große Fensterflächen boten Einblick ins Geschehen und luden trotz des leicht maroden Charmes des Gebäudes ins Innere ein.

Nachdem die Gemeinde Salzweg mit dem Wegfall zweier Supermärkte und eines Lagerhauses strukturelle Eingriffe erfahren und zugleich zahlreiche Asylbewerber aufgenommen hatte, wurde ein ehemaliger Edeka-Supermarkt in einen Bürgertreffpunkt umgewandelt. Geringer Einsatz unter Teilnahme der Bevölkerung entfaltete große Wirkung: Binnen weniger Tage wurde eine temporäre Nutzung als Veranstaltungs- und Ausstellungsraum sowie als Bürgerforum ermöglicht. Zudem wird dort mit Unterstützung der örtlichen Asylbewerber ehrenamtlich ein Café betrieben, das sich als Begegnungsstätte verdient macht. Die Fassade erhielt einen Teilanstrich mit weithin sichtbarem Logo des Projekts. Und ein lokaler Schreiner fertigte stilvolle Möbel, so dass das ansonsten baulich unveränderte Objekt merklich aufgewertet wurde und Präsenz im Ort zeigt.

Zu einem großflächigen Austausch zwischen Kreativen lädt derzeit das Projekt „SP CE“ in der Alten Akademie München ein: Das Objekt mitten in der Fußgängerzone, einst Jesuitenkloster, bietet in einer Zwischennutzung bis Ende Mai 2019 Kreativen aus den Bereichen Musik, Literatur, Film, Kunst, Architektur, Design und Software/Games die Möglichkeit, Kooperationen einzugehen, sich vor Ort zu vernetzen und kurzzeitige Kreativräume zu schaffen. Auch niederbayerische Künstler erhalten über die Initiative „Silicon Vilstal“ die Möglichkeit, sich dort mit Ausstellungen und Aktionen zu präsentieren.

Zwischennutzung überzeugt: Sie macht kreative Aktivitäten sichtbar, bietet Raum für unkonventionelle Entfaltung, ist außergewöhnlicher Anziehungspunkt für die Bürgerschaft und gibt verlassenen Gebäuden ihre positive Ausstrahlung zurück. Politik und Ortsplanung können ihren Beitrag leisten, indem sie als Mittler zwischen Immobilienbesitzern und Kreativen fungieren und Konzepte zur Ansiedlung von Künstlern und Kreativen entwerfen.

VK
(Foto: Paul Keglmaier)

Heimatsound oder: Was habe ich nicht verstanden?

Band mit E-Gitarre

Während der frühmorgendlichen „radioWelt“, dem aktuellen Magazin auf Bayern2, kündigte der Moderator erst kürzlich einen Musiktitel an, und zwar mit folgenden Worten: „Und jetzt kommt Heimatsound aus München – Jamaram mit Diamond Girl“. Dann folgte ein Reggae mit englischem Text. Stilistik und Sound ließen nichts erkennen, was man auch nur annähernd als Heimatsound deklarieren bzw. mit Heimat in Verbindung bringen könnte. Dies war erstaunlich, aber es war nicht das erste Mal, dass man im Bayerischen Rundfunk unter der Bezeichnung Heimatsound einen Musiktitel hören konnte, der keinerlei Assoziation zu Bayern ermöglichte.

Um an dieser Stelle keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es geht hier nicht darum, die achtköpfige Band Jamaram zu kritisieren. Die Musiker sollen selbstverständlich spielen, was ihnen gefällt. Außerdem lieferten sie mit ihrem Song einen eigenen Titel ab, der gut interpretiert und ebenso gut eingespielt war. Sie erwiesen sich als Profis, ihre Musik ist ansprechend; sie trifft den populären Musikgeschmack. Ebenso wenig soll hier ein Plädoyer auf die vermeintlich „gute, echte“ und unveränderbare Volksmusik gehalten, geschweige denn die Käseglocke über einen Musik-Konservatismus gestülpt werden, der von vorneherein auf tönernen Füßen stand. Im Gegenteil: Die Bezirksheimatpflege, insbesondere in Niederbayern, gehört wohl zu jenen Institutionen, die der Neuen Volksmusik und dem Tradimix, aus dem der Heimatsound überhaupt erst hervorgehen konnte, schon in den frühen 1990er-Jahren fachlich den Weg geebnet haben. Das vollzog sich damals übrigens nicht ohne erhebliche Widerstände der Traditionalisten.

Aber wer heute auch immer die Deutungshoheit über den Begriff „Heimatsound“ beansprucht: Was ist der Grund, dass man englischsprachige Popmusik wie den genannten Titel „Diamond Girl“ als Heimatsound aus Bayern deklariert? Melodisch, rhythmisch, harmonisch und auch instrumental erinnert nichts an Heimat – zumindest nicht an eine bayerische oder alpenländische. Es kommt im Text auch kein einziges Wort in deutscher Sprache vor, von irgendeinem Regional- oder Ortsdialekt gar nicht zu reden.

So stellt sich generell die Frage: Was zeichnet den Heimatsound aus? Genügt es etwa schon, wenn die Musiker aus Bayern stammen oder in Bayern wohnen? Oder gibt es irgendwelche anderen Kriterien? Und wenn, wer legt sie fest? Oder ist sowieso alles „wurscht“? Also: Was habe ich u. a. als Musikwissenschaftler, der Musik zu analysieren gelernt hat, nicht verstanden? Vielleicht kann mich jemand fachlich fundiert aufklären.

MS

Heimat – erst verkannt, dann wiederentdeckt

Das Dorf Gehmannsberg aus der Vogelperspektive

Heuer sind es 40 Jahre: Im Jahr 1979 lud die Deutsche Gesellschaft für Volkskunde zum Kongress „Heimat und Identität. Probleme regionaler Kultur“ nach Kiel ein. Namhafte Volkskunde-Lehrstuhlinhaber deutscher Universitäten hatten „Heimat“ zum kulturwissenschaftlichen Betrachtungsgegenstand erhoben. Damit begann die historische Aufarbeitung des Heimatbegriffs, allerdings begrenzt auf eine überschaubare Anzahl von Akademikern aus so genannten Orchideenfächern.

Ansonsten interessierten sich damals weder die Gesellschaft noch die Politik für dieses politische Thema. Zu unwichtig schien dies in wirtschaftlich prosperierenden Zeiten. Zeitlich zu nah lag noch der nationalsozialistische Heimat-Missbrauch. Posttraumatisiert ließ sich allenfalls von links pauschal und bequem in die rechte Ecke stellen, was mit Heimat in Verbindung zu bringen war. Als ewige Gestrige scherte man Trachtenträger und Heimatpfleger lange Zeit über einen Kamm – nicht nur in den Medien. Kaum jemand wollte bemerken, dass sich seit den 1980ern eine neue Kulturhistoriker-Generation in der Heimatpflege etablierte, die – anstatt weltvergessen Heimatlieder vor sich hinzuträllern und Trachtenknöpfe abzuzählen – zur kritischen Analyse des Vergangenen und Gegenwärtigen fähig war. Doch dies passte nicht ins Klischee: Die Verweser überlebten Vätererbes empfanden diesen Aufbruch als Nestbeschmutzung, während Medien weiterhin bevorzugt das Bild von den Heimat-Exoten aufrecht hielten. Thema und Interpretation zeigen, wie Scheuklappen den Blick verengten, und zwar von jeder Seite, und vielleicht nicht nur damals. Denn Heimat ist mehr als ein wenig Volkstumspflege zwischen Kitsch, Kultur und Politik.

Offensichtlich sind es Krisen, die das Thema Heimat auf den Plan rufen: Im 19. Jahrhundert waren es die Industrielle Revolution und die gesellschaftlichen Umwälzungen. Gegenwärtig sind es die rasanten Umbrüche, die mit der Globalisierung, Urbanisierung, Migration und Digitalisierung einherschreiten. Wo solche Ängste im Spiel sind, lässt die Sehnsucht nach Sicherheit, Überschaubarkeit und Kontinuität nicht lange auf sich warten. Immer dann wird Heimat, die man gern im Ländlichen zu finden glaubt, zum Kompensations(w)ort, sei es nun fiktiv oder real.

Fast 40 Jahre nach dem ersten wissenschaftlichen Heimat-Kongress nimmt man sich jetzt – nicht mehr zu früh – von staatlicher Seite des Themas an. Man hat Heimatministerien gegründet, zuerst auf Landesebene in Bayern, zuletzt auf Bundesebene. Von der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist die Rede. Das signalisiert Dörfern, Kleinstädten und Landgemeinden staatliche Zuwendung „von oben“. Abzuwarten bleibt, was für das Land dabei wirklich herausspringt. Mit ein paar Heimatfesten mehr wird es nicht getan sein.

MS
(Foto: Klaus Leidorf)

Das Karteln – der Bayern Lust

Karteln ist ein lustvoller Zeitvertreib. Schafkopf und Watten sind hierzulande zweifellos die bekanntesten und beliebtesten Spiele. Viele Spielgruppen treffen sich über Jahre hinweg in fester Konstellation. Gespielt wird dabei meist zu viert. Spielvarianten mit einer abweichenden Zahl an Spielern sind aber möglich.

Im Unterschied zum Watten, das nur Zweierteams kennt, gibt es beim Schafkopf verschiedene Formen des Einzelspiels (Solo, Wenz, Wenz-Tout usw.). Dann misst sich ein Spieler mit allen anderen. Beim sogenannten Ramsch spielen wiederum alle gegeneinander. Zudem klärt sich beim variantenreichen Schafkopf erst zu Beginn – nach dem „Ruf“ des Spielmachers –, wer mit wem zusammenspielt. Die Teams beim Watten stehen dagegen von Anfang an fest.

Die Unterschiede zwischen den Spielen zeigen sich insbesondere auch bei der Kommunikation während des Spielverlaufs. Beim Schafkopfen ist es sträflich verboten, durch eine Andeutung eine Information zu geben oder an eine des Mitspielers zu gelangen. Fliegt ein solcher Betrugsversuch auf, wird sofort „zamgworfn“ und der Ertappte muss die Runde zahlen. Ganz anders sieht es beim Watten aus: Das Andeuten macht hier erst den eigentlichen Witz des Spiels aus. Vom Spitzen der Lippen, über blinzeln bis hin zum Zucken mit der Schulter gibt es eine Vielzahl von Geheimzeichen. Diese nutzt man, um sich mit dem Partner auszutauschen, möglichst ohne dass das gegnerische Team mitbekommt, was „odeit“ wird. Um die Beteiligten in die Irre zu führen, kann ein Spieler auch Karten andeuten, die er gar nicht hat. Dann blufft er wie beim Poker oder dem französischen Truc. Je nachdem wie geschickt odeit wird, wissen beide Teams mehr oder weniger über das Blatt der Gegner Bescheid. Wer sich dabei allerdings ungeschickt anstellt, verunsichert auch seinen Spielpartner. Um es mit den Worten des Oberpfälzer Schriftstellers Eugen Oker zu sagen: Watten ist „eine deftige, hinterfotzige Pantomime, eine Komödie im Sitzen mit tragischen Akzenten“. Erlernt werden kann es ihm zufolge nicht; einzig das „bayrisch Herz“ befähigt zum Spielen. In jedem Fall sind beide Spiele unbestreitbar tief in der bayerischen Kultur verwurzelt. Außerdem bieten sie denjenigen Freizeitvergnügen, die Freude an Logik und Konzentration haben oder das Vortäuschen und Interpretieren zu nutzen wissen.

Viele Jahrhunderte hindurch wurde das Kartenspiel von der Kirche als „Gebetbuch des Teufels“ geschmäht. Heutzutage bewertet man ganz anders. Erst vor wenigen Wochen hat sich der Verband der Lehrkräfte an Gymnasien und der Philologenverband sogar für das Schafkopfen im Unterricht ausgesprochen, eben weil es auf Logik aufbaut und konzentrationsfördernd ist. Watten musste dagegen um seine Existenzberechtigung fürchten. Da nicht alle Karten zu Beginn ausgegeben werden wie beim Schafkopf, wurde das Watten im letzten Jahr zum illegalen Glücksspiel erklärt. Diesen Bann hat der bayerische Innenminister aufgehoben, in der Auffassung, dass hier überzogen wurde, und Karteln bewahrenswertes Kulturgut darstellt.

 

LS