Der Pfahl

„In weißer Zauberstunde,
Erstarrt im Sternenschein,
Gleißt überm Tannengrunde
Der Weiße Stein.
In übermoosten Tiefen
Drängt aus dem Felsenschacht,
Als wenn ihn Sterne riefen –
Der Quarz mit aller Macht.
Er dringt durch Felsenwände,
Von Inbrunst ganz erfüllt,
Dass sich in ihm vollende
Das Sternenbild.
In seeligem Erinnern
An das bestirnte All
Wächst tief im Felseninnern
Der Quarzkristall.“
(Siegfried von Vegesack (1888-1974))
Schnurgerade zieht sich der Pfahl auf einer Länge von 150 Kilometern durch den Bayerischen Wald: Als ob ein Riese mit einem Lineal den Bayerischen Wald in zwei Hälften zerteilt hätte. Was ist der Pfahl eigentlich? Und warum ragt er so majestätisch in den Himmel?
Im Erdaltertum, vor ungefähr 275 Millionen Jahren, als die Erde nur Insekten und Amphibien bevölkerten, waren die Kontinente stark in Bewegung. Dort, wo wir heute leben, entstanden Gebirgszüge, so hoch wie der Himalaya heute ist. Dabei wurde der vordere gegenüber dem hinteren Bayerischen Wald massiv angehoben. An der Bruchstelle drang kieselsäurehaltiges Wasser ein. So bildete sich in sechs Kilometern Tiefe eine Quarzwand aus.
In den vielen Millionen Jahren, die seitdem vergangen sind, haben Wind und Wasser das Gestein abgetragen, das die Quarzwand umgab. Was sie aber nicht abtragen konnten, das war das Quarzgestein, das viel härter und widerstandsfähiger ist. Und deswegen ragen auch zum Beispiel in der Nähe von Viechtach, Patersdorf oder Cham schroffe, kahle, hell-leuchtende Quarzfelsen in den Himmel. Diese Felsen haben die Menschen „Pfahl“ genannt.
Ein paar Kilometer südöstlich von Regen thront die Burgruine Weißenstein auf dem Pfahl. Burg auf dem „weißen Stein“ nannte man sie, als sie im 12. Jahrhundert von den Grafen von Bogen erbaut wurde. Im 30-jährigen Krieg haben schwedische Truppen die Burg verwüstet. 1742 ist sie, während des Österreichischen Erbfolgekriegs, endgültig zerstört worden. Seitdem liegt die Hauptburg auf dem Pfahl in Trümmern.
Am Fuße des Felsens steht seit 1762 ein großer Turm. Er diente als Getreidekasten. Dort mussten die Untertanen den „Zehent“, den zehnten Teil ihrer Ernte abgeben. Ganz ähnlich funktioniert heute die Einkommensteuer. 1918 kaufte der Schriftsteller Siegfried von Vegesack (1888-1974), von dem auch das einleitende Gedicht ist, den Turm. Dort entstanden in den fast 50 Jahren, die er dort wohnte, 42 Bücher, zahlreiche Theaterstücke, Übersetzungen und Gedichte. Seinen zweiten Roman, der 1932 im Verlag Büchergilde Gutenberg (Berlin) erschien, nannte er „Das Fressende Haus“. Das „Fressende Haus“ ist natürlich der Turm, in dem er wohnte. Ihn zu erhalten kostete ihn einfach so viel Geld. In seinem Roman schildert er einen Fremden, der nach Weißenstein kommt, staunend das Leben der „Waldler“ betrachtet, schließlich den Turm kauft und sich ruiniert, weil die Instandhaltungskosten ihm über den Kopf wachsen.
Dank des Engagements des „spinnerten Barons“, wie ihn die „Walder“ nannten, wurde der Pfahl 1939 unter Naturschutz gestellt. Und in unmittelbarer Nähe zum „weißen Stein“ findet ist auch sein Grab.
CG
Foto: Schröder/Tourist-Information Regen
„MUSbi – Museum bildet!“ Ein Angebot für Schulen und Museen

Bayern ist das museumsreichste Bundesland. Die bayerische Museumslandschaft ist vielfältig. Sie zählt rund 1.300 kunst- und kulturhistorische, archäologische und technische Museen, naturkundliche Sammlungen, Freilicht- und Bauernhofmuseen, Schlösser und Burgen. Diese Vielfalt setzt sich in jedem der sieben bayerischen Regierungsbezirke fort. So kann selbst ein relativ kleiner Bezirk wie Niederbayern auf 130 Museen und Sammlungen unterschiedlichster Art verweisen.
Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich sowohl in der bayerischen als auch in der regionalen Museumslandschaft viel bewegt. Langjährig bestehende Museen – ob Kunstsammlungen, Stadtmuseen oder Heimatstuben – wurden sprichwörtlich „entstaubt“, ihre Ausstellungen heutigen Anforderungen gemäß überarbeitet. In jüngerer Zeit entstandene Einrichtungen, darunter viele Spezialmuseen, orientierten sich von vorneherein an den aktuellen Qualitätsstandards. Um nur einige Beispiele zu nennen: das archäologische Museum Quintana in Künzing (2001), die Steinwelten im Granitzentrum Bayerischer Wald (2005), die industriegeschichtliche Abteilung im Museum Dingolfing (2008), das Auswanderermuseum in Schiefweg (2010) oder das Museum für Steinzeit und Gegenwart im Kastenhof Landau (2019). Stets gilt es, dem Auftrag und Anspruch des Museums als Bildungseinrichtung gerecht zu werden.
„MUSbi – Museum bildet!“ ist neuerdings auch Programm und Bezeichnung für ein Modellprojekt, das 2014 vom Bezirk Oberfranken initiiert wurde. Nach Unterfranken (2017) schließen sich heuer die Bezirke Niederbayern und Oberpfalz an. „MUSbi“ ist eine Internetplattform (Web-App) und dient als Schnittstelle zwischen Museen und Schulen. Hier präsentieren sich Museen mit ihren museumspädagogischen Programmen, die sie speziell auf Schularten, Lehrpläne und Jahrgänge abstimmen. Diese Angebote unterstreichen die Rolle der Museen als außerschulische Lern- und Bildungsorte. Insbesondere Lehrkräfte können sich so gezielt über museumspädagogische Programme und Themenführungen als Unterrichtsergänzung informieren.
Für die Schüler bedeutet dies, „raus aus dem Klassenzimmer und mal wo anders was Neues erfahren …“, wie auf der MUSbi-Homepage (www.musbi.de) zu lesen ist: Wissenswertes soll dabei so gut rübergebracht werden, dass es auch Spaß macht. Oder anders gesagt: Anschauungsunterricht anhand von echten Objekten mit Geschichte. Ist das nicht cool? Übrigens, keine Lehrkraft muss sich sorgen. Die pädagogische Qualität des Angebots ist gesichert. Sämtliche Programme auf der Plattform werden überprüft: Administratoren stellen sicher, dass pädagogische Methoden und Materialien sowie Inhalte und Themen eng mit den bayerischen Lehrplänen abgestimmt sind. Wenn das kein Angebot ist!?
MS
(Foto:Freilichtmuseum Finsterau/Massing)
Alte Laienspieltradition – Neuer Laienspielberater

Schauspielerisches Talent und Spielfreude werden den Bayern gerne nachgesagt. Deshalb finden sich in der Literatur liebgewonnene Zuschreibungen wie die nachfolgende, durch die man sich dieser scheinbar diagnostizierbaren Charaktereigenschaften vergewissert: „Die Welt – ein Schauspiel, das ist der Gedanke, der alle Jahrhunderte hindurch die künstlerischen Vorstellungen des bairischen Volkes beherrscht hat. Sich selbst und die Welt zu spielen, darauf lief alle bairische Kunst hinaus“, schrieb einst der Literaturhistoriker Josef Nadler.
Die Vorstellung vom komödiantischen Bayern mag einerseits ein Klischee sein. Nicht jede/r besitzt das Talent oder hat Lust, sich auf der Bühne zu präsentieren. Andererseits gibt es in Bayern erstaunlich viele Menschen, die regelmäßig in Rollen schlüpfen.
Warum dies so ist, lässt sich mit der langen Theaterspiel-Tradition in Bayern erklären. Ihre Anfänge sind in den religiösen Bräuchen und mittelalterlichen Volksschauspielen zu finden. Seine Blütezeit erlebte das Volksschauspiel insbesondere im Barock. Die einst zahlreichen ländlichen Spielbräuche wie Hirten-, Stuben- Weihnachts-, Paradiesspiele, Sternsingen, Prozessions- und Passionsspiele zeugen davon. Mit der aufkommenden Vereinskultur im 19. Jahrhundert verselbständigt sich das Theaterspiel. Die Spielstoffe werden weltlicher. Es sind romantischen Ritter- und Räuberdramen, denen dann um die vorletzte Jahrhundertwende Volksstücke bayerischer Prägung, Bauerndramen und ländlichen Komödien, folgen.
Diese Theater-Tradition wird in breiten Kreisen der Bevölkerung fortgeführt und gepflegt. Bayernweit sind es etwa 2.000 Laienspielgruppen, die ihr Publikum jährlich mit wenigstens einer Produktion unterhalten und damit einen kulturellen Akzent in ihrer Gemeinde setzen.
Im Bezirk Niederbayern ist man sich dieses Engagements bewusst. Deshalb können die niederbayerischen Laienschauspieler auf Unterstützung zählen. Seit 1991 gibt es hier einen Laienspielberater, der in fachlichen Fragen weiterhilft und darüber hinaus Fortbildungskurse anbietet. Ferner hält der Bezirk Niederbayern seit 1998 einen Kostüm- und Requisitenfundus für niederbayerische Laienspieler vor. Auf der Homepage „www.laienspiel-niederbayern.de“ können sich regionale Theatergruppen präsentieren und ihre Theaterproduktion bewerben.
Seit 2020 steht mit dem niederbayerischen Schauspieler und Regisseur Wastl Goller ein neuer Fachberater für Theaterfragen zur Verfügung.
Wastl Goller absolvierte 2002 ein Schauspielstudium. Ab 2014 war er Schauspiel- und Regiedozent an der Athanor Akademie für darstellende Kunst, die er seit dem vergangenen Jahr hauptberuflich leitet. Gollers künstlerische Biographie weist zahlreiche Schauspielengagements an renommierten Bühnen auf. Er kann auf viele erfolgreiche Regiearbeiten verweisen. Darüber hinaus hat er als Theaterpädagoge gearbeitet und besitzt langjährige Erfahrungen in der Laientheater-Arbeit. Dies alles sind gute Gründe, die Kompetenz des niederbayerischen Laienspielberaters zu nutzen. Auch alte Traditionen bedürfen bei Zeiten neuer Impulse.
MS
Schwimmende Steine – Die Erhardi-Legende

Weithin sichtbar am höchsten Kamm des Isarhochufers liegt das Dörfchen Frauenberg bei Landshut. Über den Ort erhebt sich der schlanke Kirchturm der Wallfahrtskirche Maria Heimsuchung. Die Kirche wurde auf den Überresten einer romanischen Kapelle zwischen 1470 und 1480 im gotischen Stil neu erbaut. 800 Jahre früher errichtete an diesem Ort der heilige Erhard eine kleine Holzkapelle.
Wie aber kam der heilige Erhard, der aus Südfrankreich stammt, ins damals wilde Niederbayern, nach Frauenberg?
Erhard war ein Wandermönch und Gründervater zahlreicher Klöster; vor allem im Elsass. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts wurde er als Missionsbischof an den Regensburger Hof gerufen. Als er einmal in die Gegend von Altheim bei Landshut kam, brach eine Viehseuche aus und die Bauern flehten um seine Hilfe. Aber alles, was Erhard auch versuchte, es half nichts! Die Bauern wurden ärgerlich und hitzig und Erhard musste seine Beine in die Hand nehmen, wollte er mit dem Leben davonkommen. Die Bauern verfolgten ihn und es blieb ihm nur die Flucht über die Isar. Zu der Zeit war die Isar ein wilder Fluss. In höchster Not, die Bauern waren ihm dicht auf den Fersen, erblickte er auf einmal einen Stein, der seelenruhig auf den Wogen der Isar dahin trieb. Erhard nahm all seinen Mut zusammen, sprang in den Fluss, klammerte sich an den Stein und der trug ihn sicher über die Isar. Voller Dankbarkeit nahm er den Stein mit sich und gründete unweit von der Stelle, an der er an Land gelangte, die Kirche Frauenberg. Und rechts neben dem Kirchenportal an der südlichen Außenmauer lehnt heute noch immer derselbe Stein, der den heiligen Erhard vor vielen hundert Jahren wohlbehalten über die Isar getragen hat.
In Erinnerung an den hl. Erhard werden jedes Jahr am 8. Januar in Frauenberg mit ganz alten Formen Erhardibrote gebacken und gesegnet, um Menschen und Tiere vor Krankheiten zu schützen.
Nehmen wir diese schöne Legende nicht wörtlich um sie nicht zu zerstören. Nehmen wir einfach an, der hl. Erhard ist auf wundersame Weise seinen Verfolgern entkommen. Und wahrscheinlich hat er dabei eine der mehr oder weniger gefährlichen Furten benutzt, die damals über die Isar führen. Denn an derselben Stelle, die der hl. Erhard benutzte, überquerte auch knapp 200 Jahre später der hl. Wolfgang die Isar, als er sich auf den Weg zu dem nach ihm benannten Wolfgangs-See bei Salzburg gemacht hat, um dort fortan als Einsiedler zu leben.
CG
Foto: CG
Die Donau, die Kunst und ein Sekt mit Heimatgeschmack

Die Donau, die Kunst und ein niederbayerischer Obstschaumwein: Edgar Stein bringt sie zusammen auf seinem Vierseithof direkt an der Donau in der Nähe von Straubing. Für den Künstler, der 1965 in Straubing geboren wurde, heißt das: Landschaft erfahren, abbilden und gestalten. Sein Kunstkonzept, das identisch ist mit seinem Lebensentwurf, reicht von der Landschaftserfahrung über die Zeichnung zum funktionalen Objekt bis hin zum, mittlerweile biozertifizierten, Obstschaumwein. Die Donau ist aus seiner Kunst nicht wegzudenken. Immer hat er sich in ihrem Umfeld aufgehalten. Die Qualität des Wassers, der Fischbestand, die Schiffbarkeit und die Schleusen; das alles interessiert den Künstler von jeher und weit über ein traditionelles künstlerisches Interesse hinaus.
Um die Landschaft im Bereich der Donau zu erfahren, begann Edgar Stein mit dem Bau von Fahrzeugen. Das „Ur-Boot“ wurde in den 1980er Jahren gebaut und ist nach wie vor einsatzbereit. Parallel dazu entstanden Radierungen von Schleusen und von einigen Kilometern Donau. Daneben gibt es klassische Zeichnungen, an denen die Entwicklung der Siebdruck-Etiketten für den Obstschaumwein ablesbar ist, denn selbstredend sind die Etiketten auf jeder Flasche Originalgrafiken.
Zwischen den ersten Fahrzeugen und dem letzten Boot liegen runde zwanzig Jahre, in denen Edgar Stein den Weg vom Bau funktionaler Objekte bis hin zur Herstellung von Schaumwein, als einem Produkt kunstvoller Sektkellerei, zurückgelegt hat – also vom Vierrad bis hin zum Obstsekt aus Obst, das er rund um seinen Hof anbaut. Das alles gehört in sein Konzept, in seinen Entwurf von Kunst und Leben hinein. Stein baute Boote „nach dem Augenmaß“. Die Form entstand während des Bauens. Es sind funktionale Geräte, die ein Mensch aus eigener Kraft bewegen kann und mit denen er imstande ist, Werkzeug und Material zu transportieren: Mit dem Vierrad wird das Boot zur Donau transportiert und zu Wasser gelassen, um das Land entlang der Donau und auch den Fluss selbst zu erfahren. Die Ufer der Donau, ihre Schleusen, all das wurde in Zeichnungen und Radierfolgen festgehalten.
Nachdem Stein den Vierseithof hinter dem Donaudamm erworben hatte, begann für ihn die ganzheitliche Eroberung der Donaulandschaft. Er sanierte den Hof, gestaltete das Gelände und entdeckte damit die Möglichkeiten, die darin lagen. Er nahm die Heimat in Besitz. Er fing an, Obst anzubauen und schuf damit die Grundlage für die Schaumweinherstellung. Gemeinsam überwanden Edgar Stein und seine Frau Doris Köppel sämtliche bürokratischen Hürden: Der „Steppelhof“ darf sich „Erster Schaumweinherstellungsbetrieb Niederbayerns“ nennen. Steins ganzheitlicher Kunstbegriff erstreckt sich also nicht allein auf die Funktionalität des Werkzeugs und die Bewirtschaftung des Landes, sondern ganz selbstverständlich auch auf die Qualität der Lebensmittel, womit Essen und Ernährung, über das Lebensnotwendige hinaus, als kulturelle Güter gesehen werden. Dieser Gesamtentwurf stellt Leben und Arbeit unter ästhetische Kriterien und liefert damit einen Beitrag zur Kultur unserer Heimat.
KO
20 C + M + B 20. Von den Heiligen Drei Königen

In den Tagen nach Neujahr bis zum Dreikönigsfest besuchen uns traditionsgemäß die Sternsinger. Es sind Ministranten, die als „Heilige Drei Könige“ kostümiert zusammen mit einem Sternträger vor die Häuser treten. Dort bringen sie Segenswünsche dar, beweihräuchern Hauseingänge und Flure und schreiben ihre Segenszeichen mit geweihter Kreide an die Türen: C + M + B. Diese drei Buchstaben wurden im Volksmund lange Zeit als Caspar, Melchior und Balthasar gedeutet. Tatsächlich wird damit aber das lateinische „Christus Mansionem Benedicat“ abgekürzt – übersetzt: Christus segne dieses Haus. Eine schöne Tradition, die zugleich einen sinnvollen Zweck erfüllt, denn für ihre Brauchausübung erhalten die Ministranten Spenden, die wiederum caritativen Projekte in aller Welt zugutekommen. Es waren die Kirchengemeinden, die sich in den Nachkriegsjahrzehnten neu auf die Tradition des Sternsingens besonnen haben. Daraus entstand die heute weltweit größte Solidaritätsaktion von deutschen Kindern für bedürftige Kinder in Entwicklungsländern.
Auch aus den Weihnachtskrippen sind die Drei Könige nicht wegzudenken. Die Literatur spricht einmal von Magiern, ein anderes Mal von Weisen. Jedenfalls war jeder von ihnen himmelskundig und konnte dem Stern von Bethlehem bis zum Geburtsstall folgen. Neben dem inneren Figurenkreis der Krippe mit der Heiligen Familie samt Ochs und Esel, dem zweiten mit den Hirten, zählen die Heiligen Drei Könige zum dritten Kreis des weihnachtlichen Krippen-Personals. Sie symbolisieren die Dreizahl, die bei vielen Völkern als die heiligste gilt. In den Mythen und Religionen kennzeichnet sie häufig göttliche Konstellationen: die ägyptische Dreiheit von Osiris, Isis und Horus; die römische Triade von Jupiter, Juno und Minerva und schließlich die christliche Trinität Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Bedeutung der Dreizahl spiegelt sich auch im Volksmärchen wieder: Stets haben die Helden darin drei Wünsche frei. Und im Sprichwort sind „aller guten Dinge drei“. Die Drei Könige verkörpern sinnbildlich die drei Lebensalter und werden den damals bekannten drei Erdteilen zugeordnet: Der junge Caspar vertritt als Schwarzer Afrika; der greise Melchior ist geschmückt wie ein europäischer König. Bathasar befindet sich in den besten Jahren und repräsentiert den asiatischen Kontinent. Vor dem Hintergrund betrachtet, stehen die zahlreichen Drei-Königs-Darstellungen auch für das friedliche Zusammenleben der Generationen und Kulturen. Diese alte Botschaft trägt kein Verfallsdatum.
MS
Festliche Musik

Für die einen ist es der ergreifendste Augenblick, wenn die fast dunklen Kirche nur noch von Kerzen erleuchtet und gemeinsam „Stille Nacht“ anstimmt wird. Für andere ist „Beethovens Neunte“ an Silvester in der Philharmonie das Höchste. Den nächsten wiederum kommen die Tränen, wenn Händels Feuerwerksmusik aufgeführt wird.
Was eint all diese Menschen? Sie wähnen sich im Gefühl der Zusammengehörigkeit, Teil einer Gemeinschaft gleichgesinnter Menschen zu sein. Das ist es, was die Menschen seit ewigen Zeiten ein Fest nennen. Die Musik ist dabei einer der wichtigsten Bausteine. Sie hat die Kraft, dass sie für den Moment die Zeit anzuhalten scheint. Wenn wir uns mit ihr identifizieren – wenn wir singen, tanzen, zuhören, scheint es so, als ob wir uns für einen winzigen Augenblick über das Dahinfließen unserer Lebenszeit erheben könnten. Jeder kennt diesen glücklichen, scheinbar ewigen Moment, in dem wir in eine Art Rausch verfallen. Das Fest will diesen Rausch. Die Musik ist eines seiner Mittel. Deswegen ergreift uns „Stille Nacht“, dieses einfache Liedchen, erst vollends, wenn wir es gemeinsam in der Kirche singen, anstatt alleine während eines Waldspazierganges im Hochsommer. Das ist die ureigenste und wichtigste Aufgabe der Musik. Sie macht uns zu Mitgliedern einer Gemeinschaft. Sie verbindet; und zwar seit jeher.
Dieser Aufgabe haben viele Komponisten unserer westlichen Kunstmusik stets nach Kräften entgegenzuwirken versucht. Sie wollten selbstständige, universelle Kunstwerke schaffen, die eine ästhetische Daseinsberechtigung hatten, die um ihrer selbst willen gehörten werden sollen. Sie wollten nicht nur Diener des Festes sein. Aber die dienende Aufgabe ist ureigenste Funktion der Musik. Ob die Komponisten wollen oder nicht. Genau dieser Kern jedoch ist es, der Musik und das Fest in noch viel größerem Maße auch so verlockend wie verführend macht: Als 1918 im Leipziger Gewandhaus die Tradition begründet wurde, am letzten Tag des Jahres „Beethovens Neunte“ aufzuführen, war sie das Symbol der Hoffnung auf eine neue, sozialistisch geformte Gesellschaft. Einige Zeit später machten sich die Nationalsozialisten die Geschichte, die „Beethovens Neunte“ erzählt, zu eigen. Noch etwas später wurden die berühmten 16 Takte aus dem Finale der Symphonie zur Europahymne. So oder so, Musik entfaltet stets Wirkung – sie kann verführen und erheben.
CG
Schöner die Würste nie schmecken

Alle Jahre wieder hört man vielerorts Beschweren, ja, mehrnoch, sogar Gejammer. Also nein, diesmal wars wirklich zu viel! Immer diese Völlerei an den Weihnachtsfeiertagen! Sorgen, die der Großteil der Bevölkerung in früheren Zeiten weniger gekannt hat. Denn üppige Fleischspeisen wie Braten kamen, wenn überhaupt, nur sonntags auf den Tisch. Das neue Jahr mit dem Gefühl, sich überfressen zu haben, zu beginnen, ist schon ironisch, wenn man bedenkt, dass die Adventszeit eigentlich eine Fastenzeit ist. Dies schlägt sich in vielen traditionellen Weihnachtsspeisen nieder. Weil Fisch den Fastenregeln nach nicht verboten war, etablierte sich der Brauch des Weihnachtskarpfen-Essens. Wo die Teichwirtschaft eine lange Tradition hat und die Kulturlandschaft prägt, nämlich insbesondere in Franken und der Oberpfalz, erfreut sich dieses Weihnachtsessen besonderer Popularität.
Deutschlandweit ist Kartoffelsalat mit Würsten unangefochten die beliebteste Weihnachtsspeise. In Niederbayern ist das Weihnachtsessen noch heute vielerorts von der ursprünglich bäuerlichen Mettenwurst-Tradition geprägt. Da nach der Christmette das Fasten beim Weihnachtsessen gebrochen werden durfte, konnte nun wieder Fleisch aufgetischt werden. Viele Bauern mästeten hierfür das Jahr über ein Schwein, das in den Tagen vor Weihnachten geschlachtet wurde. Das Tier extra für diesen Anlass auserkorene Tier nannte man entsprechend „Weihnachter“ oder auch „Mettensau“. Das Weihnachtsmahl bestand aus Leberwürsten und Blunzen (Blutwürsten), die zusammen mit Brot und Kraut gegessen wurden. Letzteres war in einem Haushalt mit „Drei-Fassl-Wirtschaft“ (Herbstmilch, Kraut und Gselchtes) eh vorhanden. In den heutigen Zeiten prall gefüllter Supermärkte, ist Kraut nicht mehr zwingend fester Bestandteil der Grundversorgung und wird vermutlich mehr wertgeschätzt als in früheren Zeiten. Ein Küchenzettel der Dienerschaft von Schloß Schleißheim aus dem Jahr 1618 listet sage und schreibe vierzehnmal pro Woche Kraut mit wechselnden Knödeln auf und lässt vermuten, dass damals nur die wenigsten in Jubel ausgebrochen sind, wenn es wieder einmal Kraut gab.
Als krautlose Alternative können die Würste auch zu einer gehaltvollen Mettensuppe verarbeitet werden. Erna Horn, die Expertin für historische Kochbücher, berichtet davon, dass im Bayerischen Wald vor der Mettensuppe oder auch statt dieser „Kolatzer“ gegessen wurden. Es hat sich hierbei um ein einfaches Sauerteig-Früchtebrot aus Roggenmehl und eingeweichten Kletzen gehandelt.
Mit der Weihnachtsspeise ging zudem oftmals der Brauch einher, einen zusätzlichen Teller für einen Verstorbenen herzurichten, der unberührt blieb und am nächsten Tag einem Armen geschenkt wurde. Den Verdacht, dass es beim Weihnachtsessen deshalb sehr andächtig zuging, können historische Quellen dagegen entkräftigen. So schreibt der Aufklärer und Sprachwissenschaftler Andreas Zaupser 1789 in der Nachlese zu seinem baierischen und oberpfälzerischen Idiotikon (=Wörterbuch) Folgendes: „Am Christtage nach der Metten ist bey gemeinen Leuten die Gewohnheit, sich bey Würsten und etwas Bier lustig zu machen. Dieses nennt man die Mettenwurst essen.“ Das klingt doch nach einem schönen Festessen.
Bleibt nur noch eine Frage: Was gibt es an Weihnachten zu essen?
LS
O Tannenbaum, O Tannenbaum. Von grünen Bäumen und blühenden Zweigen

Die vielen Weihnachtslieder, die bereits während der Adventszeit aus den Lautsprechern in Kaufhäusern und auf Christkindlmärkten schallen, sind uns allen geläufig. Das wohl populärste säkulare Weihnachtslied deutschen Ursprungs besingt seit dem 19. Jahrhundert den immergrünen Tannenbaum. Seine einfache Melodie lässt sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Seine Textvarianten reichen von „Es hing ein Stallknecht seinen Zaum …“, ca. 1560, bis hin zu „Maryland, My Maryland“, das 1939 zum offiziellen „State Song“ des US-Bundesstaates Maryland erklärt wurde. Bevor „O Tannenbaum“ zum heute bekannten Weihnachtslied mutierte, war es ein Liebeslied. Die erste Strophe „O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie treu sind deine Blätter“ stellt den Baum mit seinen immergrünen Nadeln als Sinnbild der Treue dar. Die weiteren Strophen thematisieren – ebenfalls symbolisch – die Untreue. Als sich im 19. Jahrhundert in den bürgerlichen Wohnstuben der Brauch festigte, eine Tanne als Weihnachtsbaum aufzustellen, dichtete der Leipziger Lehrer Ernst Anschütz das Lied „O Tannenbaum“ 1824 schließlich zum Weihnachtslied um. Es sollte nun in allen Strophen den Baum mit seinen grünen „Blättern“ besingen und wurde nach „Stille Nacht“ weltweit zum Exportschlager.
O Tannenbaum, O Tannenbaum,
wie grün sind deine Blätter.
Du grünst nicht nur zur Sommerszeit,
nein auch im Winter, wenn es schneit.
O Tannenbaum, O Tannenbaum,
Wie grün sind deine Blätter.
Grüner Baum und blühende Zweige im Winter sind Lebenssinnbilder und daher beliebte Weihnachtssymbole. Auch das alpenländische Lied „Es blühen die Maien bei kalter Winterzeit“ handelt davon. „Maien“ sind Birkenzweige, die gewöhnlich an Fronleichnam die Prozessionswege schmücken. Im Volkslied erblühen sie zur Weihnachtszeit. Dieses „Wunder“ des winterlichen Grüns soll das Unerklärliche, das die Menschheit mit der Christgeburt verbindet, versinnbildlichen. Der „Barbarazweig“, der am 4. Dezember in die Vase gesteckt wird, um am Heiligen Abend seine Blüten zu entfalten, reiht sich in diese Symbolik ebenso ein wie die knospende Rose, die in einem Weihnachtslied den Neugeborenen bezeichnet.
Es ist ein Ros entsprungen
aus einer Wurzel zart,
wie uns die Alten sungen,
von Jesse war die Art.
Dem Volksglauben nach verheißen blühende Zweige an Weihnachten Glück. In der orientalischen Tradition bedeuten sie Ehrerweisung für Sieger und Herrscher und bringen den Wunsch nach dessen Unsterblichkeit zum Ausdruck. Hier schließt sich der Kreis zur christlichen Heilsgeschichte mit Geburt, Leben und Wirken, Tod und Auferstehung Jesu Christi.
Die 2000-jährige christliche Tradition und Kunst hat die Bildsprache nicht erfunden – Symbolik gab es bereits in früheren Kulturen. Dennoch hat das Christentum eine starke Zeichenhaftigkeit ausgebildet, die bis heute wirkt. Das leuchtende Beispiel in diesen Tagen stellt der geschmückte Christbaum dar, der wie kein anderer Brauchgegenstand das Weihnachtsfest symbolisiert.
MS
Der Adventskranz – ein vorweihnachtlicher Zeitmesser mit sozial- und religionspädagogischem Hintergrund

Die konkrete Entstehung von Bräuchen und Verwendung von Brauchgegenständen liegt häufig im Dunkeln. Selten genug weiß man genau, woher sie stammen, wer sie erfunden hat. Diese Erklärungsnot wird häufig mit den Bezeichnungen „überliefertes Volksgut“ / „uraltes Brauchtum“ kompensiert. Bräuche selbst werden gern auch mystifiziert, wenn man beispielsweise an die jungen Perchtengruppen denkt, deren Gründungen zumeist nicht auf örtlichen Quellen fußen. Ein Grund für so manche kulturgeschichtliche Wissenslücke liegt darin, dass die Kultur der einfachen Leute – sofern man ihnen überhaupt so etwas wie Kultur zubilligte – lange Zeit niemanden interessierte. Erst im 19. Jahrhundert rückt die „Volkskultur“ in den Blick des gebildeten Bürgertums und wird schließlich zum Forschungsgebiet einer Wissenschaft, die sich später Volkskunde nennt. Damit beginnt ein ethnologisch-heimatkundliches Narrativ, das im Kontext des neuen Heimattrends wieder vermehrt gefragt ist.
Entgegen der landläufigen Erklärungen, wonach Bräuche mindestens alt seien, wenn nicht sogar aus grauer Vorzeit stammen würden, lässt sich die Entstehungsgeschichte des Adventskranzes konkret nachvollziehen. Kulturgeschichtlich ist dieses Brauchgerät relativ jung. Dabei handelt es sich um eine Erfindung aus dem 19. Jahrhundert, als christliche Religionspädagogik, Heimatbewegung und historistisches Kunstgewerbe die Folgen von Industrialisierung, Verstädterung und Verelendung abzumildern versuchten.
Es war Johann Hinrich Wichern (1808–1881), der 1839 den ersten Adventskranz entzündete. Wichern war Theologe, Sozialpädagoge, Begründer der Evangelischen Diakonie und leitete in Hamburg das „Rauhe Haus“. In diesem Waisenhaus wurden Straßenkinder des beginnenden Industriezeitalters betreut. Um seinen Schützlingen den Advent als Vorbereitung auf das Weihnachtsfest näher zu bringen und die Wartezeit bis zum Heiligen Abend zu strukturieren, benutzte der Theologe ein Wagenrad, auf dem er 20 kleinen rote und vier große weiße Kerzen anbrachte. An jedem Adventabend wurde im Betsaal des Waisenhauses eine Kerze entzündet und damit die Zahl der Tage bis Weihnachten veranschaulicht. Ganz nebenbei lernten die Kinder so auch das Zählen. Dieser „Wichern-Kranz“ gilt als Urform des später auf vier Kerzen reduzierten Adventskranzes.
Die einfachere Variante setzte sich vor etwa 100 Jahren auch in den katholischen Regionen Deutschlands zum Teil gegen den Widerstand mancher Pfarrer durch. Zur Verbreitung des Adventskranzes trugen nachweislich verwundete Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkriegs bei. Viele von ihnen hatten den Brauchgegenstand in norddeutschen Lazaretten kennengelernt. Nach entbehrungsreichen Kriegsjahren empfänglich für Glaube und Brauch wurde mit ihrer Rückkehr in die Heimatorte des katholischen Südens auch die junge Tradition des adventlichen Zeitmessers importiert. Heute ist der Adventskranz aus keiner Kirche und fast keiner Wohnung mehr wegzudenken.
MS