Die Nachhaltigkeitslüge

Nachhaltigkeit ist ein Zauberwort. Firmenchefs und Politiker schmücken sich damit. Wer nachhaltig lebt, wer nachhaltig wirtschaftet, der gehört zu den Guten.
Im Modegeschäft wollen alle zu den Guten gehören: vom Riesen bis zum Zwerg. Aber ist das so? 2,3 Milliarden Kleidungsstücke überschwemmen jedes Jahr unsere Modegeschäfte; von Stralsund bis Straubing. Rechnen wir mal ein bisschen. Jeder von uns müsste 25 neue Kleidungsstücke pro Jahr kaufen; und zwar jedes Jahr! Von diesen unglaublichen 2,3 Milliarden bleibt ziemlich viel übrig: 230 Millionen Kleidungsstücke. Jahr für Jahr. Einige dieser Millionen Kleider finden Abnehmer im Ausland, viele werden recycled, die meisten weggeworfen, geschreddert, verbrannt.
Wenn um uns herum der Markt nur so brummt, dann merkt man das nicht so. Jetzt aber sitzen die Händler auf einem riesigen Berg Winterkleider. 500 bis 800 Millionen sollen es sein. Kein Wunder, die Geschäfte waren ja auch lange genug zu. Aber wohin mit diesem Berg? Die Frühlingskollektion ist schon längst da. Einlagern? Das ist sehr teuer, auch für die, die Platz haben. Außerdem kommt ja nächstes Jahr wieder eine Winterkollektion. Spenden? Ein Verlustgeschäft. Wenn ein Händler 1000 Hosen spenden will und jede Hose 30€ wert ist, dann muss er am Ende fast 7€ Steuern zahlen, pro Hose. Für 1000 Hosen sind das 7.000€ Steuern. Am Ende bleibt nur übrig, die Ware an Outlets und Off-Price-Ketten zu verkaufen, die alles zum günstigsten Preis verramschen. Oder eben die Müllverbrennung.
Auch wenn jetzt geplant ist, dass die Steuer auf Kleiderspenden ausgesetzt wird, wo sollen wir denn hin mit den ganzen Kleidern? Wird nicht einfach viel zu viel produziert? Wird da nicht von Nachhaltigkeit nur geredet? In den letzten Jahren haben wir uns auf den Schultern ostasiatischer Näherinnen, die pro T-Shirt, das 4,99€ kostet, gerade mal 13 cent verdienen, zu einer Wegwerfgesellschaft im Nachhaltigkeitsmäntelchen entwickelt.
Auf der anderen Seite sind da die Geschäfte, die wieder aufsperren möchten, die Verkäuferinnen und Verkäufer, die wieder arbeiten wollen und ihre Familien ernähren müssen. Was kann man da tun? Was muss passieren, dass den Menschen Kleidung wieder etwas wert ist? Das ist nämlich das eigentliche Problem.
Es müsste sich wieder lohnen, Kleidung zu reparieren: eine Marktlücke für Händler. Es müsste in Modehäusern die Möglichkeit geben, Kleidung in Zahlung zu geben und sie anschließend wiederverkaufen zu können, so wie bei Autos, eine Art Vintage-Kollektion. Auch eine Marktlücke. Und man sollte die Menschen bei ihrer Eitelkeit packen. Heute will jeder einzigartig sein, sich von der Masse abheben. Einige Firmen machen sich genau das zu Nutze und denken Individualität und Nachhaltigkeit zusammen. Wie wäre es, am Smartphone seine maßgeschneiderten Sneakers zu entwerfen, Grafiken, Farbe und Schriftzüge selbst auszuwählen? Das wäre eine Möglichkeit, Nachfrage und Produktion zu verbinden. Das bedeutet: keine Überschüsse? Zukunftsmusik? Nein, überhaupt nicht! Das gibt es heute schon!
Christoph Goldstein
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Große Niederbayerinnen

Es gibt ein Buch aus dem Jahr 1972 mit dem Titel „Große Niederbayern“. Es handelt von niederbayerischen Säulenheiligen: Ludwig der Kelheimer, Hans Leinberger, Joseph von Frauenhofer, Hans Carossa, und, und, und. Aber Stopp! Fällt Ihnen etwas auf? Nicht? Doch! Lauter Männer, nicht wahr? Und die Frauen? Gibt es keine bekannten Niederbayerinnen?
Und ob! Herzogin Ludmilla, die das Kloster Seligenthal in Landshut gründete, Elisabeth von Bayern (1227-1273), Königin des Heiligen Römischen Reiches, Agnes Bernauer, Berta Hummel, Marlene Reidel, Anna Wimschneider, Uschi Glas, Luise Kinseher, die Olympiasiegerin Barbara Engleder, und, und, und.
Ist doch gar nicht so schwer, oder? Und da sind einige dramatische Lebensgeschichten dabei, die sich spannend erzählen lassen. Aber früher wollte man das nicht. Geschichte war etwas für Männer. Da hatten Frauen nichts zu suchen. Allmählich aber sind die Historiker/innen draufgekommen, dass Geschichte nicht nur aus Napoleons und Caesars besteht. Die Alltagsgeschichte, das Leben der normalen Menschen, wie es Anna Wimschneider beschreibt, ist mindestens genauso spannend. Mit der Zeit haben die Historiker/innen immer weitere dieser vielen Geschichten entdeckt, die unter der politischen Geschichte liegen.
Ist Ihnen vorher bei der Liste etwas aufgefallen? Richtig! Da fehlt doch eine große Niederbayerin, die wir auf gar keinen Fall übergehen dürfen. Und das ist Emerenz Meier! 1874 ist sie in Schiefweg geboren. Schiefweg liegt ungefähr bei Waldkirchen. Schief ist auch ihr Leben verlaufen, immer schiefer mit der Zeit. In ihrer ersten Erzählung, „Juhschroa“ heißt sie, hat sie mit 19 Jahren eigentlich ihre eigene Zukunft erzählt: da geht es um eine Bauerstochter, die alles verliert, bloß ihr gute Laune nicht. Am Ende ihrer Tage, muss sie von Haus zu Haus ziehen, bettelarm, ihre einzige Hoffnung, die Gnade der Menschen. Und trotzdem: Selbst als ihr letztes Stündlein geschlagen hat, geht sie mit einem „Juhuhu!“ in die Ewigkeit:
Es ist nun schon an die zehn Jahre her, dass das lustigste Weib, das je auf dieser traurig-lustigen Welt gelebt, seinen letzten Jauchzer ausgestoßen hat. Ich war damals elf Jahre alt und hatte meine Freude an jenem schrillen, markerschütternden Schrei, dessen Ausklang die Knochenfaust des Todes in der röchelnden Kehle erstickte.
„Juhuhu!“ tönte es von dem elenden Lager, auf das die noch elendere Gestalt der achtzigjährigen Frau gebettet war, und wir Kinder, die wir ahnungslos fröhlich wie an sonstigen Tagen im Kreis herum standen, stimmten laut lachend mit ein.
„Juhuhu“ – das war der letzte Seufzer des Hanserl Enzls.
Emerenz Meier ist auf einem Bauernhof groß geworden. Schon ganz früh hat sie angefangen begeistert zu lesen und zu schreiben. Der Bayerische Wald, die Armut, und die Not der Menschen, die dort leben, das war ihr Thema. Ihre erste Erzählung, „Juhschroa“ hat sie noch heimlich, anonym, ohne Namen, bei einer Passauer Zeitung eingesendet. Aber lange hat es nicht gedauert, bis sie sich einen Namen erschrieben hat. Bloß mit dem Geld hat es nie so wirklich geklappt. Nicht nur Emerenz, auch ihre Eltern waren pleite. Als einzige Möglichkeit blieb die Neue Welt. Mit 32 Jahren ist sie schließlich mit ihren Eltern nach Amerika ausgewandert. Zurückgekommen ist sie nie.
Dort wurden sie nicht besonders freundlich empfangen. Ans Schreiben war nicht zu denken. Als Putzfrau und Fabrikarbeiterin musste sie sich durchschlagen. Das einzige was da noch blieb, war der Alkohol, einige von Niedergeschlagenheit gebeugte Gedichte und spärliche, sarkastische Briefe in die Heimat. Vor 93 Jahren, am 28. Februar 1928 ist sie mit nur 53 Jahren in Chicago gestorben.
Was bleibt, das sind ihre Gedichte und Erzählungen. Sie handeln von einer längst vergangenen Zeit, als noch keine Bundesstraßen den Wald durchzogen, es noch keinen Strom gab und noch kein fließendes Wasser und von ganz normalen Menschen, die versuchen, sich irgendwie in dieser tragikomischen Welt durchzuwurschteln.
Christoph Goldstein
Der Kulturpreis des Bezirks Niederbayern 2021

Die Kultur, das ist ein weites Feld. Es reicht von Musik über Sprache bis zu Bräuchen und von der Tracht über’s Bauen bis zur Kulturlandschaft. Viele Menschen bestellen dieses weite Feld Tag für Tag: vom Opernsänger bis zum Züchter alter Haustierrassen.
An Menschen, die sich um die Kultur besonders verdient gemacht haben, richtet sich der Kulturpreis des Bezirks Niederbayern. Bis zum 15. März 2021 können Kulturreferent/innen und Kulturbeauftragte, Kreis- und Stadtheimatpfleger/innen und Kulturinstitutionen aller niederbayerischen Kommunen Kandidatinnen und Kandidaten vorschlagen, an die der Preis dieses Jahr gehen könnte.
Sie kennen jemanden, den sie gerne vorschlagen möchten? Dann sprechen Sie mit Ihren Kulturbeauftragten vor Ort. Vielleicht wird Ihr Vorschlag angenommen und Ihre Kandidatin bzw. ihr Kandidat erhält am Ende sogar den Preis!
Wer bestimmt, wer den Preis bekommt? Die Mitarbeiter/innen und Mitarbeiter vom Kulturreferat des Bezirks Niederbayern sehen sich die Vorschläge ganz genau an. Am Ende vieler Wertungsdurchgänge steht eine Liste. Aus dieser Liste wählen die Mitglieder der Fachjury einen Gewinner aus. Der Kultur-, Jugend- und Sportausschuss entscheidet dann darüber in seiner Sommersitzung. Die Preisverleihung findet Herbst statt.
Wenn Sie mehr wissen wollen, dann schauen Sie doch auf unser Homepage vorbei! Hier finden Sie die Modalitäten der Ausschreibung und auch die Preisträger der vergangenen Jahre.
https://www.bezirk-niederbayern.de/kultur/beratung-foerderung/kulturpreis/
Christoph Goldstein
Foto: Harry Zdera
Vom Schlachthof auf den Grill

Schlachten am laufenden Bad
Schlachthöfe sind weit weg. Meinen wir. Schlachthöfe sind meistens unscheinbar in Gewerbegebieten versteckt, neben Autohändlern, Elektrofachhändlern und Logistikhallen. Erst wenn es Ärger gibt, dann sind sie auf einmal wieder da.
Im Landshuter Schlachthof werden pro Jahr eine Million Schweine geschlachtet. In ganz Deutschland sind es knapp 60 Millionen. Fast ein Drittel der vielen, vielen Tonnen Schweinefleisch geht nach China. Wäre da nicht die Afrikanische Schweinepest. 2020 hat China einen Importstopp verhängt. Das gilt für Regionen, in denen die Schweinepest wütet. Das Fleisch, das nicht nach China geht, muss in den eh schon umkämpften europäischen Mark gequetscht werden. Die Preise fallen also weiter. Aber das Geschäft mit den Schweinen lohnt sich trotzdem: für die großen Konzerne. Bei den Menschen aus Osteuropa, die Tag für Tag Schwein für Schwein schlachten und zerlegen kommt davon nichts an. Sie sind gar nicht bei den großen Konzernen selbst unter Vertrag, sondern bei einem der vielen Subunternehmer. Damit sparen die Konzerne Geld und ziehen sich aus der Verantwortung. Die Menschen aus Osteuropa kommen zu uns, weil in ihren Ländern bereits Menschen aus Ostasien für noch weniger Geld in den Schlachthöfen schuften; ein Teufelskreislauf. Die Exporte aber steigen und steigen, die Gewinne auch. Wen interessiert es denn schon, wo das Fleisch herkommt? Hauptsache billig.
Teure Grills – billiges Fleisch
Während auf der einen Seite die Diskussion um die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen die Debatte um Fleischpreise neu entfacht hat, ist auf der anderen Seite festzustellen, dass für die Verbraucher an der Fleischtheke fast nur der Preis zählt. Es ist kurios! Die Menschen geben hunderte bis tausende von Euros für einen Grill aus und beim Fleisch achten sie auf Centbeträge.
Investieren wir als Grillnation vielmehr in professionelle Ausstattung, als in hochwertiges Grillgut? Es bleibt die Frage: Warum wird so viel Geld für einen Grill ausgegeben, aber für das Fleisch fast nichts? Und: Welchen Beitrag können wir zum Tierwohl leisten ohne gleich Vegetarier zu werden? Wenn wir schon so gerne grillen, dann könn(t)en wir mit unserem Grillverhalten vielleicht einen positiven Effekt auf die Fleischindustrie und das Tierwohl haben.
Cindy Drexl/Christoph Goldstein
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Gesungener Dialekt

Eine fremde Sprache geht nicht jedem leicht über die Lippen. In gesungener Form sieht es da schon anders aus: So singen viele Menschen, die man nicht unbedingt als talentiert für Fremdsprachen bezeichnen würde, immer wieder ohne große Probleme „Happy Birthday to you“, und es kommt ihnen gar nicht spanisch vor, wenn sie alle Jahre erneut „Feliz Navidad“ anstimmen. Die Melodie scheint die fremden Worte mit Leichtigkeit zu tragen, diese verknüpfen sich ganz automatisch mit dem Melodiefluss.
So tragen Melodien auch mundartliche Begriffe und machen es Nicht-Dialektsprechern leicht, sich darin zu üben. Mit fast kindlicher Unbeschwertheit kann man sich beim Singen auf das Aussprechen von nicht ganz vertrauten dialektalen Ausdrücken einlassen und ausprobieren, wie es klingt, so etwas aus dem eigenen Mund zu hören. Ganz nebenbei erschließt sich regionale Sprach- und Kulturgeschichte, auch über den von vielen Nicht-Muttersprachlern praktizierten Trinkspruch „Oans, zwoa, gsuffa“ hinaus. Den kann man übrigens auch singen, im Lied „In München steht ein Hofbräuhaus“. Die Vermittlung von überlieferten Volksliedern bewahrt so auch dialekte Ausdrücke, die in Vergessenheit zu geraten drohen, etwa beim Themenfeld der Tierlieder: Der Ausdruck Heißerl für ein Fohlen im Kinderlied „Steht a Heißerl drausst im Stoi“ ist nicht mehr jedem geläufig, genau wie die Grejaln (im Liedtext „Und die Grejaln, dö singan ganz suiban am Fejd“) als dialektale Bezeichnung für Grillen. Im gesungenen Vierzeiler „Fideroi, Zithern schlogn, scheene Spuifedern trogn, in d‘ Kircha ei geh, und koan Rosnkranz hobm“ geht es um die sichelförmigen äußeren Schwanzfedern des Birkhahns. Diese Federn werden gern als prachtvoller Hutschmuck getragen und als Spielfedern bezeichnet – hätten Sie’s gewusst?
Auch die Kommunikation zwischen Mensch und Tier ist Inhalt mancher Lieder. Der an Schweine gerichtete Lockruf „Husstata“ erscheint im Zwiefachen Der Saulocker: „De Husstata, de Husstata, laufand ummanand überoi. Husstata, hod s‘ wieder neamd eiglockt in Stoi.“ Fuhrkommandos wiederum sind stimmliche Signale ans Pferd oder den Ochsen, um dem Zugtier Start, Stopp und Zugrichtung mitzuteilen. In einer Vertonung des Gedichts Wödaschwüln – eine Bezeichnung für die Schwüle unmittelbar vor Ausbruch eines Gewitters – von Emerenz Meier werden sie gesungen: „Hü, meine Öchsl, hü“ treibt die Tiere im Sinne von „Auf geht’s“ an. „Hott, meine Öchsl, hott“ weist sie an, rechtsherum zu gehen. „Aoh, meine Öchsl, aoh“ bremst sie ab und bringt sie zum Stehen.
Veronika Keglmaier
Lied: Materialien zur musikalischen Volkskultur in Niederbayern, Band 6
Steinreich – Hauzenberg und der Granit.

Wie entsteht Granit? An gewissen Stellen steigt Magma an die Erdkruste hoch. Dort vermischt sich die Magma mit dem Gestein, das schon da ist, erkaltet und daraus entsteht dann beispielsweise Granit. Das ist im Bayerischen Wald vor vielen hundert Millionen Jahren passiert. Dort wo heute Hauzenberg liegt, hat sich damals ein Granitmassiv mit einer Fläche von ungefähr 60 km² gebildet. Der Hauzenberger Granit ist schwarz-weiß gesprenkelt. Meißner Granit hingegen hellrot. Welche Farbe der Granit hat, liegt daran, mit welchen und mit wie vielen Mineralien er sich verbunden hat.
Allein im Umkreis von Hauzenberg haben die Menschen seit dem Mittelalter in über 200 Steinbrüchen so viel Granit abgebaut, dass der Hauzenberger-Granit bald sprichwörtlich wurde: Mit ihm haben die Bayern ihre Kirchen gebaut, Straßen gepflastert, Brunnen gebaut, Brücken errichtet, Rinnsteine gelegt, Grabsteine hergestellt und vieles mehr. Granit braucht man beim Straßenbau, für Schotter, ganz fein zerrieben als Inhaltsstoff für Beton und als Sockel für Denkmäler sowie als Rohmaterial für Skulpturen.
Die Arbeitsbedingungen in den Steinbrüchen waren mörderisch. Heute wird Granit mittels kontrollierter Sprengungen „abgebaut“; Bagger laden ihn auf Lastwagen, transportieren ihn ab und später zerkleinern Maschinen das Gestein. Noch bis vor 100 Jahren mussten die Arbeiter das alles mit der Hand und einfachstem Werkzeug erledigen; vom Staub gar nicht zu reden. Aber die Menschen im ganzen Land brauchten Granit für ihre Straßen und Wege, Dorf- und Stadtplätze. Und so sorgten sie indirekt für den Lebensunterhalt von über 1000 Menschen allein in Hauzenberg und weiteren 10.000 im gesamten Bayerischen Wald.
Noch heute ist die Region rund um Hauzenberg das Zentrum der Niederbayerischen Granitgewinnung. Und die vielen aufgelassen Steinbrüche sind ein Eldorado für Hobbygeologen. Im Jahr 2005 hat in Hauzenberg das „Granitzentrum“ eröffnet (https://granitzentrum.de/ ). Das „Granitzentrum“ ist ein Museum am Rande eines alten Steinbruches. Dort können sich die Besucherinne und Besucher die Geschichte des Hauzenberger-Granits von der erdgeschichtlichen Entstehung bis in die Gegenwart erzählen lassen.
Christoph Goldstein
Foto: Granitzentrum Hauzenberg
Nur der Wandel ist beständig

Jeder kennt die Situation: Beim Anschauen alter Fotos macht sich Erheiterung und Erstaunen im Freundes- und Familienkreis breit, angesichts offensichtlicher „Modesünden“ vergangener Jahrzehnte. Schon bald schwelgen alle in Erinnerungen an alte Bekannte und die damaligen Ansichten. Diese decken sich manchmal erstaunlich wenig mit dem aktuellen Selbstverständnis. Das ist nun durchaus nichts Ungewöhnliches. Die großen und bedeutsamen Ereignisse des Lebens sorgen ebenso wie alltäglichen Erfahrungen dafür, dass sich jeder Mensch fast zwangsläufig weiterentwickelt. Wenn der Unterschied zwischen früherem und heutigem Ich aber sehr groß ist, handelt es sich dann überhaupt noch um ein und dieselbe Person? Zweifelsohne eine schwierige Frage, die sich in abgewandelter Form auch auf Baudenkmäler beziehen lässt.
Auch Baudenkmäler verändern sich im Laufe der Zeit, wenn sie, wie z. B. bei Holzblockbauten, verwittern, modrig oder morsch werden. In letzterem Fall ist es unabdingbar, die kaputten Bauteile zu entfernen und durch möglichst originalgetreues Material zu ersetzen. Verliert ein Baudenkmal aber im Zuge dieser Erneuerung seine Identität?
Wichtig ist, wie viel von der Originalsubstanz verloren gegangen ist und wie schnell der Verlust eintritt. Denn problematisch sind vor allem solche Fälle, in denen ein Gebäude auf einen Schlag gänzlich oder größtenteils zerstört wird. Nach einem Brand führt z. B. oftmals kein Weg mehr an einer Rekonstruktion vorbei. So auch beim Ende 2020 wiedereröffneten Stadtschloss in Berlin oder beim Rathaus in Straubing, dessen Wiederaufbau Ende 2020 begonnen hat und sich über die kommenden drei Jahre erstrecken soll. Solche Rekonstruktionen bergen stets die Gefahr, dass das Original verfälscht wird. Dies war auch bei der Diskussion um den Wiederaufbau der Pariser Notre Dame zu sehen, als zeitweilig die prominent vertretene Forderung nach einer zeitgenössischen architektonischen Umgestaltung der Kathedrale im Raum stand.
Rekonstruktionen wird aufgrund mangelnder Authentizität abgesprochen, verlässlich Wissen über die Vergangenheit vermitteln zu können. Diesem Vorwurf der denkmalpflegerischen Wertlosigkeit mag manch einer entgegnen, dass auch historisierende Neubauten dazu in der Lage sind, die Bevölkerung an Bau-, Kunst- und Kulturgeschichte zu erinnern und damit einen zentralen Zweck von Denkmälern zu erfüllen.
Denkmalsanierungen, wie z. B. jene des aus dem 15. Jahrhundert stammenden Landshuter Holzblockbaus „Am Graben 23“, sind dagegen aus denkmalpflegerischer Sicht unstrittig weniger problematisch, da hier auf vorhandener Substanz aufgebaut werden konnte. Sie sind nach ihrer Fertigstellung lebendige Quellen der Vergangenheit und heben durch das Zusammenspiel von Alt und Neu den Entwicklungsprozess des jeweiligen Gebäudes hervor. So haben sie Zeugniswert, sind gegenwärtigen Generationen von Nutzen und können bei all dem auch noch sehr ansprechend aussehen.
Laurenz Schulz
Foto: Kulturreferat
Grüne Woche – smart for life

Dieses Jahr hat sich die landwirtschaftliche Fachwelt, ohne Volksmassen und ohne bumsvolle Messestände, im Netz getroffen.
Nach der traditionellen Auftaktveranstaltung der Kritiker und Umweltverbände, unter dem Motto „wir haben es satt“, ging diesmal das zuständige Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft medial in die Offensive: Die Anzeigen-Kampagne unter dem Titel „Smart for life – unsere Ernte, unser Leben“ zeigt eine top moderne Maisernte im Luftbild: Eine Drohne über ausgeräumter Flur ohne Baum, Strauch oder Rain und eine maskierte Verbraucherin, die mit blauem Einmalhandschuh eine Apfelsine hält (oder ist es doch eine perfekte Tomate?). Was bedeutet das? Ohne Drohnen keine Zukunft, ohne Maismonokulturen kein Leben, ohne globale Landwirtschaft keine vollen Regale?
Die zuständige Bundesministerin beklagt heuer, dass die Kritiker*innen Jahr für Jahr mit ihren Protesten in dieselbe Kerbe schlagen: Nachhaltigkeit sei selbstverständlich, aber eben nur Schritt für Schritt, im gemächlichen Tempo, auf dem Dienstweg. Doch sie, und die sie unterstützenden Agrarkonzerne, samt Bauernverband, scheinen das ständig zunehmende Unbehagen der bundesdeutschen und bayerischen Bevölkerung mit den herrschenden Zuständen in Feld und Flur immer noch nicht registriert zu haben.
Natürlich geht es nicht um eine Rückkehr zu „Bullerbü-Zuständen“ mit Kühen und Ferkeln auf Stroh, die übrigens in früheren Imagekampagnen gerne Pate gestanden haben. Aber der Mensch nimmt den Tieren jedes Jahr mehr Raum weg. Immer mehr Tierarten sterben aus oder sind davon bedroht. Langsam kommt der Klimawandel auch in der Landwirtschaft an: Die Böden sind überdüngt, sauberes Grundwasser wird knapper. Was ist die Lösung? Immer mehr Tiere? Immer größere Ställe?
Es gibt auch positive Beispiele: Gerade die jüngeren Landwirte sind es, die neue Wege gehen. Ein Beispiel ist die syntropische Landwirtschaft. Syntropisch bedeutet nichts Anderes als „miteinander“ und „zusammen“. Bei dieser Form der Landwirtschaft geht es darum, Monokulturen zu vermeiden. Dünger und Pestizide spielen überhaupt keine Rolle. Die Felder sind von Grünstreifen, Hecken und Bäumen durchzogen. Sie schützen den Boden vor Winderosion und liefern gleichzeitig organischen Dünger. Grundsätzlich geht es dabei um ein nachhaltiges Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur. Dieses Zusammenspiel noch mehr zu pflegen, wäre das nicht ein guter Vorsatz für das Jahr 2021?
Helmut Wartner
Foto: Klaus Leidorf, BMEL
Der Donaudurchbruch bei Weltenburg

Eigentlich ist der Donaudurchbruch bei Weltenburg kein Donaudurchbruch. Wieso das denn? Da fließt doch die Donau! Das stimmt, aber es war ein anderer Fluss, der sich da durchgebissen hat; und zwar die Schutter. Später, das ist etwa 150.000 Jahre her, da hat die viel zu große Donau sich dann ins gemachte viel zu kleine Bett gesetzt. Seitdem quetscht sie sich durch die Weltenburger Enge.
Aber erstmal der Reihe nach: Wie kommt es, dass ein Fluss sein Bett wechselt? Mit Flüssen ist so wie mit uns Menschen: Wir sind Gewohnheitstiere. Und wenn wir ein schönes, bequemes Bett haben, dann schaffen wir uns nicht auf einmal ein neues Bett an.
Ursprünglich hatte die Donau ihr Bett dort, wo heute die Altmühl fließt. Das sieht man noch heute. Dieses Tal ist für die kleine Altmühl viel zu groß. Erst bei Welheim, weit hinter Eichstätt trennten sich Donau und Altmühl. So war es über Jahrmillionen. Und so wäre es heute noch, wenn da nicht das kleine Flüsschen Schutter dahergekommen wäre.
Die kleine Schutter hat sich über viele, viele lange Jahre gequält und die Weltenburger Enge geschaffen. Dabei hat sie sich immer weiter in Richtung Donau zurückgearbeitet. Wie kann sich denn ein Fluss zurückarbeiten? Das geht so: Nehmen wir einen Wasserfall als Beispiel. Das Wasser fließt auf einer harten Gesteinsschicht. Dann kommt die Fallkante. Das Wasser stürzt herunter. Wenn das Wasser unten tosend aufprallt unterspült es mit der Zeit das eigentliche Flussbett. Irgendwann bricht das Gestein darüber ab, der Fluss wandert rückwärts. Das nennt man rückschreitende Erosion. Und so war es auch mit der Schutter. Die ist so weit zurückgewandert, dass sie bei Welheim auf die Donau getroffen ist. Das war vor 150.000 Jahren.
Flüsse sind, wie Menschen, faul. Sie gehen den Weg des geringsten Widerstandes. Und so kam diese Abkürzung für die Donau wie gerufen. Dort, wo die Donau die Abkürzung genommen hat, ist heute das Welheimer Trockental. Ein riesiges ausgetrocknetes ehemaliges Tal, das die Donau geschaffen hat, in dem sie aber schon lange nicht mehr fließt.
Heute ist die Weltenburger Enge eines von Niederbayerns Naturwundern. Abertausende Touristen fahren jedes Jahr mit Schiffen und Booten durch den größten Canyon Niederbayerns und staunen über die märchenhaften Felsen und die Sagen, die man sich von ihnen erzählt. Aber das ist eine andere Geschichte…
Christoph Goldstein
Foto: https://pixabay.com/de/photos/donaudurchbruch-donau-felsen-herbst-4595191/
Neues Jahr – neuer Kalender

Das Bewusstsein für zyklisch wiederkehrende Ereignisse, wie z. B. der Wechsel von Tag und Nacht, die Mondphasen oder Sonnwenden, drängte die Menschen schon in der Vor- und Frühzeit ihrer Kulturgeschichte zur Zeiteinteilung. Den Jägerkulturen war die Kenntnis regelmäßig stattfindender Tierwanderungen hilfreich. Bei den Ackerbaukulturen spielte das Wissen um die genauen Zeitpunkte für Aussaat und Ernte eine überlebenswichtige Rolle. Viele vorgeschichtliche Bauten wie etwa die Sonnentempel in Lateinamerika, die Monumente von Stonehenge oder die Kreisgrabenanlage von Künzing-Unternberg in Niederbayern waren sogenannte Kalenderbauten. Man weiß heute, dass sie durch ihre Ausrichtung auf den Stand der Sonne an bestimmten Tagen eine kalendarisch exakte Bestimmung zuließen; zudem waren mit der systematischen Himmelsbeobachtung auch religiöse Kulte verbunden.
Kalender spielen also in der Kulturgeschichte eine zentrale Rolle. „Kalender“ bedeutet im weitesten Sinn Zeitrechnung, im direkten handelt es sich um das Verzeichnis der nach Wochen und Monaten geordneten Tage eines Jahres. Das Wort stammt aus dem Lateinischen. Calare heißt „ausrufen“. Calendae hieß der erste Tag jeden Monats, an dem der neue Monat öffentlich ausgerufen wurde. Im Mittelalter entstand daraus der Zeitweiser durch das Jahr, das „Calendarium“, das in der heutigen Bezeichnung „Kalender“ fortlebt.
Da die alten Kalender – der ägyptische, der altrömische und der Julianische Kalender – Ungenauigkeiten gegenüber dem astronomischen Jahr aufwiesen, ordnete Papst Gregor XIII. 1582 eine Kalenderreform an. Der nach ihm benannte „Gregorianische Kalender“ gilt bis heute.
Seit Jahrhunderten zählt der Kalender zu den alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Mit dem Übergang von der alten Agrar- zur modernen Industriegesellschaft änderten sich allerdings Gebrauch- und Bedeutung. Bald standen nicht mehr Information und Belehrung der ländlichen Bevölkerung im Vordergrund. Die Industriegesellschaft brauchte keine sogenannten „Bauernkalender“ mehr mit Mondphasen und Wetterregeln – für sie ging es um die Zeiteinteilung im Stundentakt. „Zeit ist Geld“ lautete die Devise, und deshalb musste die Nutzung des Faktors Zeit laufend optimiert werden. Dies führte zum Paradoxon des 20. Jahrhunderts: Der Mensch leidet trotz des Einsatzes von Maschinen und modernster Technik als arbeitserleichternde Hilfsmittel unter Zeitmangel. Bisweilen stellen wir hilflos fest, dass unsere Zeit schnelllebig, ja zu schnelllebig geworden ist. Eine gute Zeiteinteilung und ein konsequent geführter Kalender erleichtern Vieles. Das neue Jahr und ein neuer Kalender – ob analog oder digital – können Anlass und Hilfe sein, Zeitmanagement und Lebensqualität besser in Einklang zu bringen.
Maximilian Seefelder
Foto: Museum Quintana