Brauch, Wandel und Recht

Bräuche verbinden wir mit Geselligkeit und Lebensfreude. Man lässt den Alltag hinter sich und feiert nach traditionell festgelegten Regeln den besonderen Anlass in der Gemeinschaft. Dies geschieht zu kirchlichen und weltlichen Feiertagen, offiziellen Gedenktagen und persönlichen Festen sowie an Brauchterminen, die der Jahreskreislauf beschert. Mancherorts wird die Feierfreude getrübt, zum Beispiel wo Beteiligte vorgegebene Gepflogenheiten missachten. Zur Erinnerung: Gestohlene Maibäume gehören zum ritualisierten Spiel, zersägte Bäume, wie schon mehrfach geschehen, eben nicht.

Immer wieder gibt es Streit, wenn es um die Auslegung von Bräuchen geht. Ein solcher ist jüngst entbrannt wegen des Memminger Fischertags, der Mitte Juli stattfindet. Der alljährlichen Säuberung des Stadtbachs, der Memminger Ach, geht seit dem 16. Jahrhundert ein Abfischen voraus. Aus der Notwendigkeit der Bach-Reinigung verfestigte sich der Brauch, der nach 1900 zum Heimatfest mutierte und seit 1950 von einem eigens dazu gegründeten Verein organisiert wird. Der Brauch des Abfischens mit der Aussicht Fischerkönig zu werden, blieb bis dato den Männern vorbehalten. Dagegen klagte im zurückliegenden Jahr eine Memmingerin, die als Mitglied des Fischertagsvereins die Veranstaltung mitorganisiert. Zugleich monierte sie nun, dass Frauen beim Spektakel des Abfischens ausgeschlossen blieben, für sie damit keine Aussicht bestünde, Fischerkönigin zu werden und eben dies eine Benachteiligung darstelle. Die Klägerin hatte vor dem Amtsgericht Recht bekommen mit der Begründung, die Regel sei diskriminierend. Gegen dieses Urteil legte der Fischertagsverein unter Berufung auf Tradition und Vereinsautonomie Beschwerde ein. Der Streit geht also weiter.

Nun müsste man angesichts des Brauchs und seines historischen Kontexts nicht zwingend auf Diskriminierung schließen, wie man sie heute hineininterpretiert. Aber auch Traditionen, die bei solchen Streitigkeiten gerne bemüht werden, waren nie in Stein gemeißelt.

Bräuche werden von Gemeinschaften getragen. Seit jeher unterliegen sie wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Veränderungen. Nur so blieben viele Bräuche überhaupt lebendig. Andere, die sich als überholt und nicht mehr „brauchbar“ erwiesen, kamen ab.

Um ein einfaches Beispiel zu bemühen: Durch die rapiden Veränderungen in der Landwirtschaft haben die „Schlenkeltage“, wie man sie zu Mariä Lichtmess den Knechten und Mägden als ungeschriebenes Recht gewährte, ihre Bedeutung verloren.

Ein weniger argloses Beispiel: 2008 marschierten im niederbayerischen Rottal rund 1500 Haberfeldtreiber vor dem Hof des damaligen Deutschen Bauernverbandspräsidenten Sonnleitner auf und protestierten lautstark gegen die Agrarreformen. Die Aktion schlug besonders hohe Wellen und erntete Kritik. Denn Rügebräuche wie das Haberfeldtreiben sind aus gutem Grunde ausgestorben. Ihren ursprünglich harmlos-scherzhaften Charakter haben sie im Lauf ihrer Entwicklung verloren. In den schlimmsten bekannten Fällen wandelte sich das Haberfeldtreiben zu einer bösartigen Form der Selbstjustiz, das zu keiner Zeit rechtlich tolerierbar war. Und ganz allgemein gilt: Handfeste Beleidigung und Diffamierung sind sowieso nicht durch die Berufung auf Brauch und Traditionen zu rechtfertigen.

Also, nicht die Tradition entscheidet über die Ausübung und Gestalt von Bräuchen. Die Gesellschaft entscheidet, was für sie brauchbar ist. Deshalb sind Bräuche von Zeit zu Zeit einem Wandel unterworfen.

Maximilian Seefelder
Foto: Georg Gerleigner

Was unsere Autoren in den Sommerferien unternehmen!

Südlich von Landshut ist die Keramik zu Hause. Es gibt keine andere Gegend, in der es so hervorragende Tonvorkommen gab und gibt. Was kann man mit dem Ton alles anstellen? Nun, natürlich kann man aus Ton Backsteine brennen und Häuser, Bauernhöfe und Kirchen damit bauen. Aber aus einem Batzen Ton, da kann auch eine elegante Vase oder ein wunderschön verzierten Teller werden. Wer Lust hat, kann im Herzen von Landshut seine ganz persönliche Tasse, seinen ganz persönlichen Teller bemalen. Bei 300 verschiedenen Keramikrohlingen und vielen, vielen Farben, fällt einem die Auswahl schwer. Eine gute Idee für den Kindergeburtstag oder für langweilige Nachmittage. Tipp: Bringen Sie Zeit mit. Zwei Stunden vergehen beim Malen wie im Flug.

Informationen und Anmeldung:

https://www.keramik-bemalen-landshut.de/

Niemand auf dem Bauernhof hat es so gut gehabt wie die Tauben. Richtige Paläste mit Türmchen, Wetterfahnen, Fensterläden und Balkonen haben die Bauern für sie gebaut, inmitten ihres Hofs, gleich neben Hundehütte, Brunnen und Misthaufen. Und heute? Tauben sind nicht mehr cool. Sie sind von den Bauernhöfen Niederbayerns verschwunden. Aus allen Bauernhöfen? Nein. In einem kleinen Dorf mitten in Niederbayern, da gibt es noch einen Bauernhof mit einem echten Taubenhaus, mit echten Tauben. Und welches Dorf ist das? Nun, wenn Sie es herausfinden wollen, dann setzen Sie sich doch einfach aufs Fahrrad! Im Landkreis Dingolfing-Landau gibt es seit einigen Jahren zwei verschiedene Radtouren, die an einigen der schönsten Taubenhäuser Niederbayerns vorbeiführen. Tipp: Beginnen Sie die Tour in Pilsting und dann Richtung Parnkofen.

https://www.ferienland-dingolfing-landau.de/natur-entdecken/radtouren/alle-radtouren/

Wanderstiefel raus und auf in die Natur! Über Stock und Stein, steil bergauf oder gemütlich spazieren, rund um den Rachel findet jeder einen Weg, der ihm gefällt. Am Rachelsee angekommen, ist Zeit für ein Päuschen. Von dort aus ist es noch eine Stunde bis zur wunderschönen Rachelkapelle. Dort ist eine gute Gelegenheit zu verschnaufen und ein Foto zu machen. Kapelle+See ist eines der beliebtesten Fotomotive Niederbayerns! Nun geht es weiter auf den Gipfel. Es wird steil, planen Sie nochmal 45 bis 60 Minuten ein. Wenn Sie es geschafft haben, lassen Sie den Blick schweifen und genießen Sie das wunderbare Panorama. Bei gutem Wetter erwischen Sie vielleicht sogar einen Alpenblick. Tipp: Planen Sie selbst für die kürzeste Route mindestens 3 Stunden ein.

Wie wäre es mit einem Ausflug ins schöne Rottal? Wenn ja, dann ist die Rottaler Hoftour ganz bestimmt etwas für Sie! Im Eventhof DAS BIERINGER, nicht weit entfernt von Tann, gibt es am 9. und 10. August den Workshop Nähen für Kinder. Im Schmuckatelier Töttermann in Eggenfelden können Sie bei einer Werkstattführung am 14. August sehen, was eine echte Gold- und Silberschmiedin so alles macht. Und am 6. August gibt es eine Führung durch das Wildgehege vom Giglerhof in Bad Birnbach. Für noch viel mehr Ausflugsideen, folgen Sie dem Link:

https://www.rottal-inn.de/wirtschaft-tourismus/tourismus/rottaler-hoftour/

Sophia Attenberger und Christoph Goldstein

Soviel Kunst an Rott und Inn

In einem Landstrich, in dem schon Zehntausend-Einwohner-Städte wie Pfarrkirchen, Eggenfelden oder Simbach als Zentren gelten, erwartet man keine großen Kunstschauen, schon gar nicht an Orten, die „Wurmannsquick“, „Kößlarn“ oder „Kottigstelzham“ heißen. Wenn sich aber viele Kleine zusammenschließen, entsteht manchmal eben doch etwas Größeres: Dann gibt es 19 Ausstellungen im Landkreis Rottal-Inn (und ein kleines bisschen darüber hinaus), Landschaftsdarstellung aus der Region, aber auch von Ibiza, vom Atlantik und Pazifik, von Traum- und Seelenlandschaften. Es gibt Malerei, Zeichnung, Fotografie, Video und Installation, in Museen, Galerien, Kunsthäusern. Gemeinsame Themenschwerpunkte verbinden die Ausstellungsorte, an denen es Kunst aus drei Jahrhunderten zu sehen gibt: https://landschaftsmalerei.rottal-inn.de

Dass das Thema Landschaft hier eine Rolle spielt, versteht sich nur scheinbar von selbst. Zwar hat man die Natur im dünn besiedelten Land noch häufiger als anderswo unverstellt vor Augen. Doch zur Abbildung bedarf es auch des interessierten Blickes der Künstler. Die längste Zeit der Kunstgeschichte hatte Landschaftsdarstellung keine große Bedeutung. In der abendländischen Kunsttradition diente sie bestenfalls als Folie, vor der Heilige posierten, sich Biblisches und Mythologisches ereignete. Erst als im 18. und 19. Jahrhundert vor allem Engländer den Tourismus in Europa begründeten, entstand das Bedürfnis nach Reiseandenken, die authentisch an den besuchten Ort erinnerten. In Bayern gehörten die Alpen und das Donaugebiet zu den frühen touristischen Hotspots, und es ist kein Zufall, dass im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert Motive aus diesen Regionen besonders häufig waren. Das Land dazwischen, z. B. jenes an Rott und Inn, nahmen jedoch lange Zeit nur ein paar wenige Einheimische wahr, wie z. B. der Kirchenmaler Franz Xaver Zattler (1833‒1907) aus Wurmannsquick. Erst als im 20. Jahrhundert zunächst „Sommerfrischler“ dann – seit den 60er Jahren – Kurgäste im „Niederbayerischen Bäderdreieck“ die Region nach und nach zu einer der umsatzstärksten Urlaubsregionen Bayerns machten, reisten auch Künstler herbei und nahmen die hügelige Landschaft an der Rott und das breite Inntal in den Blick: Josefa Pernstich (1886‒1941), Hans Reiffenstuel (1894‒1980), Anton Leidl (1900‒1975) oder Carlo Schellemann (1924‒2010). Nur der wohl bedeutendste Vertreter dieser Generation, Josef Karl Nerud (1900‒1982), ist in Simbach am Inn geboren.

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zog es zunehmend bildende Künstler in die Gegend. Die wachsende Beliebtheit des Gebiets bei den Touristen mag eine Rolle gespielt haben, mehr noch die Tatsache, dass in den verstreuten bäuerlichen Anwesen der Gegend attraktive und vergleichsweise günstige Wohn- und Atelierräume zu haben waren. Es entstanden (und entstehen) eigene Galerien und Kunsthäuser: der Schauraum K3 von Rudolf Huber-Wilkoff in Kottigstelzham, das neue Kunsthaus „Alte Post“ in Triftern von Bernd Stöcker oder der vom Bezirk 2020 ausgezeichnete Glasbau in Pfarrkirchen. Alle sind sie auch Teil der Verbundausstellung. Soviel Kunst an Rott und Inn!

Ludger Drost
Fotos: Georg Thuringer und Rudolf Huber-Wilkoff

Land unter in Landshut

Landshut hat es wieder einmal in die Süddeutsche Zeitung geschafft: Nicht mit einem Bürgermeister, der im Biotop baut, oder mit einem rechten Blogger, nein, diesmal geht es ums Wasser: Zwei Wochen ist es her, dass sich direkt über Landshut ein gewaltiges Unwetter entladen hat, das zweite seiner Art innerhalb weniger Wochen. Beim ersten Mal waren die Ortsteile Achdorf und Kumhausen besonders betroffen, jetzt waren die Innenstadt und Hagrain an der Reihe. Und wieder waren Facebook, Instagram & Co. überfüllt mit Fotos und Videos: vollgelaufene Keller und Tiefgaragen, Flüsse, wo sonst Straßen sind, und ganz, ganz, ganz viel Schlamm. Natürlich kann man da jetzt sagen: „Naja, war eben ein Jahrhundertereignis.“ Aber redet man sich da nicht zu leicht heraus? Immerhin waren es ja gleich zwei jahrhundertunwetterwürdige Gewitter in kurzer Zeit. Natürlich, fürs nächste Mal bleibt noch der Begriff Jahrtausendunwetter. Aber macht man es sich so nicht etwas zu einfach? Irgendwie könnte es sein, dass all die immer häufigeren und heftigeren Unwetter und Hitzewellen etwas mit dem Klimawandel zu tun haben, oder?

In Landshut kommt noch etwas dazu: Fast keine Stadt ist in den letzten 20 Jahren so schnell gewachsen. Die letzten 20 Jahre hat man keine Gelegenheit ausgelassen, nachzuverdichten. Und das Wasser? Hat immer weniger Platz vor lauter Tiefgaragen, Straßen, Hangbefestigungen, betonierten und gepflasterten Flächen. Aber das Wasser ist so unbarmherzig, wie es die Bauherren unbarmherzig in die Enge treiben: Wo früher ein Häuschen mit großem Garten war oder eine Wiese, wo das Wasser versickern konnte, da stehen jetzt riesige Wohnanlagen mit ungeheuer großen Tiefgaragen für ungeheuer große Autos. Überraschung: Jetzt kann das Wasser nicht mehr versickern, also macht es sich in den Tiefgaragen breit.

Vielleicht muss man sich in Zukunft doch etwas andere Gedanken machen. Natürlich, es gibt so etwas wie Sturzflutmanagement. Das hatte Landshut natürlich nicht. Zu teuer und: „Wer braucht denn so was?“ Aber irgendwann hilft auch das nicht mehr. Ist es nicht endlich an der Zeit für eine schlaue Stadtplanung? Und das hat nicht nur etwas mit dem Wasser zu tun. Städte brauchen Grünflächen. Stein, Beton und Glas heizen sich nun einmal stark auf. Stichwort: Hitzewelle. Wie wäre es mit einer klugen Planung, einer Baukultur, in der es nicht nur Bäume, Wiesen und Parks gibt, sondern auch Straßen und Häuser so geplant werden, dass die Luft zirkulieren kann und dass ein kühles Lüftchen wehen kann? Ach ja, so etwas wie Dach- und Fassadenbegrünung gibt es ja auch noch…

Christoph Goldstein
Foto: Christoph Goldstein

Bikini – (modische) Explosion in zwei Teilen

Auch wenn wir die ersten Bikini-tragenden Frauen von antiken Mosaiken her kennen, so war der Aufschrei groß als vor 75 Jahren der Maschinenbauingenieur Louis Réard seinen Bikini der Öffentlichkeit vorstellte. Vier Dreiecke, zusammengehalten von dünnen Schnüren, widersprachen einer konservativ, bürgerlichen Moralvorstellung, die den Körper der Frau in der Öffentlichkeit tabuisierte. Weil sich professionelle Models weigerten ein solch freizügiges Kleidungsstück zu tragen, wählte Réard Micheline Bernardini, eine hauptberufliche Nackttänzerin im Casino de Paris. Sie präsentierte am 5. Juli 1946 den ersten Bikini, dessen Aufdruck eine Collage aus verschiedenen Zeitungsausschnitten bildete, bei einer Misswahl. Der zweiteilige Badeanzug war dermaßen skandalös, dass sich dessen Erfindung innerhalb kürzester Zeit weltweit verbreitete.

Trotz seiner Sprengkraft hatte der Bikini – benannt nach dem Ort, an dem die USA den ersten Atomtest nach dem Zweiten Weltkrieg durchführen ließ – Startschwierigkeiten im Verkauf. Er wurde in vielen Badeorten verboten; in den USA sogar bei Schönheitswettbewerben und in Hollywoodfilmen.

Der Bikini blieb tabu. Gerade deswegen wurde er in den 1960er Jahren ein Symbol der Emanzipationsbewegung. Wie der Minirock war er ein provokantes Mittel beim Kampf der Frauen um ihr Recht auf Selbstbestimmung. Nach und nach fielen die Verbote. Der Preis für den zweiteiligen Badeanzug wurde erschwinglich und die Modeindustrie schafft freizügige und ausgefallene Modelle, um den Kampf der Frauen symbolisch zu unterstützen. Und trotzdem konnten Trägerinnen des Bikinis etwa in Deutschland von der Justiz bestraft werden. So etwa das 17-jährige Fotomodell Ilonka, die 1965 im Bikini über den Münchner Viktualienmarkt lief. Zur Strafe musste sie an drei Wochenenden die Fußböden in Altenheimen putzen. Auch dieser „Skandal“ konnte den Siegeszug des Bikinis ebenso wenig aufhalten wie die Bestimmung eines Passauer Schwimmbads, dessen Paragraph 7. Absatz 3 bis 1971 folgende Bestimmung enthielt: „Das Tragen der so genannten Bikini-Anzüge ist verboten.“

Der „Zahnseiden-Tanga“ oder Rio-Bikini und die Oben-Ohne-Welle, bei der vor allem Häkel-Bikinis beliebt waren, sind als größere Aufreger der 1970er Jahre zu verstehen. Die folgenden Jahre und Jahrzehnte brachten keine Bikini-Revolution, aber mehr (Neon-)Farbe, andere Stoffe, verschiedene Schnitte, die unterschiedlich viel Haut bedeckten. Monokini, Trikini und andere floppten. Neben sonnendurchlässigen Stoffen bietet die Bademode für die Sonnenanbeterinnen auch sog. Tan-Timer, bei der ein Piepston signalisiert, dass sich die Trägerin nach 15 Minuten umdrehen sollte, damit sie gleichmäßig gebräunt wird. Mit Blick auf das vergangene Jahrhundert, als Frauen noch mit vorgeschriebenen Beinlängen und Ausschnittgrößen oder Wollstrümpfen baden gehen durften, ein wahrer Fortschritt. Das einst als schamlos empfundene Kleidungsstück ist heute sehenswerter Bestandteil von Badekultur.

Cindy Drexl

 

Susi? Bella? Oder Heidi? Beliebte Kuhnamen

Wie ein Mensch heißt, das steht auf seinem Personalausweis. Aber woher weiß man, wie eine Kuh heißt? Fragen kann man sie ja schlecht, oder? Ist ein Blick auf die Ohrmarke, des Rätsels Lösung? Nein, hier stehen viele Zahlen, Buchstaben und ein Strichcode, aber kein Name. Die Ohrmarke ist trotzdem eine Art „Kuhpersonalausweis“: Ganz oben steht ganz groß eine Nummer. So wie jeder Mensch eine eigene Steuernummer hat, so hat jede Kuh auch eine eigene Nummer.

Und wie ist das jetzt mit dem Namen? Braucht es den heute überhaupt noch? In großen Betrieben mit vielen hundert Tieren tragen heute nur noch einige wenige, besondere Tiere einen Namen. In Bayern, insbesondere in kleineren Betrieben in denen es nur 40 oder 50 Kühe gibt, ist das noch anders. – Zurück zu den beliebtesten Kuhnamen: Bis Ende der 1970er Jahre war der Name „Alma“ mit großem Abstand an der Spitze der beliebtesten Kuhnamen. Seit 1980 führt, bis heute, der Name „Susi“ die Liste an, gefolgt von „Bella“, Rang zwei, und „Heidi“, dritter Platz. Alma ist heute nur noch auf Platz vier. Wie lange dauert es wohl, bis „Susi“ den ersten Platz abgeben muss?

Auch auf den hinteren Plätzen der Top-Ten bewegt sich etwas. Ganz neu dabei ist der Name „Emma“ (Rang sieben) und der Name „Anna“ (achter Platz). Was Kuhnamen angeht, lassen sich die Bauern und Bäuerinnen immer wieder etwas Neues einfallen: Im Namensverzeichnis des Landeskuratoriums der Erzeugerringe für tierische Veredelung (LKV) gibt es an die 20.000 Kuhnamen. Ein Name, bisher ein Exot, war 2020 ganz besonders beliebt. Er lautet, und das ist kein Wunder, „Corona“. 365 bayerische Kühe tragen ihn seit letztem Jahr.

Christoph Goldstein
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Das Schandlfilz in Binabiburg – von der Rossweide zur Restnatur

Die Bina ist ein kleiner Bach südlich von Vilsbiburg. Früher hieß sie „Pyna“. Das ist keltisch. An einem Westhang in unmittelbarer Nähe zur Bina und der Wallfahrtskirche St. Salvator liegt das „Schandlfilz“. Im Bayerischen Wald und Oberbayern sind Filze Hochmoore, die bei niedrigen Temperaturen, erhöhten Niederschlägen und schlechter Wasserabfluss entstehen. Hier handelt es sich eher um Quellwasseraustritte am Hangfuß, die im Lauf der Zeit zu einer solchen Vernässungen geführt haben. Selbst die Flurbereinigung konnte diesem sumpfigen Gelände nichts anhaben. Die Entwässerungsgräben um den gut ein Hektar großen, seit 1986 gesicherten schützenswerten, Landschaftsbestandteil laufen auch heute noch Richtung begradigte Bina. Einst war die Fläche eine komplett unbewaldete Weide für Kühe und Pferde. Das gute Quellwasser floss, in einem Brunnen gefasst, im natürlichen Gefälle bzw. pumpenfrei, bis zum Ortsmittelpunkt. Die seit 1820 im Ort ansässige Familie Schandl betrieb damit bis vor Jahrzehnten auch eine Brauerei samt Wirtshaus – heute mit die größten historischen Gebäude in Binabiburg, die die Eigentümer denkmalgerecht erhalten.

Die Biotopkartierung beschreibt diese Restfläche inmitten der ausgeräumten Fluren ohne Kenntnis der Vorgeschichte „als naturnahe Hecke (60%), naturnahes Feldgehölz (25 %), Feuchtwald incl. degenerierte Moorstandorte (10 %) und feuchte/nasse Hochstaudenfluren (5 %).“ Im Frühjahr finden sich hier noch vereinzelt Schneeglöckchen, Buschwindröschen, Scharbockskraut, viel Giersch, Brennnesseln und Schilf. Bei den Gehölzen dominieren Schwarzerlen. Daneben wachsen auch Eschen, Birken, Traubenkirschen und an den steilen, trockeneren Stellen Stiel-Eichen. Für Singvögel und Spechte ist dieser Flecken Erde ein willkommener Rückzugsort und Lebensraum.

Wer dorthin einen kleinen Ausflug machen will, der sollte sich die Zeit nehmen und die nahe gelegene Wallfahrtskirche „Zu unserem heiligen Herrn“ St. Salvator zu besuchen. Einfach den Herzogsweg nehmen, der einst von Landshut Richtung Burghausen führte. Der geschichtsträchtige Hohlweg mit seine steilen von mächtigen Eichen dominierten Flanken ist ebenfalls als Naturdenkmal geschützt. Der Legende nach soll einst ein Pferd in einem Wacholderbusch eine Hostie aufgespürt und sich fortan nicht von der Stelle gerührt haben. Es entstand eine Kapelle zu Ehren des Erlösers und oberhalb des einstigen Burgstalls mit Feste und später 1856 abgebrochenen Schlosses 1710 die heute tiptop renovierte Barockkirche. Der fantasiebegabte Kupferstecher Michael Wening hat sie im selben Jahr bereits portraitiert, obwohl damals erst der gelegt war. Das zentrale Deckengemälde des Eggenfeldener Anton Scheitler zeigt das einstige Hostienwunder.

Helmut Wartner
Foto: Helmut Wartner

Was ist schlimmer als Motorradlärm?

Ist der Krach, den ein vorbeirasendes Motorrad macht, Ihr Lieblingsgeräusch? Dann lesen Sie jetzt besser nicht weiter. Denn es geht um akustische Umweltverschmutzung; und zwar um eine der sinnlosesten Arten von Lärm und Krach neben Laubbläsern: Es geht um Motorradlärm.

Auf der einen Seite sind da die Motorradfahrer/innen, deren sehnlichster Wunsch es ist, sich elegant in die Kurve zu legen und dann zu beschleunigen. Auf der anderen Seite sind da die Lebewesen, Mensch und Tier, die von früh bis spät unter dem Jaulen, Knattern und Donnern leiden.

Lärm macht krank, das wissen wir. Und Motorräder sind ja nicht gerade leise. Dezibelmäßig spielen sie in der Kreissägen-Liga, nicht viel leiser als ein Presslufthammer. Deswegen gibt es auch seit 2016 eine Grenze. Sie lautet: 77 dB. Problem gelöst? Im Gegenteil. Die 77 dB gelten für den Standbetrieb. Bei Vollgas zum Beispiel sieht das ganz anders aus. Ruckzuck ist man da bei über 100dB! Deswegen gab es auch vor fast einem Jahr genau dazu eine Initiative im Bundesrat: Motorräder dürfen nicht lauter als 80dB sein; zusätzlich für besonders geplagte Regionen: Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen. Und was ist seither passiert? Nichts. Der Verkehrsminister blockiert und in Bayern sieht es auch nicht besser aus. Ein Minister sagte einmal in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“:

„Man muss nicht alles reglementieren und man muss mal alle fünfe gerade sein lassen. Sonst schleicht sich eine Verbotskultur ein, wo Menschen alles stört, vom krähenden Gockel bis zum Läuten der Kirchenglocken.“

Nun wenn aber der Gockel den ganzen Tag mit einer Stimmgewalt von weit über 100dB krähen würde, dann wäre er doch schon längst heiser, oder? Und Kirchenglocken sind auch nicht so ausdauernd wie Motorräder. Es bleibt also nichts Anderes übrig, als sich selbst darum zu kümmern. So wie in St. Englmar im Bayerischen Wald. Dort hat die Polizei Lärmdisplays aufgestellt, die die Motorradfahrer/innen höflich darauf hinweisen, dass sie zu laut sind. Schon längst gibt es Lärmblitzer. Das funktioniert dann so wie bei der Geschwindigkeitskontrolle, die jeder kennt. Und was auch stimmt: Nicht alle Motorradfahrer sind zu laut. Wie immer im Straßenverkehr gibt es die bösen Buben und die, die einfach nur in Ruhe den Fahrtwind genießen. Trotzdem: Wäre es nicht besser statt aufs Motorrad öfters auf den Drahtesel zu steigen? Das ist nicht nur besser für die Ohren, sondern auch besser für die Wadeln und fürs Klima sowieso.

Christoph Goldstein
Foto: https://pixabay.com/de/photos/motorrad-harley-davidson-harley-1148963/

KULTURMOBIL 2021 – Mit dem kleinen Prinz unterwegs durch Niederbayern

Sommer ist KULTURmobil-Zeit! Auch diesen Sommer reist KULTURmobil wieder kreuz und quer durch ganz Niederbayern. Abends um 20:00 Uhr wird Molières Komödie „Der Geizige“ gegeben. Ein Stück, in dem ein Vater so von Gier, Geiz und Geld besessen ist, dass er dafür sogar das Glück seiner Kinder aufs Spiel setzen würde. Seine Kinder aber versuchen ihn zu überlisten…

Nachmittags um 17:00 Uhr bringt die Schauspielerin Christine Reitmeier die Geschichte „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry auf die Bühne, eines der bekanntesten Bücher für Kinder und Jugendliche, die es gibt: Der kleine Prinz ist auf einem klitzekleinen Asteroiden zu Hause. Auf der Suche nach einem Freund besucht er verschiedene Planeten, bis er zu uns auf die Erde kommt. Auf seiner Reise begegnet er einem verrückten Gelehrten, einem geldgierigen Geschäftsmann und einem herrschsüchtigen König. Der kleine Prinz ist für ihn ein Untertan. Erinnert man sich an dieses und letztes Jahr, ist diese Episode besonders interessant: Der kleine Prinz ist müde von der Reise und muss gähnen. Der König ist empört und will es ihm verbieten. Der kleine Prinz erwidert, er könne es nicht verhindern. Nun befiehlt ihm der König zu gähnen. Im Text heißt es da ironisch: „Aber da er [der König] sehr gütig war, gab er vernünftige Befehle.“ Was sagt uns das? Nun, unser Staat hat keinen absolutistischen Herrscher, wie der König in der Geschichte; aber auch unsere Politiker müssen Verbote aussprechen. Und ihre Verbote in den letzten Monaten konnten nur so vernünftig sein, wie es die Bürgerinnen und Bürger auszuhalten bereit waren. Beide, Mensch und Staat, sind aufeinander angewiesen. Denn der König, den der kleine Prinz trifft, hat recht, wenn er sagt: „Befiehlst du einem Volk, sich ins Meer zu schmeißen, so wird es eine Revolution anzetteln.“

Vielleicht sind diese Gedanken ein Grund, das Buch wieder einmal zu lesen oder sich die Geschichte bei einem der Tourneestopps live anzusehen. Denn das ist ja das Schöne an der Kunst, dass sich der Blick auf sie mit der Zeit ändert und wir nach der Lektüre oder einem Theaterabend manchmal unser Leben, unsere Welt ein klein bisschen anders sehen als vorher.

Tourneeplan und viele weitere Informationen unter www.kulturmobil.de

Christoph Goldstein
Foto: Harry Zdera

Wir alle verbrauchen Fläche, Böden und gewohnte Heimatbilder

Seit Jahrzehnten versuchen diverse Regierungen, Kommissionen und Fachgremien das Thema Flächenverbrauch in den Griff zu bekommen. Unterm Strich erfolglos. Noch immer werden in Bayern und der Bundesrepublik hektarweise zum Teil hoch wertvolle landwirtschaftliche Böden durch neue Verkehrs-, Gewerbe- oder Wohnbauflächen unwiederbringlich zerstört. 2019 waren es 10,8 ha pro Tag oder 39 km² im Jahr. Das heißt: 15 Fußballfelder unbebaute Landschaft verschwinden täglich unter Beton, Kies, Asphalt.

Dabei gehen auch vertraute, weniger berührte, Landschaftsausschnitte verloren. Je langsamer die Fortbewegungsart der Betrachterin oder Betrachters ist, umso auffälliger ist der Verlust erkennbar. Auch die Vogelperspektive hilft manchmal, das ganze Ausmaß der Veränderungen zu erkennen. Doch wie lässt sich das ungebremste Wachstum der Vernichtung stoppen?

Ohne gründliches Hinterfragen unserer scheinbar unveränderbaren Gewohnheiten wird es nicht gehen. Gerade in einem Flächenland wie Bayern ist die Mobilität dabei ein zentrales Thema. Bestellungen im Internet sind praktisch und bequem? Das eigene Auto ist unverzichtbar? Also brauchen wir dafür neue Straßen. Und neue Flächen für Autohändler oder Logistikzentren aller Art. Mitten auf dem Land. Exemplarisch zum Beispiel im Markt Röhrnbach, wo derzeit die erneute Ausweitung eines bestehenden Sondergebietes diskutiert wird, ein Gewerbegebiet, in dem sich ein Unternehmen mit der Zweckbestimmung „Fahrzeug- und Transportlogistik“ angesiedelt hat. Dort parken hektarweise Autos, die durch den Einbau begehrter Extras veredelt werden sollen.

Das obige Luftbild zeigt das ganze Dilemma: ein kleiner Ort bekommt in exponierter Hanglage auf einen Schlag eine Ortserweiterung um mehr als das Doppelte. Als Baufläche für eine neue überdimensionierte Schuhschachtel samt gigantischen Stellplatz. Das bringt kurzfristig ein bisschen neue Steuereinnahmen. Alles ist abgesegnet vom örtlichen Gemeinderat, nachdem der Flächennutzungs- und Bebauungsplan alle behördlichen Hürden genommen hat, samt Umweltbericht und sogenannter Ausgleichsflächen im Rahmen der Kompensation für Verluste an Kultur- und Naturgütern: „Eine umfangreiche Eingrünung soll dazu beitragen, dass sich der Betrieb gut in das Landschaftsbild eingliedert“ schreibt die Gemeindeverwaltung dazu in einer Stellungnahme. So entstehen ganz legal auf demokratischem Weg landesweit täglich neue anachronistische Versiegelungsruinen.

Der unleugbare Klimawandel, die Corona-Pandemie und die anhaltende Krise der Landwirtschaft mit dem anscheinend zwangsläufigen Gesetz vom „Wachsen oder Weichen“ zwingen uns zu einem radikalen Kurswechsel. Immer mehr besorgte Bürgerinnen und Bürger haben das erkannt. Gefragt sind intelligente Ansätze, die die persönliche Verantwortung für die not-wenigen Veränderungen belohnen und die egoistischen Anspruchshaltungen nach dem Motto „Ich will alles am nächsten Tag geliefert haben“ so verteuern, dass sie künftig unwirtschaftlich sind.

Unsere „Zuvielisation“ missbraucht den Begriff Wachstum, der aus der Biologie kommt. Bäume wachsen bekanntlich nicht in den Himmel und das Leben findet in Kreisläufen statt. Sprache und Begriffe verändern die Welt. Deshalb sollten wir statt vom Wirtschaftswachstum eher von Vermehrung, Vergrößerung oder Aufblähung reden. Und von Mitwelt statt Umwelt. Oder vom Gebrauch statt Verbrauch.

Mit diesem neuen Verständnis müssen sogenannte Sondergebiete wie das obige Beispiel nicht mehr erweitert, sondern könnten eines nicht so fernen Tages vielleicht sogar rekultiviert und rückgebaut werden. Zugunsten einer geheilten Wunde in der Heimatlandschaft vor der Tür.

Helmut Wartner
Foto: Klaus Leidorf