Die weite Welt

Eine Frau und ein Mann waren viel durch die Welt gezogen und hatten endlich einen Platz gefunden, an dem sie bleiben wollten: ein Ort mit weitem Blick auf den Himmel, die Landschaft, Dörfer und Kirchtürme. Hier wollten sie auch eine Kapelle bauen. Doch zunächst musste die abgebrannte Hofstelle wieder errichtet, das Land bestellt werden. Kinder kamen hinzu. Als der Mann aber merkte, dass er sterben würde, bat er seine Frau, nun die Kapelle zu bauen. Und als man ihn zu Grabe trug, legte sie den Grundstein. Bald stand auf dem Hügel ein kleiner hölzerner Bau. Es sprach sich herum, dass dies ein besonderer Ort ist. Seither kommen die Menschen herbei, finden Ruhe und Weite, und vielleicht auch Hilfe für ihr Leben.
Was klingt wie die Ursprungslegende einer mittelalterlichen Wallfahrt, ist eine Geschichte aus der Gegenwart. Im Jahr 2003, dem Todesjahr des Verhaltensforschers, Autors und Dokumentarfilmers Erik Zimen, begann seine Frau, Mona Zimen, mit dem Bau der Kapelle an ihrer beider Anwesen in Grillenöd bei Haarbach im Landkreis Passau: ein kleiner rechteckiger Raum, nach Osten dreiseitig geschlossen, ein Türmchen mit einer Glocke über dem Portal im Westen, im Inneren ein hölzernes Gewölbe. Wie so eine Kapelle in Niederbayern eben aussieht. Oder doch nicht?
Der Kapellenraum ist offen, wie die Landschaft, die ihn umgibt: Man kann ihn jederzeit betreten. Jeder kann ihn betreten, egal welchem Glauben oder Nicht-Glauben er anhängt. Dafür sorgt auch die Ausmalung, die die Künstlerin Rut Kohn in der ihrer eigenen Technik mit Buntstift auf Holz über acht Jahre hinweg geschaffen hat. Die Motive, die sie für diesen Ort fand, sind grundlegend für unsere Existenz: der Kosmos, das Leben, die Schöpfung, die Frage nach dem Göttlichen. Die Ostwand nimmt wie ein mittelalterlicher Flügelaltar ein Triptychon ein. In geschlossenem Zustand steht es vor einer rotglühenden Feuerwand. Ein zartes gemaltes Tuch verhüllt den Schrein, lässt nur mit einer kleinen, roten Öffnung die Explosion aufscheinen, die sich von der Energie des Feuers gespeist drinnen ereignet: Pflanzen, Fische, Vögel, Getier aller Art und Menschen: das Wunder, das Rätsel des Lebens, Werden und Vergehen – Rut Kohn hat all das in großer Vielfalt ausgebreitet und zugleich in sprechenden Symbolen auf den Punkt gebracht: drei von Fruchtbarkeit kündende, satt-rote Granatäpfel etwa oder eine Uhr mit federleichten Zeigern.
Raum und Zeit, Jahreszeiten, Monate und ein sich über allem wölbender, blauer Himmel voller zeichenhafter Sterne füllen den Raum. Die Bilder überführen die Weite der Umgebung in den kleinen Kapellenraum. Die ganze Unendlichkeit scheint auf einen einzigen Ort konzentriert. Früher hätte man wohl gesagt: ein Gnadenort.
Ludger Drost
Fotos: Georg Thuringer
Revolution! Ein Zwiefacher und zwei Niederbayern in München

Dieser Zwiefache hält nicht, was sein Titel verspricht. Weder die Form noch die Akkordverbindungen sind besonders revolutionär. Entdeckt haben wir ihn in einem alten Notenheft, das über 100 Jahre alt ist. Und da kann es gut sein, dass der Zwiefache entstanden ist, als in Bayern 1918 und 1919 Revolution war. Auch das Notenheft hat eine interessante Geschichte hinter sich. Jetzt ruht es freilich im Volkskulturarchiv des Bezirks Niederbayern. Davor hat es dem niederbayerischen Steinmetz und Musiker Alois Prebeck aus Luhof bei Bernried gehört. Er hat in vielen verschiedenen Kapellen gespielt und muss ein rechter „Dipferlscheisser“ gewesen sein, denn er hat in das ganze Heft mit grüner Tinte eine Korrektur nach der anderen hineingeschmiert. Wenn Sie mehr wissen wollen, es gibt zu Alois Prebeck auf diesem Blog einen eigenen Artikel. https://www.kulturheimat.de/nochmal-schoener-abschreiben-zwiefachenpolizei-aus-bernried/
Werbeblock beendet, jetzt aber zurück zur Revolution! In Niederbayern waren die Revolutionsjahre nicht so turbulent, wie sie es in München waren. Dort hatte es am 8. November 1918 eine kleine Gruppe um Kurt Eisner geschafft, ganz ohne Blutvergießen die Wittelsbacher vom Thron zu stoßen und den Freistaat Bayern auszurufen. Mittendrin waren damals zwei Niederbayern: die Brüder Carl und Ludwig Gandorfer aus Pfaffenberg. Die Gandorfers waren eine reiche, einflussreiche Familie. Sie hatten einen großen Hof, eine Ziegelei und eine Sägemühle. Normalerweise vertragen sich Einfluss und Revolution nicht, aber bei den Gandorfers war es anders. Carl war Bauunternehmer, Bürgermeister und Landtagsabgeordneter. Es war Ludwig, der es am 7. November 1918 zusammen mit Kurt Eisner und einigen wenigen Gefolgsleuten geschafft hat, die Kasernen nahe der Theresienwiese zu stürmen und die kriegsmüden Soldaten zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen. Ludwig III. musste aus der Stadt fliehen, Bayern war auf einmal auf dem Weg zu einer Demokratie. Als Ludwig Gandorfer drei Tage später mit dem beschlagnahmten Fiat des Prinzen Joachim Albrecht von Preußen nach Pfaffenberg zurückfahren wollte, um Lebensmitteltransporte nach München zu organisieren, verunglückte er tödlich bei einem Unfall. Sein Bruder Carl war auch nach der Ermordnung Eisners und dem blutigen Ende der Räterepublik Landtagsabgeordneter und später, während der Weimarer Republik, bis zu seinem Tod 1932 im Reichstag.
Bezirk Niederbayern (Hrsg.): Rumpertibum, 100 Zwiefache aus Niederbayern, Landshut 2022, 16 €, ISBN 978-3-942155-08-3, bestellbar unter kultur@bezirk-niederbayern.de, Tel. 0871 97512-734.
Christoph Goldstein
Die mächtigen Eichen von Weihenstephan

Die Lagebeschreibung „Zwei Eichen nordwestlich von Weihenstephan (zwischen Hohentann und Ergolding) am Fußweg nach Eichstätt, an der St. Nepomuk-Kapelle“ im Formblatt für das Naturdenkmal Nr. 2277 weist darauf hin, dass zumindest Gläubige früher auch gerne zu Fuß gewandert oder gepilgert sind. Bereits seit 1937 stehen die zwei Eichen unter Schutz. Das Alter von 300-350 Jahren dürfte eher zu hoch gegriffen sein, weil sich Eichen in unseren Breiten an geeigneten Standorten gerne recht gut entwickeln.
Vielleicht gibt es im Zusammenhang mit dem Baujahr der Kapelle um 1780 einen Hinweis auf das korrekte Alter der beiden Bäume. Der Erbauer Johann Nepomuk Reichsgraf von Etzdorff (1739 – 1803) hat, wie früher üblich, vielleicht links und rechts der Kapelle einen Baum gepflanzt. Der Hl. Nepomuk hilft gegen Schäden in Weinbergen, bewahrt Äcker vor Frost und Unwettern, außerdem vor Hungersnot, Pest, Krieg, Armut und anderen Beschwerden; fast wie ein idealer Schutzpatron in Zeiten des menschengemachten Klimawandels. Sein Tod als Staatsheiliger der Habsburgermonarchie durch Ertränken an der Prager Karlsbrücke 1393 hat ihm auch die Ehre eines „Brückenheiligen“ verschafft.
In Weihenstephan ist aber weit und breit keine Brücke zu sehen. Allerdings war die westlich gelegene Wiese früher oft überschwemmt und sogar der nahegelegene Schlosshof samt Wassergraben von Überflutungen bedroht. Vielleicht ist die Kapelle deshalb auch vom nahe gelegenen Erschließungsweg abgewandt: so kann der Nepomuk dem vermeintlichen Unheil besser in die Augen schauen.
Im Jahre 1985 stellte der Baumsachverständige Dr. Aloys Bernatzky in einem Gutachten fest: „Die südlichere Eiche ist schlechter ausgebildet, u.a. durch eine Störzone im Wurzelbereich. Sie zeigt folgende Mängel: Krebsartiger Schädlingsbefall, Höhlung des Stammes, Astausbrüche. Beide Bäume sind geschädigt durch Bodenverdichtung und die mit Gras bedeckte Baumscheiben.“ Deshalb empfahl er Seilanker, Bodenlockerungen, Belüftung und Düngung und beim südlichen Exemplar Gewindestäbe. Das war in diesen Zeiten der „Stand der Technik“. Heute ist dieser Rat zugunsten baumschonenderen Methoden gottseidank überholt.
Heute wirken die zwei Eichen recht vital, der Weg zur Kapelle ist allerdings nur über hüfthohe Brennnesseln erreichbar. Der damalige Schlossherr und Besitzer Joseph Erwein, Graf von Deroy, Freiherr von Fürstenberg ließ sie 1947 renovieren. Eine Besonderheit des Weihenstephaner Nepomuks ist, dass ihm der übliche Strahlenkranz mit den symbolischen 5 Sternen fehlt. Dafür fühlen sich in seiner Nähe Vögel wohl, die gerne hinter dem Schutzgitter nisten.
Zum 100jährigen Gründungsfest der freiwilligen Feuerwehr am 22. Juni 1973 diente die Kapelle mit den flankierenden mächtigen über 20m hohen Eichen als erhöhter Altarraum über der Johanniswiese. Diese war in den 60er bis 80er Jahren des letzten Jahrhunderts auch beliebter Bolzplatz für die Jugendlichen.
Ein Wermutstropfen sind die zahlreichen Fichten im Bereich der Baumkronen, die der heutige Schlossherr auf Drängen eines Anwohners pflanzte, um diesem den Blick auf ein kommendes Baugebiet östlich der Eichen dauerhaft zu ersparen. Sie sollten zugunsten des Naturdenkmals weichen und so den Blick auf die mächtigen Zeugen ungebrochener Lebenskraft wieder freizumachen.
Helmut Wartner
Foto: Helmut Wartner
Höllmühle, Ödmühle, Dimpflmühle – alte Mühlen in Niederbayern

Getreide anzubauen und daraus Mehl zu machen, ist eine der ältesten Ideen, die die Menschen gehabt haben. Das Prinzip Mühle, und da denken wir gleich an, na klar, ein Mühlrad, das lustig an einem rauschenden Bach vor sich hin klappert, gibt es schon seit 3000 v. Chr. Erfunden haben es die Menschen, die zu dieser Zeit in Mesopotamien, im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, lebten, neben dem Nil-Delta eine der ersten Flächen, die der Mensch ausgesprochen intensiv für die Nahrungsmittelproduktion genutzt hat. Und so haben sich die Mühlen immer weiter ausgebreitet. Die Römer waren es, die die ersten Mühlen in unsere Gegend brachten. Das kann man heute noch an unserer Sprache sehen: „Molina“ haben die Römer zu einer Mühle gesagt. Daraus machten die Germanen „mulin“. Im Mittelalter hieß es „muele“ und später, so wie wir es heute kennen, „Mühle“.
Die Mühle findet sich nicht nur in unserer Sprache, auch zu unserer Landschaft hat sie früher einfach dazugehört. Das ist auch noch gar nicht so lange her. Ein noch so kleiner Bach ohne Mühle? Undenkbar! Allein an der Kleinen und Großen Vils gab es noch Anfang des 20. Jahrhunderts über 80 Mühlen – mehr als eine Mühle pro Kilometer! Um 1950 gab es noch 4440 Mühlen in Bayern, heute gibt es gerade noch um die 100. Bloß die Namen, die Dörfer und Höfe bis heute tragen, erinnern noch an die große Zeit der Mühlen: Allein im Landkreis Passau führen über 200 Orte die Mühle im Namen. In ganz Niederbayern sind es fast 800 Orte. Von Hungermühle über Höllmühle, Ödmühle, Dimpflmühle und Eselmühle ist alles dabei. Und da wundert es einen doch auch nicht mehr, dass so viele Menschen Müller mit Nachnamen heißen. „Müller“ kommt übrigens auch von den Römern: Den Müller nannten sie „molinarius“, althochdeutsch hieß es „mulnari“, später „muelner“ und heute „Müller“.
Ausflugstipp 1: Die Schöllamühle bei Velden gibt es schon seit der Zeit Karls des Großen. Zum ersten Mal taucht sie im Jahr 818 in alten Papieren auf.
Ausflugstipp 2: Wenn Sie mit dem Rad auf dem Vilstalradweg unterwegs sind, kommen Sie an vielen Mühlen vorbei. Einige von ihnen sind sogar noch in Betrieb.
Christoph Goldstein
Foto: https://pixabay.com/de/photos/blaubeuren-blautopf-4505103/
Dorferneuerung Niederwinkling – innovative Planung macht stark für die Zukunft

Das Wappen der niederbayerischen Gemeinde Niederwinkling zeigt einen Weinstock und zwei Steinbeile: die Beile verweisen auf die Gründung erster bäuerlicher Anwesen im fruchtbaren Gäuboden des Donautales zu Füßen des Bayerischen Waldes in der Jungsteinzeit. Die grünen Reben symbolisieren das günstige Klima, das später auch Kelten und Römer zu schätzen wussten und in der Region eine regelrechte Weinbautradition im Mittelalter auslösten.
Heute hat der Ort rund 2.850 Einwohner auf ca. 2.500 ha Fläche. Nach der Startphase von 1986-1993 wurde in der Gemeinde beginnend ab dem Jahr 1994 eine umfassende Dorferneuerung in Kombination mit einer Flurneuordnung unter der Federführung des Amtes für Ländliche Entwicklung Niederbayern und professioneller Begleitung durch ArchitektInnen und LandschaftsarchitektInnen durchgeführt.
Neben der Erneuerung eines 7 km langen Straßen- und Wegenetzes in der Flur mit vielen begleitenden Maßnahmen zum Wasserrückhalt in der Fläche gestalteten die DorfbewohnerInnen auch auf rund 3 km Länge Gehwege barrierefrei. Sie sorgten mit der Anlage von 14 Regenrückhaltebecken und einem Stauvolumen von rund 25.000 m³ Wasser zusätzlich gegen immer zahlreichere Starkregenereignisse vor. Das Hochwasser von 2013 war eine erste mit Erfolg bestandene Belastungsprobe.
Eine modern gestaltete Ortsmitte auf gut 1 ha Fläche mit allen notwendigen Einrichtungen der Daseinsvorsorge und Bürgerhaus mit zentraler Einkaufsmöglichkeit fehlt ebenso wenig wie die Chance für einheimische Senioren, in neu errichteten betreuten Wohnungen auf dem Gelände der ehemaligen Molkerei ihren Lebensabend zu verbringen. Für dieses Quartiersmanagement unter dem Motto „Zuhause daheim“ bekam die Gemeinde 2019 den Innovationspreis des Sozialministeriums. Und der verbliebene Backsteinturm der ehemaligen Molkerei ist heute eine zentrumsnahe Wohnstube für ein seit 2006 regelmäßig brütendes Storchenpaar, das durch die Ausweisung eines 1,4 ha großen Storchenbiotops an der nahen Donau eine dauerhafte Nahrungsgrundlage bekommen hat.
Über 700 Arbeitsplätze entstanden durch ein innovatives Gewerbe- und Industrieansiedlungs-Management mit zukunftsträchtigen Betrieben im Nordosten südlich der Autobahn. Bis heute wurden auf über 25 Jahre verteilt fast 5,5 Millionen investiert, davon 3 Millionen staatlich gefördert und rund 2,3 Millionen durch Eigenleistungen. Dies zeigt die Stärke ländlicher Gemeinden im Gegensatz zu Städten, wo ein solches Engagement eher unwahrscheinlich wäre. Deshalb baut die Dorferneuerung seit Jahrzehnten auch immer auf die aktive Einbeziehung aller Interessierten – angefangen vom ersten Einstiegsseminar über Fragebogenaktionen bis hin zu projektbezogenen Bürgerbeteiligungen.
So verwundert es nicht, dass sich das stolze Niederwinkling heuer nicht ohne Erfolgschancen für den europäischen Dorferneuerungspreis bewirbt. Und eines nicht so fernen Tages blüht vielleicht dank des Klimawandels auch wieder die mittelalterliche Weinbautradition auf…
Helmut Wartner
Foto: Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern
Drei kulturelle Tipps für sommerliche Pfingstferien

Kanufahren auf der Ilz
Als es noch keine Eisenbahn und keine Lastwägen gab, da waren die Ilz und der Regen die einzige Möglichkeit, Holz aus dem Bayerischen Wald herauszubringen. Das nennt man „Trift“ (vom Verb treiben abgeleitet). Sechs Wochen waren die Stämme unterwegs, bis sie am Ende Passau erreicht hatten. Dort, wo heute der Bschüttpark ist, war früher ein großer Holzhafen. Hier haben über 500 Arbeiter die vielen Stämme aus dem Wasser gezogen, getrocknet und anschließend auf Lastschiffe verladen. Die Holztrift war ein gutes Geschäft. Und so haben die Menschen ab dem 18. Jahrhundert die Ilz immer weiter ausgebaut. Besonders bekannt ist der Trifttunnel bei Hals: Dort macht die Ilz eine Schleife, was für die Trift immer besonders unangenehm ist, weil sich das Holz an solchen Stellen immer gerne verkeilt. Und deswegen hat man 1827 einen 115 Meter langen Tunnel gebaut. Den Tunnel gibt es heute noch und man kann sogar hindurchwandern. Ende des 19. Jahrhunderts war dann Schluss mit der Trift. Das Holz mit der Eisenbahn zu transportieren, war viel einfacher als auf dem Wasser; und die Menschen haben zum Heizen immer mehr die Kohle dem Holz vorgezogen. Wo früher die Baumstämme geschwommen sind, kann man heute an Burgen und Schluchten vorbeipaddeln. Die Bootstouren, die auch für Neulinge gut machbar sind, beginnen an der Schrottenbaummühle oder in Fürsteneck.
Der Bockerlbahnradweg
Wo sich früher eine der schönsten Bahnstrecken Niederbayerns durch die sanfte Hügellandschaft von Landau übers Vilstal hinüber ins Kollbachtal nach Arnstorf schlängelte, da ist heute ein Radweg. Weil man ja auf einer alten Bahnstrecke unterwegs ist, ist die Tour auch für Kinder gut machbar. Gleich am Anfang der Tour radelt man über die wunderschöne Bockerlbrücke, damals, bei der Eröffnung der Bahnlinie 1904 die längste selbsttragende (ohne Brückenpfeiler) Stahlbrücke Bayerns. Danach geht es den Landauer Berg hinauf. Wegen ihm hat die Bahnstrecke auch ihren Namen, denn an den etwas steileren Stellen hat sie immer mal wieder gebockt.
https://www.ferienland-dingolfing-landau.de/nc/natur-entdecken/radtouren/bockerlbahnradweg/
Ziegel + Kalkmuseum Flintsbach
Schon im Mittelalter haben die Menschen hier Ziegel aus Kalk hergestellt. Die große Ziegelei, die seit 1996 ein Museum ist, steht seit dem 19. Jahrhundert. In Flintsbach gibt es eine Menge zu sehen und auch zu tun: eine komplette Ziegelei mit einem riesigen Brennofen aus dem Jahr 1883, einen römischen Ziegelbrennofen, einen Steinbackofen, eine Lehmgrube einen Kalksteinbruch, und, und, und. Außerdem bietet das Museum neben Führungen viele Workshops für Kinder an: Brotbacken, Modellieren mit Lehm, Töpferkurse, Glasieren mit bunten Farben, historischer Ziegelschlag und vieles mehr.
http://www.ziegel-kalkmuseum.de/?site=89
Christoph Goldstein
Foto: https://pixabay.com/de/photos/fluss-wasser-ilz-166250/
Kulturmobil 2022

Im Sommer ist das KULTURmobil wieder in ganz Niederbayern unterwegs. Dieses Jahr werden es 25 Jahren, dass das Open-Air-Theater des Bezirks Niederbayern Groß und Klein mit humorvollen, kurzweiligen und gleichzeitig anspruchsvollen Stücken begeistert. – Und das bei freiem Eintritt!
Nachmittags um 17:00 Uhr steht das Kinderstück „Die Geschichte vom Un-Geheuer“ von Lena Hach auf dem Programm. Regie führt Mareike Zimmermann. In diesem Stück, das von der gewaltigen Kraft der Freundschaft handelt, möchte ein Ungeheuer endlich seine Vorsilbe „Un“ loswerden, damit nicht mehr alle vor ihm davonlaufen. Ob es ihm gelingt?
Abends um 20:00 Uhr wird die interaktive Komödie „Extrawurst“ von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob gegeben (Regie Christoph Krix). Das Stück beginnt mit der Mitgliederversammlung eines Tennisclubs. Ein neuer Grill muss gekauft werden. Da gibt es auf einmal den Vorschlag, man bräuchte doch eigentlich einen extra Grill für das einzige muslimische Mitglied des Vereins, denn für ihn ist es unmöglich, seine Würste auf einen Grill zu legen, auf dem schon ein Schweinekotelett brät. Kaum ist die Idee heraus, bricht eine gewaltige Diskussion los: über Toleranz, Religion und die Frage, wie viele Rechte muss die Mehrheit der Minderheit zugestehen. Auf einmal steht der Tennisclub vor einem Problem, das ihn zerreißt. Ist er so gespalten wie unsere Gesellschaft?
Die Tournee beginnt am 11. Juni in Deggemdorf; Tourneeplan und viele weitere Informationen unter www.kulturmobil.de
Christoph Goldstein
Foto: Sabine Bäter
Bären als Sklaven

Ein Bär ist in Beziehung zum Menschen vieles: ein wildes Tier, ein in Form eines Teddybären geliebtes und verniedlichtes Tier, ein ausgerottetes Tier oder wie der Tanzbär ein von Menschen beherrschtes Tier. Schon vor Jahrtausenden diente die Haltung von Bären oder anderen Raubtieren dem Prestige von Herrschern. Diese konnten mit der in Gefangenschaft gehaltenen Bären ihre Macht über die „wilden Bestien“ beweisen. Inszenierte Schaukämpfe zwischen Tieren dienten der Unterhaltung des Hofstaates. Eine Praxis, die es zum Teil noch im 19. Jahrhundert an europäischen Fürstenhöfen gab. Die herrschaftliche Bärenhaltung fand ihr volkstümliches Gegenstück in den Bärenkäfigen der wandernden Menagerien und in den Tanzbären. Tanzbären sind zumeist abgerichtete Braunbären, die auf Kommando tanzähnliche Bewegungen ausführen. Solche dressierten Bären waren bzw. sind zum Teil bis heute hinein eine Attraktion auf Jahrmärkten, in Zirkussen als auch auf öffentlichen Plätzen.
Die erlernten Kunststücke wurden zum Teil durch grausame Dressurmethoden den Bären beigebracht. Die Bären mussten auf einer heißen Eisenplatte stehen oder andere Qualen durchleiden, während eine Melodie spielte. Um den Schmerzen zu entgehen, „tanzten“ die Bären. Später reichte es, dieselbe Melodie anzustimmen und die Tiere fingen wieder mit den Bewegungen an. Mittels klassischer Konditionierung dressierten die Besitzer den Bären. Der Maulkorb, beschnittene Krallen und der an einer Schnur befestigte schmerzhafte Nasenring machte die Tiere zum Sklaven. Sie waren dem Willen ihres Besitzers ausgeliefert.
Als Attraktion präsentierten fahrende Schausteller die dressierten Bären auch in Niederbayern. So etwa in Zwiesel oder in Straubing. Man merkte dem Bären an, dass er (gar alkoholisiert?) mit dem Gleichgewicht rang und von einer Hinterpfote auf die andere auswich. Immer wenn er wieder zurück auf den Boden mochte, hinderte ihn der Schlag der Rahmentrommel daran. Die Faszination von Tanzbären und dessen Vertrautheit fanden seit 1900 als aufziehbare kleine Tanzbären Einzug in die Kinderzimmer und auch Playmobil hatte einen Tanzbären im Programm.
Tierschutzorganisationen wie „Vier Pfoten“ oder der Verein „Gewerkschaft für Tiere“, der 2008 einen Bärenpark in Hart bei Bad Füssing (Landkreis Passau) eröffnet hat, setzen sich für ein Verbot der Tanzbär-Haltung und -Dressur ein. Sie verhandeln mit Besitzern und dem Staat über die Freilassung der oft kranken oder extrem verhaltensgestörten Tiere oder kaufen Tanzbären frei. Für die ehemaligen Zirkus- und Tanzbären enden damit die erlebten Qualen. Mittlerweile ist die Abrichtung und Haltung der Tanzbären in der EU offiziell verboten und dennoch sind sie weiterhin eine Attraktion von fahrenden Schaustellern und Zirkussen in Osteuropa (u.a. in Russland, Bulgarien, Rumänien, Serbien oder der Türkei) und Südostasien (Indien, Sri Lanka, Vietnam). In Deutschland ist die Zurschaustellung von Tanzbären seit 1990 verboten.
Cindy Drexl
Foto: Stadtarchiv Straubing
Denkmalschutz und neues Leben in alten Häusern

Alte Häuser stehen bei den Besitzer/innen oder Erben oft nicht hoch im Kurs – besonders dann, wenn sie unter Schutz stehen. Die Behörden haben den nicht unberechtigten Ruf, die Betroffenen durch kostenträchtige Auflagen, Untersuchungen aller Art und Bescheide zu quälen und so oft den drohenden Verfall historischer Bausubstanz eher noch zu beschleunigen.
Doch es gibt immer wieder leuchtende Ausnahmen, zum Beispiel in Landshut. Das bereits 1483 errichtete Holzblockhaus in der Pfettrachgasse an der historischen Verbindung von Landshut Richtung Altdorf südlich des Klosters Seligenthal fristete jahrzehntelang einen Dornröschenschlaf unter fachfremden Putzschichten und brachialen Einbauten aller Art.
Ein klassischer Fall von „altem Graffel“, das nach Leerstand gerne bedenkenlos über den Haufen geschoben wird. Wenn nicht ein kleines Wunder geschieht. Ein Münchner Architekt erwarb das geschichtsträchtige Anwesen 2018, entrümpelte es und legte seine ursprüngliche Struktur frei. Im Laufe von ein paar Jahren ist es dank hoher mühsamer Eigenleistungen in neuem Glanz erstrahlt – denkmalgerecht mit örtlichen Handwerkern saniert. In der sehr lesenswerten kleinen Broschüre zum Bauen schreibt der neue Besitzer: „Ein Haus, das gebraucht wird, wird benutzt… Achtsamkeit und Behutsamkeit im Umgang ergeben sich aus dem Wert des Behandelten.“
Und das neue Schmuckstück steht jetzt nicht einfach nur rum, sondern bekommt deshalb im laufenden Jahr ein anspruchsvolles Kulturprogramm unter dem Motto „Hausgäste“ verpaßt. Das GASTGEB – wie das Gebäude nach der Sanierung in Anlehnung an seine frühere Nutzung als Herberge heisst – bietet kreativen Gästen und Freunden des Hauses Gelegenheit, auf den uralten Ort einzugehen und ihn mit bildender und darstellender Kunst in vielen möglichen Ausdrucksformen zu bespielen (www.zurgastgeb.de). Der Bauherr hat eine erstaunliche Wirkung auf seine Besucher festgestellt: “Jeder, der hier reinkommt, wird sofort offener.“
Das Projekt wird von der Stadt Landshut unter dem Dach der „Freunde der Altstadt Landshut e.V.“ finanziell unterstützt und hat den Vorsitzenden Josef Wiesmüller anläßlich der Eröffnung der 1. Ausstellung zu folgendem Kommentar hingerissen: “Es ist ein Traum, hier zu sein und diese Aura wahrnehmen zu dürfen, die alte Bausubstanz zu erleben, die mühsam freigeschält wurde, um jahrhundertealte Stadtgeschichte abzubilden.“
Helmut Wartner
Foto: Sascha Kletzsch
Lob der Namenlosen…

Manchmal frag ich mich, wie viele besondere und faszinierende Bäume buchstäblich vor der eigenen Nase wachsen und doch übersehen werden. Ich fasse mich folglich an selbiger und berichte hier von einer gewaltigen Eiche, an der ich jahrelang und unzählige Male auf der Autobahn A3 vorbeigerast bin, ohne die Alteiche wirklich zu bemerken und vor allem, ohne je von der Autobahn abzufahren und den Baum zu besuchen. Obwohl ich mir immer dachte: „Eigentlich könnte ich doch mal… Na ja, vielleicht nächstes Mal, wenn mehr Zeit ist“
An einem Sommerabend habe ich mich dann durchgerungen und die noch bevorstehende längere Autofahrt an der Ausfahrt Metten unterbrochen. Die Eiche ist von dort aus schnell erreicht: Ein kurzes Stück der Staatsstraße 2125 Richtung Neuhausen folgen und schon nach wenigen hundert Metern links auf den Schwarzachgraben einbiegen, einen Feldweg, der direkt zur Eiche führt. Ich war überwältigt und hatte nicht damit gerechnet, dass die Stieleiche so gewaltig sein würde. Mächtig ragte sie in der beginnenden Dämmerung auf, unfassbar nah an der Autobahntrasse, ein sich tief gabelnder Stamm von dichtem Unterholz umgeben. Vielleicht lag es an der Mischung aus nachlassendem Tageslicht und monoton vorbeirauschenden Autobahnlärm, dass sich schnell eine gewisse Traurigkeit bei mir einstellte: eine imposante Eiche, wie sie unseren Vorfahren sicher heilig gewesen wäre, fristet hier buchstäblich am Rande unserer schnelllebigen Gesellschaft ihr Dasein.
Aber ist es wirklich so? Das Überleben dieser Eiche so nahe an einer der wichtigsten europäischen Verkehrsschlagadern grenzt für mich an ein Wunder. Wahrscheinlich sind im 20. Jahrhundert mehr Eichen der Straßenplanung zum Opfer gefallen als dem Blitz. Bereits in der NS-Zeit begannen die raumgreifenden Erdarbeiten für die „Nibelungen-Autobahn“, dem heutigen A3-Abschnitt zwischen Deggendorf und Passau, ohne dass der Eiche etwas passiert ist. Ab 1968 wurde die Autobahn mit geänderter Trassenführung fertiggestellt und die Eiche blieb abermals stehen.
Ein kleines Wunder, das Mut macht. Vielleicht steht die Eiche ja insgeheim doch unter dem Schutz der alten Götter. Oder bringt ihr ein völlig verrostetes Hufeisen, nahe der Stammbasis, seit Jahrzehnten Glück? Ich weiß es nicht, aber entscheide, das Hufeisen auf jeden Fall bei der Eiche zu lassen. In Zeiten der globalen Erwärmung und von Massenauftreten des Eichenprozessionsspinners kann es die alte Stieleiche noch gut gebrauchen und wird vielleicht dann noch stehen, wenn asphaltierte Autobahnen nur noch aus Geschichtsbüchern bekannt sind.
Jürgen Schuller
Foto: Jürgen Schuller